Affiliate-Links direkt auf Amazon posten: Amazon verleibt sich Testportal-Inhalte ein

Das Onsite Partnerprogramm ist in Deutschland gestartet

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(Illustration: Virgina Miersch | OMR)
Inhalt
  1. Amazon selbst hält sich bedeckt
  2. Bloß keine Nutzer zu Google abspringen lassen
  3. Die Publisher müssen keinen Traffic selbst generieren
  4. Die Provisionsrate ist Onsite niedriger als „Offsite“
  5. Bis zu sechsstellige Umsätze im Monat?
  6. Bei Google ist der Partner-Content aktuell nicht auffindbar
  7. Können die Publisher entscheiden, ob sie sich indexieren lassen?
  8. Amazon gibt kaum Daten an die Publisher weiter…
  9. …generiert dafür aber selbst zusätzliche Daten
  10. Mindestens zwei große deutsche Player sind zum Start mit dabei
  11. Stiftung Warentest ist nicht mit an Bord
  12. Nicht das erste Experiment Amazons mit Partnerinhalten
  13. Amazon verkauft Plätze auf selbst produzierten Empfehlungslisten

Als Testportal- oder Produktvergleichsbetreiber direkt Empfehlungslisten auf Amazons Plattform veröffentlichen und Provisionen kassieren, wenn Leser einen der darin verlinkten Artikel kaufen: Das ist mit dem im September in Deutschland gestarteten Onsite Partnerprogramm von Amazon möglich. OMR erklärt das Programm und seine Konditionen, hat mit deutschen Teilnehmern gesprochen und versucht herauszufinden, wie viel Geld sich damit verdienen lässt.

Wer aktuell auf Amazon.de nach generischen Begriffen wie „auto staubsauger“, „luftentfeuchter“ oder „tablet“ sucht, stößt möglicherweise auf ein neues Feature des E-Commerce-Giganten: redaktionelle Inhalte, die von Dritten auf Amazon eingespeist werden, und zwar Testberichte und Produktvergleiche. Deren Einbindung erfolgt immer nach demselben Muster: Den Nutzern wird auf der Suchergebnisseite eine Box eingeblendet, die mit „Empfehlungen unserer Verlagspartner“ und einem Titel wie „Die besten (jeweilige Produktkategorie)“ versehen ist.

So bindet Amazon redaktionelle Inhalte von Teilnehmern am Onsite Partnerprogramm ein (Screenshot, zur Hervorhebung bearbeitet)

Amazon selbst hält sich bedeckt

Die Boxen enthalten jeweils Informationen darüber, von welchem Publisher die Inhalte stammen, einen Vorschautext auf einen längeren, verlinkten Artikel sowie (je nach Bildschirm- und Browser-Fenstergröße) zwei bis vier Produktdarstellungen, nach Plätzen sortiert und mit Affiliate Links versehen. Klickt man auf „Vollständigen Artikel lesen“ erwartet einen dort ein deutlich längerer Text, über „Die besten Akku-Handstaubsauger im Praxistest“, „Die besten Luftentfeuchter“ oder „Die besten Tablets“. Dieser umfasst in der Regel ein Aufmacherbild, einen längeren Vorspann, eine Liste von bis zu sechs nach Plätzen sortierten Produktempfehlungen sowie Hintergrundinfos über die relevanten Qualitätsfaktoren in der jeweiligen Produktkategorie.

Der erste Platz des Luftbefeuchter-Vergleichs von Testberichte.de auf Amazon (Screenshot)

Über diese Inhalte selbst lassen sich auf Amazons Website zum Onsite Partnerprogramm nicht allzu viele Informationen finden. Ein Link in den Boxen führt jeweils zu einer Seite mit einigen mageren Angaben zum Programm. „Die (sic!) Onsite-Partnerprogramm ist eine Erweiterung des Amazon Associates (Affiliate) Programms, das produktbezogene Inhalte von Drittanbietern auf Amazon bringt, um Kunden bei der Suche nach Produkten zu helfen, an denen sie interessiert sind“, heißt es dort in dem offenbar automatisiert (und äußerst rumpelig) übersetzten Text.

Bloß keine Nutzer zu Google abspringen lassen

Ein Amazon-Sprecher erklärt auf Anfrage von OMR lediglich: „Wir führen aktuell mit diversen Publishern auf Einladungsbasis einen Test des Onsite Partnerprogramms durch.“ Wann das Programm in Deutschland offiziell ausgerollt wird, stehe derzeit noch nicht fest.

