Tiktok, Hip-Hop, Verlosungen: Wie Cash App durch Viral-Marketing Millionen Nutzer sammelt
Diese Finanz-App hat jeweils über eine Million Follower auf Twitter und Instagram
- Cash App Fridays
- Kooperationen mit Hip-Hop-Stars
- Auch Brands machen mit
- Tiktok darf nicht fehlen
- Netzwerkeffekte verstärken die Marketing-Erfolge
Der von Square entwickelte Bezahl-Service Cash App geht in den USA gerade richtig durch die Decke. Die App wurde bisher über 83 Millionen Mal heruntergeladen, verzeichnet 24 Millionen aktive Nutzer und generiert über eine Milliarde US-Dollar Jahresumsatz. Dabei geholfen haben im Finanzwesen eher wenig verbreitete Marketing-Strategien wie Tiktok-Influencer, HipHop-Stars und Twitter-Verlosungen. Wir zeigen die Viral-Strategie und klären, ob sich der Erfolg nachbauen lässt.
In den USA benutzen Millionen Nutzer die Cash App, um Freunden ohne Zusatzkosten per Smartphone Geld zu senden – so wie es Deutsche vor allem über Paypal machen. Das Besondere: Cash-App-Betreiber Square, bei dem Twitter-CEO Jack Dorsey ebenfalls CEO ist, weist) jedem Nutzer einen „$Cashtag“ zu. Dieser gilt singulär für eine Person oder ein Unternehmen. Nutzer, die Geld senden wollen, geben einfach diesen Cashtag in der App ein.Diese zentrale Funktion hat Square in den vergangenen Jahren um weitere ergänzt: Eine Rabatt-Funktion (ähnlich wie die von Payback), die Möglichkeit in Aktien zu investieren, ein kostenloses Konto und Bitcoin-Einkauf. So soll die junge Zielgruppe alles in der App finden, was sie für das alltägliche bargeldlose Leben braucht. Über Viral-Marketing-Strategien erreicht Cash App genau diese Zielgruppe am Ende tatsächlich – aber wie genau?
Cash App Fridays
Einen Großteil der Aufmerksamkeit bekommt Cash App durch die „Cash App Fridays“. Auf Twitter fordert das Unternehmen seine Follower dazu auf, ihren Cashtag zu retweeten. Jeder, der das tut, hat die Chance auf eine direkte Geldeinzahlung ohne weitere Hürden. Am „Super Cash App Friday“ haut das Unternehmen auch mal (wie zuletzt am 29. Mai) 50.000 US-Dollar raus. Seitdem die Kampagne 2017 gestartet ist, sind die Follower des Twitter-Accounts von wenigen Tausend auf über eine Million explodiert. Ein Post wie der von Ende Mai verzeichnet knapp 58.000 Kommentare, 25.000 Retweets und 35.000 Likes.
Die Kampagne bietet für Cash App eine perfekte Kombination: Neue Nutzer werden auf die App aufmerksam, wollen an der Verlosung teilnehmen und lernen auf diesem Wege direkt die Funktion rund um das Cashtag kennen. Dokumente von Square zeigen, dass sich die Kosten für die erste Kampagne 2017 (1,4 Millionen US-Dollar) nach zwölf Monaten amortisiert hatten. Diese erste Cash-App-Friday-Kohorte (also Nutzer, die durch die Kampagne in 2017 gewonnen wurden) habe Cash App bis Februar 2020 einen Umsatz von 7,7 Millionen US-Dollar gebracht.
Auch ein Blick in das Analyse-Tool Priori Data zeigt, dass die Twitter-Verlosung langfristig App-Downloads gebracht hat. Ende 2016 verzeichnete die App meist unter 10.000 Downloads pro Tag auf iOS-Geräten. Ende 2017 waren es täglich schon 30.000 Downloads. Heute laden sich pro Tag zwischen 60.000 und 70.000 Menschen die App auf Apple-Geräte, auf Android liegen die Zahlen in einem ähnlichen Bereich. Klar, dass Cash App solche Kampagnen jetzt auch auf Instagram fährt. Hier hat das Unternehmen 1,3 Millionen Follower und postet die gleichen Gewinnspiele – mit zum Teil 200.000 Kommentaren pro Cash-App-Fridays-Beitrag.
Kooperationen mit Hip-Hop-Stars
Durch den Hype um die Verlosungen passiert etwas Unerwartetes: Wie das Wall Street Journal schreibt, haben seitdem über 200 Hip-Hop-Künstler „Cash App“ als Begriff in einem ihrer Songs verwendet – darunter Weltstars wie Iggy Azalea und Meek Mill. Bezahlte Placements? Nach eigener Aussage ist Jack Dorsey selbst davon überrascht gewesen, dass Rapper die Cash App auch in Musik-Videos eingebaut hatten. „Wir haben das nicht erwartet, aber ich denke, dass Cash App in der Pop-Kultur angekommen ist. Wir profitieren davon, dass die Leute sie lieben, darüber singen wollen und sie in ihre Videos packen. Es ist unglaublich, wie sich das verbreitet“, sagt er 2019.
