“Branded Stock”: Schicke, aber günstigere Produktfotos für die Welle der D2C-Shops?

Martin Gardt29.3.2022

Cherrydeck macht mit Kunden wie Blackroll, L’Oréal und Ritzenhoff schon siebenstellige Umsätze

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Inhalt
  1. Wo liegt das Problem?
  2. Das Stockfoto-Prinzip für individuelle Content-Wünsche
  3. Blackroll nutzt die Vorteile
  4. Ein Modell mit Zukunft?
  5. Was haben Fotograf:innen davon?
  6. International aufstellen

Ob auf der eigenen Website, im eigenen Shop, in E-Mails oder auf Social-Plattformen: Marken brauchen ständig Fotos und Video-Clips. Aber Stockfotos sind meist zu beliebig und klinisch, Shootings mit den eigenen Produkten aber aufwändig und teuer. Das Hamburger Startup Cherrydeck will unter dem Namen „Branded Stock“ eine Alternative bieten und vermittelt dafür zwischen Fotograf:innen und Unternehmen. Die müssen nur die Fotos kaufen, die ihnen zusagen. OMR hat mit dem Cherrydeck-Gründer, einer Kundin und einer Fotografin über den Service gesprochen.

Auch wir bei OMR kennen das: Jeden Tag müssen Marken mit der Zielgruppe kommunizieren. Und wer physische Produkte verkauft, will diese dabei natürlich immer auf’s Neue in Szene setzen. Das Problem: Foto- und Video-Shootings für Produkte müssen gut geplant sein. Motive und Strategie müssen festgelegt, Fotograf:innen, Models und Locations gebucht und ein Team zum Shooting geschickt werden. Cherrydeck will dafür mit „Branded Stock“ eine Lösung gefunden haben. Unternehmen schicken ein Briefing für ein Produkt-Shooting, Cherrydeck vermittelt den Auftrag, Fotograf:innen machen selbstständig die Bilder und die Unternehmen kaufen, was ihnen gefällt. In diesem Jahr plant das Hamburger Startup mit 1.000 Marken-Kunden und deutlich siebenstelligem Umsatz.

Wo liegt das Problem?

Katrin Mayer von Blackroll

Katrin Mayer von Blackroll (Foto: Sebastian Schöffel)

Mit dem Content-Druck kämpft derzeit zum Beispiel der Faszienrollen-Hersteller Blackroll (hier die Gründer im OMR Podcast). „Wir sind noch kein riesiges Unternehmen, haben aber gleichzeitig viel Content-Bedarf“, sagt Katrin Mayer, Content & Communications Managerin bei Blackroll, gegenüber OMR. Sie und ihr Team bräuchten immer wieder neue Motive mit den Faszienrollen und weiteren Produkten für Social Media, Newsletter, die eigene Webseite. Der Produktionsaufwand von Fotoshootings sei für das noch junge Unternehmen immer sehr hoch. Gleichzeitig müsse Mayer am Ende das entstandene Material kaufen – egal, ob sie mit dem Ergebnis glücklich ist oder nicht.

Hinzu kommt die fehlende Flexibilität in Sachen Szenerie: „Für uns ist es normalerweise nicht möglich, in vielen verschiedenen Ländern Shootings zu machen – das übersteigt oft unser Budget, was uns für Produktionen zur Verfügung steht“, sagt sie. Der Wechsel zwischen Studio-Produktion und Aufnahmen in der Nähe des Stammsitzes im Schweizerischen Bottighofen wird irgendwann langweilig. Deshalb habe Blackroll bereits mehrfach Branded-Stock-Material bei Cherrydeck in Auftrag gegeben. Dabei ist die Idee des Hamburger Startups noch relativ neu.