Es ist keine allzu gewagte These, dass Amazon mit der Einbindung redaktioneller Inhalte Dritter versuchen will, die Nutzer enger an die eigene Plattform zu binden. Zwar soll Amazon bereits heute – wohl auch wegen der vielen Kundenrezensionen – Startpunkt von fast der Hälfte der Produktrecherchen sein. Doch wenn die Nutzer auf der Suche nach Nutzererfahrungen oder Expertenmeinungen über Google nach Testberichten suchen, läuft Amazon Gefahr den Kunden an andere Shops zu verlieren – sei es über Googles Shopping Ads, organische Suchergebnisse oder über Werbung auf den Testportalen. Solche Nutzer vom Absprung von der Seite abzuhalten, dürfte das primäre Ziel des Onsite Partnerprogramms sein.

Die Publisher müssen keinen Traffic selbst generieren

In den USA ist das Programm offenbar schon im Jahr 2017 gestartet, wie auf dem LinkedIn-Profil der für das Produkt verantwortlichen Managerin Jessica Jenks zu lesen ist. Im Februar 2018 berichtete der US-Branchenblog Digiday als erstes Medium über das Onsite Partnerprogramm. Ende Oktober dieses Jahres berichtete Digiday, dass das Programm in Europa gestartet sei. Ein Fingerzeig dafür, dass das Programm noch ausgebaut werden soll, ist der Umstand, dass auf Amazons Job-Portal aktuell fünf Stellen ausgeschrieben sind, die im Zusammenhang mit dem Onsite Partnerprogramm stehen.

Aus Sicht der Publisher-Partner stellt das neue Programm im Grunde einfach eine Onsite-Variante des regulären „Offsite“ Partnerprogramms von Amazon dar. Der größte Unterschied: Während die Publisher beim althergebrachten Partnerprogramm mühsam selbst Leser und potenzielle Käufer (in der Regel über Google) akquirieren müssen, sind diese beim Onsite Partnerprogramm schon vorhanden.

Die Provisionsrate ist Onsite niedriger als „Offsite“

Wie beim regulären Partnerprogramm erhalten auch Onsite Partner eine Provision, wenn nach einem Klick auf ihre Inhalte ein Verkauf erfolgt. Wie Gespräche von OMR mit mehreren Publishern ergeben haben und auch einige Medien berichten, ist dies die einzige Form der Vergütung. Eine Pauschalgebühr für das Zurverfügungstellen ihrer Inhalte erhalten die Publisher nicht.

„Die Provisionshöhe beim Onsite Partnerprogramm ist niedriger als beim regulären Partnerprogramm von Amazon“, so ein Publisher, der aktuell überlegt, sich dem Onsite Partnerprogramm anzuschließen, aber nicht namentlich zitiert werden möchte, im Gespräch mit OMR. „Das ist aber auch verständlich, weil die Publisher beim Onsite Partnerprogramm ja nicht mühsam selbst Traffic akquirieren müssen, sondern der Traffic schon da ist.“

Bis zu sechsstellige Umsätze im Monat?

Im August 2019 berichtete Digiday, dass die monatlichen Umsätze von US-Publishern, die am Onsite Partnerprogramm teilnehmen, niedrig vierstellige bis sechsstellige US-Dollar-Summen betragen. Wie Amazon-Managerin Jessica Jenks auf ihrem LinkedIn-Profil schreibt, generierte das Programm für Amazon angeblich Hunderte Millionen zusätzlicher Sales für Amazon.

Für Betreiber von Test- und Produktvergleichsseiten kann Amazon durch das Onsite Partnerprogramm eine potenzielle neue Traffic-Quelle sein, bei der die Monetarisierung gleich mitgeliefert wird. „Für uns ist das ein Channel, mit dem wir uns möglicherweise von Google unabhängiger machen können“, so der bereits zitierte Publisher. „Viele Produktsuchen finden ja schon auf Amazon und gar nicht mehr auf Google statt. Außerdem kann man dort mit Tests in Produktbereiche rein, bei denen es über Google nie Sinn machen würde. Auf Google würde beispielsweise kaum jemand ‚essigreiniger test‘ eingeben. Aber ein Essigreiniger-Test auf Amazon könnte schon funktionieren.“

Bei Google ist der Partner-Content aktuell nicht auffindbar

Denkbar wäre es zudem, dass die Publisher mit den Inhalten, die sie auf Amazon einspeisen, bei Google weiter oben auftauchen als mit denselben Inhalten auf ihrer eigenen Website. Weil Google Amazons Websites eine enorm hohe „Domain Authority“ beimisst, wäre es zumindest vorstellbar, dass die Inhalte besser ranken – lässt man das Problem des „Duplicate Content“ außer acht, wegen dem Publisher mit ein und denselben Inhalten entsprechend Googles Richtlinien nicht mehrfach in den Suchergebnissen auftauchen dürfen.