Beeindruckt von dem Hype beginnt Square damit, die Twitter-Verlosungs-Strategie auf Partner und Influencer zu übertragen. So postet Hip-Hop-Superstar Travis Scott auf Twitter, dass er 100.000 US-Dollar an diejenigen verlost, die ihm ihr Cashtag schicken. Der Tweet verzeichnet 91.000 Kommentare, 23.000 Retweets und 93.000 Likes. In den zwei Tagen nachdem Scott die Nachricht veröffentlicht, wird die App laut Priori Data etwa 200.000 Mal für iOS und 80.000 Mal für Android heruntergeladen. Neben den reinen Tweets gibt’s für Cash App kostenlose Berichterstattung vieler Medien obendrauf – schließlich dürfte sich die Überschrift „Travis Scott verschenkt 100.000 Dollar auf Twitter“ ziemlich gut geklickt werden.
Auch Brands machen mit
Später arbeiten die Betreiber nach dem gleichen Prinzip etwa mit Snoop Dogg zusammen. Aktuell unterstützt Cash App täglich eine soziale Einrichtung, die sich für die Rechte von Minderheiten einsetzen und generiert so ebenfalls viel Aufmerksamkeit in der Community.
Hinzu kommen Marketing-Kooperationen mit anderen Brands wie beispielsweise Burger King. Auf Twitter hatte die Restaurant-Kette zuletzt versprochen, die Studiendarlehen seiner Twitter-Follower per Cash App zu zahlen. Das Ergebnis: mehr als 100.000 Retweets mit Cashtags. Für Burger King funktioniert die Kampagne, weil das Unternehmen gut dasteht und viel Aufmerksamkeit auf Twitter bekommt – und Cash App sammelt fleißig neue Nutzer.
Das Investment-Unternehmen Ark Invest macht eine plausible Rechnung auf, wie sehr sich solche Kampagnen mit anderen Brands oder Rappern auf Twitter für Cash App lohnen: Wenn nur 129 der 120.000 Nutzer, die auf Travis Scotts Tweet mit ihrem Cashtag geantwortet haben, neu in der App sind, läge die Customer Acquisition Cost bei 925 US-Dollar pro Nutzer – laut Ark läge das unter dem Wert, den Banken in anderen Fällen für neue Kunden ausgeben. Wenn 6.000 der Nutzer, die bei Travis Scott kommentieren, neu sind, würde Cash App für einen Neukunden nur noch 20 US-Dollar ausgeben. Dabei geht Ark aber davon aus, dass die Kampagne mit Scott einfach die 100.000 Dollar kostet, die er verschenkt. Es kann natürlich sein, dass Cash App dem Rapper zusätzlich ein Honorar zahlen musste.
Tiktok darf nicht fehlen
Um auch weiter die junge Zielgruppe zu erreichen, setzt Cash App mittlerweile auch massiv auf Tiktok. Schon 2018 schreibt der Tiktok-Creator „Shiggy“ einen Song über Cash App (wie so viele Rapper vor ihm). 2019 unterschreibt er einen Sponsoring-Deal mit dem Unternehmen. Gemeinsam machen sie aus seinem Drei-Minuten-Song eine kurze eingängige Version für Tiktok. Daraus wird der offizielle Song, den Tiktoker hinter ihre Videos legen können, wenn sie über die App singen und tanzen wollen.
Den Start des Songs auf Tiktok unterstützt Cash App mit einer gezielten Influencer-Kampagne. Das Unternehmen bezahlt laut Business Insider Dutzende Tiktoker mit Millionen-Reichweite zum Teil über 5.000 US-Dollar, um ein Video auf der Plattform zu posten. Darin sollen sie Witze darüber machen, wie pleite sie sind und den Hashtag „CashAppThatMoney“ nutzen. Der Song geht unter Mithilfe der Influencer viral. Bis heute wurde der Song in über 9.300 Videos auf der Plattform benutzt. Videos mit dem Kampagnen-Hashtag kommen auf über 157 Millionen Views.
Netzwerkeffekte verstärken die Marketing-Erfolge
Für Cash App zahlen sich solche auf Viralität angelegte Kampagnen noch einmal deutlich besser aus als für viele andere Brands. 2017 zählte die App noch sieben Millionen monatlich aktive Nutzer, heute sind es 24 Millionen bei weiterem starken Wachstum. Im ersten Schritt geht es den Machern um eine größtmögliche Zahl an App-Installs. Damit nicht zu viele Nutzer direkt wieder weg sind, hat sich die Idee mit dem Cashtag als goldene Idee erwiesen. Wer bei einem der vielen Gewinnspiele mitmacht, installiert sich eben nicht nur die App, er oder sie erkennt, wie einfach es ist, mit Cash App Geld an Freunde zu schicken. So macht die Vielzahl der neuen Nutzer ihre Freunde auf die App aufmerksam und das Unternehmen sammelt kostenlos weitere Kunden ein.
Das US-Hip-Hop und -Business-Magazin Trapital schreibt mit Blick auf Cash App von einem Flywheel, einem Schwungrad, dass durch die massenhaften Downloads der App in Gang gesetzt wurde (hier hatten wir den Marketing-Begriff Flywheel analysiert). Das Cash-App-Flywheel laufe wie folgt: Hip-Hop-Künstler und ihre Fans hätten es in Gang gesetzt und für eine Vielzahl an Überweisungen zwischen den Nutzern gesorgt. Durch den Umsatz konnte Cash App die Nutzererfahrung in der App verbessern und weitere Verlosungen machen. Das führt zu noch mehr Umsatz, der dann weitere Services wie Bitcoin- und Aktien-Handel ermöglicht, die wiederum ganz neue Zielgruppen anziehen. So wird aus einer viralen Marketing-Strategie die Grundlage für ein ganzes Geschäftsmodell.