Wie ein Hidden-Champion aus Stuttgart seit 2002 Dating-Riesen wie Tinder und Lovoo trotzt
Die Partnerbörse lablue.de wirkt wie aus einer anderen Zeit – und scheint sich in ihrer Nische trotzdem am Markt zu halten
- Wo kommt der Traffic von lablue.de her?
- Verpasste Chancen und Monetarisierung
- Ein Branchenexperte schätzt den Umsatz
Knapp 211 Millionen Euro soll die Online-Dating-Industrie im Jahr 2017 alleine in Deutschland erwirtschaftet haben. Trotz Global Playern wie der Match Group (u.a. Tinder, OkCupid und match.com), Spark Networks (u.a. EliteSingles und eDarling) oder The Meet Group (u.a. meet me und Lovoo), ist es einigen deutlich kleineren Anbieter gelungen, sich abseits des ganz großen Rampenlichts am Markt zu etablieren. Einer dieser Hidden Champions scheint lablue.de zu sein. 2002 in Stuttgart gegründet, generiert die Seite noch heute bis zu sechs Millionen Visits im Monat. OMR stellt das Projekt vor, erklärt die Faktoren, die offenbar zum langfristigen Erfolg geführt haben und schätzt, wie viel Umsatz die One-Man-Show pro Jahr macht.
Seit match.com 1996 als erste bis heute noch erfolgreiche Online-Singlebörse den Internet-Dating-Markt quasi erfunden hat, ist viel passiert. Neben unzähligen Neugründungen in verschiedensten Nischen, dem Siegeszug von Apps und dem einen oder anderen Daten-Leak scheint sich der Markt in den vergangenen paar Jahren vor allem zu konsolidieren. Nur einige Beispiele: Spark Networks aus den USA fusionierte Ende 2017 mit eDarling-Betreiber Affinitas (hier COO Michael Schrezenmeier im OMR Podcast), die Dresdner Dating-App Lovoo ging an The Meet Group und im Oktober 2018 verkündete ProSiebenSat.1 die Übernahme von Eharmony.
Fast von Beginn an in dieser jahrelang von Goldgräberstimmung geprägten Branche unterwegs ist Marek S. 2002 startet er die Partnerbörse lablue.de – die sich bis heute trotz übermächtig scheinender globaler Konkurrenz offenbar recht gut behauptet. Daten des Analysetools Similarweb zeigen, wie stabil sich der Traffic der Domain in den vergangenen zwei Jahren entwickelt hat. Demnach konnte die Seite im Februar 2017 4,3 Millionen Visits vorweisen, im Januar dieses Jahres sollen es sogar knapp über fünf Millionen Besuche gewesen sein. Dank einiger kleinerer Peaks sind es im Durchschnitt für die vergangenen 24 Monate 5,4 Millionen Visits und rund 381.000 Unique Visitors pro Monat.
Wo kommt der Traffic von lablue.de her?
Die Nutzer kommen Similarwebs Daten zufolge dabei zu über 97 Prozent aus Deutschland. Für Österreich und die Schweiz gibt es jeweils eine eigene Länder-Domain: lablue.at erziele rund 260.000 Visits pro Monat, lablue.ch immerhin etwa 217.000. Der Traffic auf die deutsche Hauptseite stamme im Wesentlichen von drei Kanälen. 72 Prozent der Besucher steuern demnach die Seite direkt an (was für treue, wiederkehrende Nutzer spricht, die die URL entweder direkt eingeben oder per Lesezeichen darauf zugreifen), elf Prozent landen über eine Suchmaschine auf dem Datingportal und neun Prozent klicken auf einen Newsletter-Link.
Beim Vergleichen dieser Werte wird allerdings kaum deutlich, wie stark die Domain lablue.de aus SEO-Gesichtspunkten sein dürfte. Das zeigt sich erst beim Blick in das Suchmaschinenoptimierungs-Tool Sistrix. Laut deren Daten hat die deutsche lablue-Domain aktuell einen Sichtbarkeitsindex von 8,9. Zum Vergleich: lovescout24.de kommt aktuell auf 14,4, parship.de auf 10,6, finya.de auf 4,7. Hier muss sich die Seite von Marek S. also nicht wirklich verstecken. Bis zum April 2012 war lablue.de sogar deutlich führend – dann scheint allerdings ein Refresh von Googles Panda-Update einen starken Einbruch verursacht zu haben. Heute gehören ranken den Sistrix-Daten zufolge von insgesamt 9.293 Keywords 753 in den Top 10 der Suchergebnisse. Auf dem ersten Platz landen demnach Suchbegriffe wie „partnerbörse kostenlos“, „singlebörse kostenlos“ und „singles kostenlos“.
