Back Market: Entsteht hier gerade der dominante Marktplatz für gebrauchte iPhones?

Martin Gardt29.3.2021

Das französische Unternehmen Back Market will in Deutschland in wenigen Jahren die Marke von einer Milliarde Außenumsatz knacken

Back Market Aufmacher
Inhalt
  1. Marktplatz für Werkstätten
  2. Warum nicht einfach bei Amazon, Ebay & Co. kaufen?
  3. Bei der Suche nach iPhones ganz oben
  4. Das große Marketing-Orchester
  5. Mit gebrauchten Geräten im Preiskampf

Neues Smartphone gefällig? Der französische Marktplatz-Player Back Market setzt darauf, dass wir in Zukunft vor allem generalüberholte Gebrauchtgeräte kaufen – auch der Umwelt zuliebe. In Deutschland will das Unternehmen jetzt richtig durchstarten. Wir zeigen, wie Back Market vor allem durch SEO-Maßnahmen Traffic aufgebaut hat, wie das Marktplatzmodell Handelspartner überzeugen soll und wie Preisportale für Gebrauchtgeräte funktionieren.

2014 gründen Thibaud Hug de Larauze, Vianney Vaute und Quentin Le Brouster Back Market in Paris. Ihr Ziel: Einen nachhaltigen Marktplatz für gebrauchte, generalüberholte (refurbished) Elektronik bauen. Sieben Jahre und 176 Millionen US-Dollar an Investitionen später agiert das Unternehmen neben Frankreich auch in den USA, Spanien, Italien, Belgien, Niederlande, Finnland, Großbritannien, Österreich und Deutschland. Hier fällt die Firma vor allem mit starker SEO-Performance sowie TV- und Youtube-Spots auf. Martin Hügli, General Manager Deutschland von Back Market, hat Milliarden-Ziele für den Markt.

Back Market Webseite

Auf der Homepage von Back Market wird schnell klar, welche Produkte am besten laufen

Marktplatz für Werkstätten

Martin Hügli, Back Market

Martin Hügli, General Manager Deutschland bei Back Market

„Wir wollen der dominante Marktplatz für gebrauchte Elektronik in Deutschland werden“, so Hügli gegenüber OMR. „In Deutschland liegen wir bei etwa einem Sechstel des Frankreich-Geschäfts. Unser Ziel ist es, in den nächsten drei bis vier Jahren die Milliarde im Außenumsatz zu knacken.“ Kleine Erklärung: Außenumsatz bedeutet für einen Marktplatz wie Back Market, dass Milliarden über die Plattform abgewickelt werden – zwischen Händlern und Käufern. Seinen eigentlichen Umsatz generiert das Unternehmen mit Provisionen auf diese Verkäufe. „Wir veranschlagen pro Verkauf über unsere Plattform eine Provision von zehn Prozent. Das ist im Vergleich hoch, aber wir bieten Repair- und Fullfilment-Services für die Händler und starke Seller-Tools, damit sie effizient verkaufen können“, sagt der Deutschland-Chef von Back Market.

Gerade die angesprochenen Fullfilment-Services in die von Back Market bereits erschlossenen Märkte seien für die Verkaufspartner spannend. „Wir sind ein Marktplatz. Wenn wir einmal Händler haben, ist es nicht so schwer, das auch in einem anderen Markt live zu stellen“, so Hügli. Weltweit seien 1.500 Händler auf Back Market aktiv, 850 bis 900 von ihnen in Deutschland. Das Unternehmen spricht dabei auch immer wieder von „Werkstätten“. Viele der Partner kaufen die Geräte also selbstständig an, überholen sie und stellen sie dann auf dem Marktplatz zum Verkauf. 

Auf der Seite selbst wird anders als etwa bei Amazon nur ein Händler pro Gerät und Zustand angezeigt. Wer da an erster Stelle lande, bestimme Back Market anhand einer Kombination aus angegebenem Preis und bisheriger Service-Qualität des Partners. „Bei uns bekommen die Kunden das Angebot mit dem besten Qualitäts-Preisverhältnis angezeigt. Das motiviert auch die Händler, ganz genau auf ihre Qualität zu schauen“, sagt Martin Hügli.

Warum nicht einfach bei Amazon, Ebay & Co. kaufen?