Das Stockfoto-Prinzip für individuelle Content-Wünsche

Cherrydeck-Gründer Philipp Baumgaertel

Cherrydeck-Gründer Philipp Baumgaertel (Foto: Sabine Skiba)

„Wir sind eigentlich als ‚Gelbe Seiten‘ für Instagram angetreten“, sagt Cherrydeck-Gründer Philipp Baumgaertel gegenüber OMR. „Fotografen und Videographer präsentieren ihre Portfolios schon auf Instagram. Aber Unternehmen werden nicht strukturiert auf sie aufmerksam. Wir wollten Kreative an Kunden vermitteln.“ Weil in der Pandemie Aufträge wegbrechen, gerät auch dieses Geschäftsmodell von Cherrydeck in Gefahr. „Nach kurzer Schockstarre durch Corona haben wir überlegt, wie es weitergehen kann und nach Modellen gesucht, die auch in der aktuellen Situation funktionieren“, so Baumgaertel. „Mit unserem Kunden Polestar haben wir in der Zeit einen Wettbewerb gemacht: Fotografen haben das Auto für ein Shooting bekommen. Dem Gewinner wurden seine Fotos abgekauft. Wir haben dann überlegt, wie wir das Modell systematisch für Firmen jeder Größe aufbauen können.“

In der Zeit habe sich das Team des Startups mit Stock-Fotografie beschäftigt. Große Agenturen stellen Unmengen von Fotos und Videos zu verschiedensten Themen zur Verfügung. Viele Unternehmen nutzen solche Materialien für Werbeclips, Präsentationen, manchmal sogar für Werbe-Kampagnen. „Das Problem an klassischer Stock-Fotografie: Du kannst damit nicht deine eigenen Produkte zeigen. Unser Modell verheiratet individuelle Content-Produktion mit dem Stockfoto-Kaufmodell“, erzählt der Cherrydeck-Gründer. „Der Kunde kommt zu uns mit einem Briefing. Wir wählen dann die passenden Fotografen aus. Der Kunde muss dann nur seine Produkte dorthin schicken und zahlt dann nur für die Bilder, die gebraucht werden.“ Branded Stock bietet sich wegen dieser Vorgehensweise vor allem für Marken mit Consumer-Produkten an, die sich per Post verschicken lassen.

Blackroll nutzt die Vorteile

Und in das Schema passen die Faszienrollen von Blackroll ganz gut rein. Am Ende sei die erste Zusammenarbeit aber aus einem anderen Grund zu Stande gekommen. „Das erste gemeinsame Projekt lief ohne Risiko. Wir zahlen ja nur, wenn wir die Bilder auch haben wollen“, sagt Katrin Mayer. „Wir sparen mit Cherrydeck Zeit, haben weniger Risiko und haben kreative Unterstützung.“ Denn das Hamburger Startup wähle aus dem Portfolio an Fotograf:innen je nach Briefing des Kunden die passenden aus. Ist zum Beispiel ein Strand-Shooting gewünscht, geht der Auftrag an Outdoor-Profis in Barcelona.

Ein Branded-Stock-Foto für Blackroll

Ein Branded-Stock-Foto für Blackroll

„Die Geschwindigkeit der Umsetzung ist ein großes Plus: Es gibt keine zu langen Planungsphasen, die Fotografen arbeiten selbstständig nach unserem Briefing. Wenn man also den Ressourcen-Aufwand gegen den Preis einzelner Bilder rechnet, lohnt sich das für uns“, so Mayer. „Wir bekommen Bilder, die wir multichannel nutzen können: Webseite, Print, Social, E-Mail. Wir haben sogar schon Reels für Instagram erstellen lassen.“ Wie bei einem Stockfoto-Service bleiben die Bilder bei Cherrydeck in einer Foto-Bibliothek der Kunden. Die können dann zu einem späteren Zeitpunkt Motive nachkaufen, die sie noch nicht genutzt haben.

Ein Modell mit Zukunft?

„Wir haben jetzt schon viele Kunden – ohne Marketing-Investments. Jetzt wollen wir auf 1.000 Kunden noch in diesem Jahr wachsen“, sagt Cherrydeck-Gründer Baumgaertel. Ob das Branded-Stock-Modell langfristig funktioniert wird auch davon abhängen, wie sich der Preis entwickelt. Derzeit zahle jeder Unternehmens-Kunde pro Foto-Bestellung 275 Euro Grundgebühr. Damit zahle Cherrydeck kleinere Auslagen für die beauftragten Fotograf:innen und stelle sicher, dass die Marken es ernst mit dem Auftrag meinen. Jedes Bild und Video koste dann einen bestimmten Betrag, der sich nach der abgenommenen Menge und dem Motiv richte. Im günstigsten Fall zahlen Unternehmen 45 Euro pro Foto, wenn sie über 100 Bilder kaufen und darauf keine Menschen zu sehen sind (ohne Models ist es günstiger). Der Maximalpreis liege bei 115 Euro bei einem kleinen Foto-Einkauf von Motiven mit Models. Für Videos gelte das gleiche Prinzip.

