Jurafakten, Vong, Feudalsprache: Wie Dallan Sam seit Jahren deutschen Internet-Humor prägt

Torben Lux31.3.2023

Die Social-Media-Projekte seiner Agentur Dasa Media sollen pro Monat bis zu 200 Millionen Impressions generieren

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Dallan Sam hat in den vergangenen Jahren mehrere Viral-Seiten gebaut und Bücher veröffentlicht (Montage: OMR).

Als „I bims“ 2017 vom Langenscheidt-Verlag zum Jugendwort des Jahres ernannt wurde, hatte der Hype um die sogenannte Vong-Sprache gerade seinen Zenit erreicht. Die Verbreitung der bewusst grammatikalisch falsch gebauten Sätze hat seitdem zwar etwas nachgelassen, aus der deutschen Internet- und Meme-Kultur ist sie dennoch nicht mehr wegzudenken. Einer, der maßgeblich dazu beigetragen hat, ist Dallan Sam. Der heute 26-Jährige baut schon seit der Schulzeit Viralseiten auf, ist Agentur-Inhaber – und hat mit „Greifet hin und leset nun“ gerade sein fünftes auf Meme-Seiten basierende Buch veröffentlicht. Mit OMR spricht er zum ersten Mal über seinen Werdegang und das Geschäft mit Viral-Seiten.

„Als ein Berufsberater bei uns in der Schule Einzelgespräche geführt hat, habe ich ihm meine Facebook-Seite mit über 300.000 Followern gezeigt und gefragt, ob ich daraus einen Beruf machen kann“, erzählt Dallan Sam im Gespräch mit OMR. „Das kann was werden“, habe der Berater geantwortet – und hat damit rückblickend wahrscheinlich einen zumindest kleinen Anteil an der Internet-Karriere von Sam und irgendwie auch an der Entstehung von vielen Memes. Denn bis zu diesem Zeitpunkt wird Dallan Sam für seine Social-Media-Leidenschaft vor allem belächelt. 

„Ich war in der Schulzeit eher der Nerd und wurde nicht so richtig ernstgenommen“, erinnert sich Sam. Schon mit 14 Jahren startet er seine ersten Facebook-Seiten. Ihn hätten reichweitenstarke Profile mit vielen Likes fasziniert und irgendwie passte das ja auch zu seinem Wunsch, später mit selbstständiger und kreativer Arbeit Geld zu verdienen. Das erste Projekt, eine Meme-Seite namens „Immer-Wenn“, läuft allerdings nur schlecht an. Demotiviert schiebt er seine Social-Media-Pläne vorerst zur Seite. 

Was nur elf Likes auslösen können

Dallan Sam (Foto: Linkedin)

2014, rund zwei Jahre später, startet Dallan Sam einen neuen Versuch. Bei Seiten und Profilen, denen er folgt, liest er nicht nur die Beiträge, sondern vor allem auch die erfolgreichsten Kommentare. Die Idee zu „Top Comments“ ist geboren. Sam sichert sich direkt den Seitennamen, lädt aber noch kein Profil-Foto, geschweige denn Posts hoch. „Ich musste mich um die Schule kümmern“, sagt er. Nach einer Woche ohne jegliche Aktivität auf der neuen Seite kommt diese trotzdem auf elf Likes. „Da habe ich gemerkt, dass das Thema echtes Potenzial haben kann. Immerhin wird gezielt nach dem Seitennamen gesucht“, so Sam. Heute hat die Facebook-Seite 800.000 Fans. 

Das gute Wachstum von „Top Comments“ bekräftigt Dallan Sam darin, weitere Projekte zu starten. „Die Arbeit an der Seite hat mir ein gutes Gefühl für Viralität und den Umgang mit Reichweite gegeben“, sagt er. Anfang 2015 legt er mit der Seite „Was Lehrer nicht dürfen“ nach. Sam erinnert sich: „Ich war ja selber noch Schüler und habe mich immer mal wieder gefragt, welche Rechte wir neben den Pflichten eigentlich haben.“ So sei die Idee für die Seite entstanden, nach 24 Stunden soll sie bereits die Marke von 100.000 Followern geknackt haben. Heute folgen ihr noch knapp über 200.000 User.

Schüler, Viralseiten-Betreiber, Bestseller-Autor

„Was Lehrer nicht dürfen“ dürfte auch deshalb schnell gut funktioniert haben, weil die Seite eine klar definierte Zielgruppe anspricht und ihre Fragen beantwortet. Hunderte Nachrichten pro Tag seien anfangs im Postfach gelandet. „Als ich überlagt habe, wie ich all diese Anfragen beantworten kann, hatte ich zum ersten Mal die Idee, ein Buch zu schreiben“, sagt Dallan Sam. 

Um sich rechtlich abzusichern, schreibt er in der Folge Anwaltskanzleien an. „Das waren gefühlt 100“, so Sam. Nur Rolf Tarneden aus Hannover antwortet. „Er hat später mal in einem Interview erzählt, dass ich ihn so lange genervt habe, bis er mich schließlich eingeladen hat.“ Erst erscheint das Buch im Selbstverlag, später übernimmt der Ullstein Verlag. „Was Lehrer nicht dürfen: Antworten auf die 50 wichtigsten Schülerfragen – inklusive der dazugehörigen Paragraphen“ verkauft sich laut Dallan Sam über 20.000 Mal und wird zum Spiegel-Bestseller. Ende 2015 berichtet Steffen Hallaschka bei Stern TV über Sam und sein Buch.