Mit den großen Plattformen will Hügli Back Market aber nicht vergleichen: „Wir bezeichnen Marktplätze wie Amazon und Ebay nicht als Konkurrenten. Wir sind dabei, eine Kreislaufwirtschaft aufzubauen und den Kunden deutlich zu machen, dass es gar keinen Grund gibt, neu zu kaufen.“ Dafür baue das Unternehmen jetzt auch Dienstleistungen wie etwa ein Trade-In-Programm auf. Beim Kauf eines Smartphones auf Back Market können Kund:innen ihr altes Gerät einschicken und erhalten einen Rabatt. Das Altgerät geht dann über Back Market an einen von 20 bis 30 Händlern, mit denen das Unternehmen enger zusammenarbeitet. Hier wird es aufgefrischt und geht wieder auf die Plattform. Der Service soll bald auf weitere Gerätekategorien ausgeweitet werden.

Dass Back Market sein Trade-In-Programm mit Smartphones startet, ist kein Zufall: „Smartphones, Tablets und Laptops sind für uns die großen Treiber und werden es in den nächsten Jahren bleiben – angeführt von Apple-Produkten. Aber es gibt auch andere Tendenzen. Derzeit wächst die Nachfrage nach Thermomix zum Beispiel stark. Weitere Kategorien, die stark wachsen sind Kopfhörer, Monitore, Smart Watches, Staubsauger und E-Scooter“, so Hügli. Angetrieben werde das Geschäft aktuell vor allem von jungen Käufer:innen, die in Sachen Motivation zwischen Nachhaltigkeit und Preisersparnis pendeln. „Die jüngere Zielgruppe steht generalüberholten Produkten deutlich offener gegenüber. Bei den Älteren ist es deutliche schwerer, Hemmschwellen abzubauen. Unsere Kernzielgruppe liegt daher zwischen 25 und 35 Jahren“, so der Deutschland-Chef. „Das Bewusstsein für Refurbished ist noch nicht mainstream. Da haben wir noch eine Menge Aufbauarbeit zu leisten und müssen für Awareness auch noch mehr Ressourcen einsetzen.“

Bei der Suche nach iPhones ganz oben

Die aktuelle Finanzierungsrunde aus dem Mai 2020 über 120 Millionen US-Dollar liefert das nötige Budget für den Angriff auf Deutschland. Und der Kampf um die Kund:innen, die schon im Kopf haben, welches Smartphone-Modell sie wollen, beginnt bei Google. „Aktuell versuchen wir, viel Aufklärung mit Blog-Artikeln auf der Seite zu betreiben, die wir auch über Social pushen. Die helfen uns aber natürlich auch bei Search“, sagt Hügli. „Gerade im Bereich SEO geht es darum, Mehrwert zu schaffen. Buying-Guides und Vergleiche sind für uns die spannendsten Formate, die auf jeden Fall zum Erfolg beitragen.“ Im Content-Bereich von Back Market finden sich ausführliche Tests zu vielen auf dem Marktplatz erhältlichen Geräten. Die werden von einem eigenen Content-Team von Back Market geschrieben – natürlich gespickt mit Verweisen auf aktuelle Angebote.

Die Inhalte-Strategie scheint aufzugehen. Laut Analyse-Tool Sistrix rankt die deutsche Domain von Back Market für über 22.000 Keywords in den Top-10 der Google-Suche. Der Sichtbarkeitsindex steigt seit 2019 kontinuierlich stark an. Vor allem auf Keywords mit der Kombination aus Gerätename und „gebraucht“ wie „iphone 8 gebraucht“ oder „iphone x gebraucht“ rankt Back Market ganz oben. Auch bei generischeren Suchbegriffen wie „handy gebraucht kaufen“ erscheint Back Market im ersten Suchergebnis. Solche Keywords sind umkämpft und erzielen laut Sistrix durchgängig zwischen 5.000 und über 10.000 Suchabfragen pro Monat in Deutschland. Noch mehr Anfragen generieren nur die genauen Smartphone-Modelle wie „iphone x“, „iphone xs“ oder „iphone 8 plus“ (zum Teil 200.000 Suchanfragen im Monat). Auch hier ist Back Market jeweils unter den obersten vier Ergebnissen in der Google-Suche. 