Foto-Bibliothek bei Branded Stock / Cherrydeck

So sieht die Foto-Bibliothek von Branded-Stock-Kunden (in diesem Fall Blackroll) aus

Insgesamt bestehe das Cherrydeck-Portfolio aus 100.000 Fotograf:innen aus der ganzen Welt. Das ermöglicht die für Firmen wie Blackroll so wichtigen Outdoor-Shootings an verschiedensten Orten. Neben Blackroll seien Ritzenhoff (Gläser), L’Oréal, Frank Juice (Saftkuren) und Laux Feinkost wiederkehrende Kunden des Services. Cherrydeck dürfte zumindest die Marktentwicklung auf seiner Seite haben: Bisher vor allem stationär agierende Händler und Marken zieht es verstärkt ins Netz. Gleichzeitig entstehen unzählige Direct-To-Consumer-Marken (D2C), die vor allem über Social Media wachsen wollen – und sehr viel Content benötigen. Allerdings zeigt sich hier auch das Problem von „Branded Stock“: der Stock-Charakter der Bilder. Denn der Trend geht eigentlich weg von professionell erstellten Fotos und Videos. Junge Marken setzen vor allem auf authentische Inhalte, die mit dem Smartphone im Büro gemacht werden können.

Was haben Fotograf:innen davon?

Und es stellt sich die Frage: Wenn das Modell für die Plattform (Cherrydeck) und die Marken gut funktioniert, müssten dann nicht die Fotografinnen und Fotografen leiden? Statt hochdotierter Shootings müssen diese schließlich auf eigene Faust fotografieren, Models buchen und selbst ins Risiko gehen. Denn was für die Unternehmen Flexibilität bedeutet, die freie Wahl der Bilder, bedeutet für Fotograf:innen komplette Unsicherheit, wie viel sie mit dem Job verdienen. Trotzdem ist zum Beispiel Florentina Olareanu aus Wien bei Branded Stock dabei. „Ich hatte vor der Pandemie viele internationale Projekte, habe vor allem Events dokumentiert. Das wurde durch Corona alles gecancelt“, sagt sie gegenüber OMR. Wie so viele aus der Branche habe sie umdenken müssen, wie der Job ohne Reisen und groß angelegte Shootings machbar bleibt.

„Ich wollte dann in eine andere Richtung gehen und Produktfotografie ausprobieren, weil das einfach nachhaltiger ist“, so Olareanu. „Weil ich in dem Bereich aber nicht vernetzt bin, habe ich Cherrydeck für mich entdeckt. Darüber bekam ich Produkte und Arbeit, konnte üben. Da war die Bezahlung fast ein Bonus.“ Sie sehe Branded Stock auf der einen Seite als „Auffüller“ neben größeren Aufträgen: „Ich habe im Monat die großen Jobs und darum herum kann ich die Cherrydeck-Jobs legen. Insgesamt habe ich über diese kleineren Shootings fast eine fünfstellige Summe verdient.“ Auf der anderen Seite mache sie sich so bei potenziellen Kunden bekannt: „Ich nehme die Jobs an, weil ich Sachen ausprobieren will. Und weil ich auf anderem Wege gar nicht an die Brands kommen würde, für die ich jetzt schon gearbeitet habe.“

International aufstellen

Philipp Baumgaertel hofft mit Cherrydeck den Rückenwind von Partnern und Fotograf:innen weiter mitzunehmen. Aus derzeit zehn Mitarbeitenden sollen schnell 25 bis 30 werden. Ein Start des Services in Frankreich und Großbritannien ist geplant – denn noch sehe er keine Wettbewerber am Markt. Weil Cherrydeck Kunden für Branded Stock bisher vor allem über bestehende Kontakte aus der Gelbe-Seiten-Zeit gefunden hat, müsse dafür jetzt das B2B-Marketing anlaufen. Derzeit würden passenden Firmen identifiziert, die man direkt anfragen werde. Weitere wichtige Kanäle seien Linkedin, Instagram Ads und Konferenzen. Und Agenturen sollen bei der Expansion helfen. Die müssten schließlich für so viele Kunden so viel Content erstellen, dass Branded Stock auch an der Stelle helfen könne.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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