Dallan Sam macht Viralität zum Geschäftsmodell

Parallel zum ersten Buch-Erfolg startet Dallan Sam weitere Projekte. Schon im Oktober 2015 launcht er „Lovefakten“. Auf Facebook kommt die Seite auf rund 130.000 Fans, dem Instagram-Profil folgen eine Million User. Um das Wachstum auf Instagram anzukurbeln greift Sam auf einen lange Zeit beliebten Growth Hack zurück. „Auf Instagram war die Seite am Anfang privat. Die ersten 250.000 Follower habe ich einzeln bestätigt.“ Weil er die Pausen in der Schule dafür nutzt, tausende Abos anzunehmen, wird er erneut für seine Social-Media-Leidenschaft belächelt. 

Wahrscheinlich erfahren auch deshalb nur wenige enge Freund*innen von seinem nächsten Projekt. Ab Ende 2015 entsteht im deutschsprachigen Raum die sogenannte Vong-Sprache. Der österreichische Rapper Money Boy hatte damals auf Twitter begonnen, die Formulierung „I bims“ zu nutzen und die 1 als Zahl zu schreiben. Sebastian Zawrel alias „Willy Nachdenklich“ hatte den Trend aufgegriffen und mit „Nachdenkliche Sprüche mit Bilder“ eine der ersten Facebook-Seiten gestartet. Und auch Dallan Sam ist ab Anfang 2017 mit von der Partie, auf dem Rücken des Vong-Hypes Reichweite aufzubauen und zu monetarisieren, wie OMR-Chefredakteur Roland Eisenbrand wenig später herausfindet. 

„Kommentare mit den typischen Rechtschreibfehlern gingen auf meinen Seiten viral“, erinnert sich Dallan Sam. „Da bin ich auf den Zug aufgesprungen.“ Fast 730.000 Follower hat seine Facebook-Seite „Vong“ aktuell, auf Instagram sind es rund 430.000. Mitte 2017, zum Höhepunkt des Vong-Hypes, erscheint unter dem Pseudonym „H1“ das Buch „VONG: Was ist das für 1 Sprache?“ im Ullstein Verlag und wird ebenfalls zum Spiegel-Bestseller.

Wie aus Gesetzen Reichweite wird

Zwei Jahre später, im Alter von 22, legt Dallan Sam direkt mit dem nächsten Buch nach. Und auch bei „Jurafakten: Verbotene Süßigkeiten, erlaubte Morde und andere Kuriositäten aus Recht und Gesetz“ (Überraschung: auch hier ziert heute der Spiegel-Bestseller-Button das Cover) war wieder ein erfolgreiches Facebook-Projekt vorausgegangen. „Wir haben in einem kleinen Team die Brand „Jurafakten“ entwickelt“, sagt Sam. 300.000 Follower auf Facebook und fast eine Million Abos auf Instagram konnte das Projekt seit dem Start Anfang 2018 sammeln. „Die Brand hat in den vergangenen 90 Tagen über 125 Millionen Impressionen generiert“, so Dallan Sam. 

Ähnlich – erst Social Media, dann Buch – soll es jetzt auch mit dem jüngsten Vertical „Feudalsprache“ ablaufen. Das Mitte 2019 gestartete Projekt, das Sam gemeinsam mit Dario Ciraulo, Senior Social Media Strategist bei der Seven.One Entertainment Group, startet, bringt es bei Facebook auf rund 210.000 Likes und bei Instagram auf 117.000 Follower. Seit dem 30. März ist die Verballhornung gehobener Sprache aus dem Mittelalter – aus einem Shitstorm wird da beispielsweise eine „des Darmsekrets tosende Großtrombe“ – als Buch erhältlich. 

Dallan Sam, der Anfang 2020 für die Vermarktung seiner Seiten die Dasa Media GmbH gegründet hat, ist optimistisch, dass auch das Buch wieder auf den einschlägigen Bestseller-Listen landen wird. „Ich glaube, dass das Buch viel mehr Potenzial hat, als das zu ‚Was Lehrer nicht dürfen'“, sagt er. Unabhängig vom Erfolg des Buches wollen Sam und das zehnköpfige Team der Agentur bald zwei „ganz besondere, neue Social-Media-Projekte“ auf Instagram starten. Und in den kommenden Monaten werde er sich auch stark auf Tiktok konzentrieren; die Plattform findet bei ihm bisher quasi nicht statt. Aber auch Facebook soll weiterhin eine wichtige Rolle spielen. „Viele denken, Facebook sei tot. Aber Facebook ist sowas von am Start“, sagt Dallan Sam. „Ich würde sogar sagen, dass es Creator heutzutage viel einfacher haben, als wir vor einigen Jahren. Wenn man interessanten Content veröffentlicht, wird einem Reichweite heute geschenkt.“ 

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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