Back Market Sichtbarkeitsindex

Der Sichtbarkeitsindex von Back Market Deutschland zeigt den Aufwärtstrend in Sachen SEO (Quelle: Sistrix)

Das große Marketing-Orchester

Auf den bezahlten Kanälen schaue das Unternehmen derzeit auch vor allem auf Zahlen. „Bei uns dominieren im Marketing die Performance-Kanäle. Auf Facebook und Youtube erreichen wir die Zielgruppe schon relativ gut – die Kanäle ziehe ich auch klassischem TV vor. Wir können einfach effektiver kommunizieren und haben im Retargeting Chancen“, sagt Martin Hügli. Wer einmal die Webseite von Back Market besucht hat, wird das bestätigen können. Vor allem auf Facebook und Instagram tauchen im Anschluss Retargeting-Ads des Unternehmens auf. In Deutschland laufen laut Facebook-Werbebibliothek derzeit 30 Anzeigen von Back Market. Viele zeigen junge hippe Menschen und daneben den günstigeren Preis eines gebrauchten iPhones oder MacBooks.

Weil aber wie angesprochen die Awareness für das Thema früher im Funnel noch fehlt, spielen auch Influencer mittlerweile eine wichtige Rolle für das Unternehmen. Wie das dann aussehen kann, zeigt zum Beispiel die Zusammenarbeit mit Youtuberin Rebecca Elizabeth, die vor allem Studierende in der Zielgruppe hat. In einem Video beantwortet sie die Frage, ob ein MacBook für das Studium wichtig ist – und empfiehlt Back Market als günstige Alternative. Der Clip kommt auf knapp 20.000 Aufrufe und sie verlängert die Zusammenarbeit auch auf ihren Instagram-Kanal mit knapp über 9.000 Followern. Das Beispiel zeigt, dass Back Market derzeit offenbar eher auf kleinere Influencer mit genau absteckbarer Zielgruppe setzt. Zuletzt hat das Unternehmen laut Martin Hügli Influencer Marketing zu sehr als Performance-Kanal gesehen und dementsprechend noch keine durchschlagenden Erfolge verzeichnet – also Abverkäufe nach einer Kampagne. 

Mit gebrauchten Geräten im Preiskampf

Insgesamt erkennt auch Martin Hügli das Problem, in der Kommunikation immer zwischen Nachhaltigkeit und Preis hin und her gerissen zu sein. „Aktuell agieren wir noch wie ein Orchester. Wir spielen unterschiedliche Messages auf vielen Kanälen. Jetzt müssen wir herausfinden, wie das optimal zusammenpasst“, sagt er. Was uns direkt zu Preisvergleichsseiten wie Idealo & Co. führt, die für Elektronik-Händler eine wichtige Rolle spielen. Auch hier zeigt sich die Kommunikationsproblematik für Back Market. „Für uns sind Preisportale wie Shopping24 und Idealo ein zweischneidiges Schwert“, so Martin Hügli. „Auf der einen Seite ist es wichtig, hier in den Rankings zu landen. Auf der anderen Seite kann die Optimierung von Preisen bei unseren Nachhaltigkeitszielen nicht im Mittelpunkt stehen. Denn der günstigste Preis kommt immer im Kompromiss mit Qualität. Das ist wenig nachhaltig und für uns daher nicht oberstes Ziel. Am Ende geht es um ein optimales Preis-Leistungsverhältnis.“ 

Und hier bestehe noch eine große Herausforderung für Back Market. Der Marktplatz kann seine Preise schließlich nicht selbst machen. Die bestimmen die Händler. Und das führt zum Teil dazu, dass ein vor wenigen Minuten noch niedriger Preis nach einem Verkauf in die Höhe schnellt, weil der nächste Partner ihn anders angesetzt hat. „Wir haben aktuell noch eine hohe Fluktuation der Preise auf der Plattform. Wir brauchen noch mehr Anbieter, die hohe Qualität zu einem guten Preis anbieten, damit wir das verbessern können, ohne in den Wettbewerb einzugreifen“, sagt der Deutschland-Chef dazu. „In naher Zukunft fokussieren wir uns auch darauf, das Angebot zu diversifizieren. Also noch mehr Angebot abseits von Smartphones, Tablets und Notebooks.“ 

Ein Mittel, beides zu erreichen, also Preisstabilität und größeres Angebot, könnte die direkte Zusammenarbeit mit den Herstellern sein. „Unser Ziel ist es, stärker mit Brands direkt zusammenzuarbeiten und sie zu überzeugen, bei Back Market einen Refurbished-Kanal zu starten“, so Hügli. Vielleicht verkauft also Bosch demnächst gebrauchte Bohrmaschinen bei Back Market. Das französische Unternehmen muss übrigens sowieso Gas geben. Mit Refurbed steht ein Wiener Konkurrent in den Startlöchern, der das gleiche Modell fährt und 2020 eine Investitionsrunde in Höhe von 16 Millionen Euro verkündet hat.

AmazonE-CommerceMarktplatz
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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