Verpasste Chancen und Monetarisierung
Obwohl der Underdog lablue.de also im Vergleich zu größeren und vor allem deutlich finanzstärkeren Wettbewerbern im SEO-Bereich sehr gut abschneidet, lässt das Dating-Portal enormes Potenzial in einem für diese Branche typischen Bereich komplett liegen: Es gibt keine lablue-App. Ob das eine bewusste Entscheidung von Marek S. ist, oder ob eine App möglicherweise mal geplant war, dann aber auf Grund von beispielsweise technischen Schwierigkeiten wieder verworfen wurde, ist unbekannt. Der Gründer sagte mehrere Anfragen seitens OMR ab und wollte sich zu keinerlei Fragen äußern.
Grundsätzlich scheint der lablue-Gründer kein großes Interesse an Öffentlichkeit zu haben – und lieber ohne großes Aufsehen an seinem Projekt zu arbeiten. Das Dating-Portal firmiert immer noch als Einzelunternehmen, es finden sich also weder Eintragungen im Handelsregister, noch Veröffentlichungen im Bundesanzeiger. Belastbare Rückschlüsse auf den finanziellen Erfolg von lablue.de, beispielsweise durch das Interpretieren einer Bilanz, oder die Größe des Teams, falls Marek S. überhaupt feste Mitarbeiter hat, sind somit nicht möglich.
Bei der Monetarisierung greift der Gründer auf das vor allem im Dating- und im Mobile-Gaming-Bereich gängige Freemium-Modell zurück. Das Angebot von lablue.de ist grundsätzlich kostenlos, lässt sich aber durch eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft aufwerten. Nach dem Beitritt des „lablue Clubs“ erhält der User Zugang zu Mehrwerten wie Einsicht in Profilbesucher, eine erweiterte Block-Liste und werbefreien Mailverlauf mit anderen Usern. Zusätzlich monetarisiert Marek S. die Reichweite über Display Ads von Vermarktern und Netzwerken wie Awin, Criteo, Google, Ligatus und Adition.
Ein Branchenexperte schätzt den Umsatz
Wie viel Umsatz lablue.de am Ende tatsächlich 17 Jahre nach der Gründung generiert, bleibt Spekulation. Auf der Seite selber ist die Rede von über 500.000 Singles – wie viele davon allerdings beispielsweise für den „lablue Club“ zahlen, ist von außen nicht bestimmbar. Ein Branchenexperte, der seit Jahren tiefe Einblicke in den Dating-Bereich hat, aber nicht näher genannt werden möchte, gibt dennoch eine vorsichtige Einschätzung ab.
„Eigentlich war lablue.de zum Scheitern verurteilt. Zwischen 2002 und 2010 haben ja Tausende Leute versucht, ihre eigene kostenlose Singlebörse aufzubauen. Die meisten kamen eher aus der Coder-Ecke – und scheiterten an mangelndem Marketing-Knowhow“, so der Insider. Warum aus der Zeit gerade lablue.de als „solides, gutes Mittelklasse-Datingportal“ übrig geblieben ist, kann er sich auch nur schwer erklären. „Der Macher war ganz gut in SEO, das konnten aber auch viele andere. Zwischenzeitlich gehörte lablue.de ja sogar zu den Top 10, vielleicht sogar Top 6, was aktive Nutzer angeht.“
Der Branchenexperte ist sich sicher, dass auch heute noch, wenn auch auf niedrigerem Niveau, eine aktive Community vorhanden ist. Er sagt: „Was die Monetarisierung angeht, ist das Portal dennoch ein schwieriges Unterfangen. Pro Lead kann er Vergleichs-Seiten rund 30 Cent anbieten. Viel mehr als ein bis zwei Euro pro Nutzer dürfte er am Ende des Tages nicht verdienen.“ Dennoch zieht er ein sehr positives Fazit: „Die laufenden Kosten dürften gering sein. Vielleicht landet Marek S. bei 150.000 Euro Umsatz im Jahr. Wenn es richtig gut läuft vielleicht auch bei 500.000 Euro. Nicht spektakulär, aber vor allem für die Branche und das Alter des Portals sehr gut gemacht.“