Doch bisher sind sowohl in Deutschland als auch in den USA keine der auf Amazon eingespeisten Partnerartikel über Google auffindbar. Durchsucht man mittels der Suchmaschine die Folder Amazon.de/ospublishing und Amazon.com/ospublishing, in denen diese auf Amazon gehostet sind, stößt man in beiden Fällen jeweils nur die Beschreibung des Onsite Partnerprogramms als einziges Google-Suchergebnis.

Können die Publisher entscheiden, ob sie sich indexieren lassen?

Wie Online-Marketing-Macher Carsten Hinrichs in einem Artikel auf seinem Blog „Edelnerd“ schreibt und auch ein weiterer Teilnehmer an Amazons Onsite Partnerprogramm gegenüber OMR bestätigte, können die Publishing-Partner selbst entscheiden, ob sie ihre auf Amazon eingestellten Inhalte für Google auffindbar machen wollen oder nicht (mittels „noindex“). Hinrichs ist Online-Marketing- und SEO-Berater, wie seinem Facebook-Profil zu entnehmen ist scheinbar im engen Austausch mit Amazon und betreibt offenbar auch selbst redaktionelle Websites.

Augenscheinlich testet auch er aktuell die Teilnahme an Amazons Onsite Partnerprogramm. Gegenüber OMR wollte Hinrichs jedoch keine weiteren Auskünfte zu dem Programm erteilen. In seinem Blog-Artikel zeigt er u.a. einen verpixelten Screenshot des Onsite-Partner-Backends, beschreibt die grundsätzliche Funktionsweise des Onsite Partnerprogramms und bringt auch mögliche Kritikpunkte daran an.

Amazon gibt kaum Daten an die Publisher weiter…

Wie ein anderer, anonymer Publisher gegenüber OMR erklärt, befürchten manche Testportalbetreiber wohl, neben Google auch noch in eine zusätzliche Abhängigkeit gegenüber Amazon zu geraten. „Man hat dann die Leute natürlich nicht mehr auf der eigenen Seite.“

Carsten Hinrichs schreibt, dass Amazon an die Onsite-Publishing-Partner nur sehr spärliche Informationen weitergibt. So könnten die Publisher beispielsweise weder Aufenthaltszeiten noch Abrufzahlen der eingereichten Inhalte nachvollziehen, so Hinrichs. „Es werden lediglich die Klicks auf Produkte innerhalb des Publisher-Contents ausgewertet und nach einem qualifizierten Verkauf vergütet.“

…generiert dafür aber selbst zusätzliche Daten

Hinrichs schreibt, dass die Publisher von Amazon auch keinerlei Erkenntnisse darüber erhielten, zu welchen Suchbegriffen die eigenen Inhalte ausgespielt worden seien. Eine Stellenbeschreibung für einen „Software Development Engineer“ für das Onsite Partnerprogramm, die Amazon aktuell auf dem unternehmenseigenen Job-Portal ausgeschrieben hat, deutet darauf hin, dass der Content der Publisher auf Basis eines selbst lernenden Algorithmus automatisiert ausgewählt wird. Mittels Machine Learning sollten die relevantesten Inhalte mit den besten Platzierungen verknüpft werden, heißt es in der Job-Beschreibung.

Neben den dadurch entstehenden Unwägbarkeiten besteht für Publisher möglicherweise das Risiko, mit ihrer Teilnahme am Onsite Partnerprogramm mittel- bis langfristig einen potenziellen kaum besiegbaren Konkurrenten heranzuzüchten, der irgendwann alle entsprechenden Inhaltes wieder selbst bereitstellt: „Amazon schafft sich durch dieses Programm eine weitere große Datenbasis und kann sich unter Umständen selbst darauf spezialisieren Inhalte anzufertigen, die besonders gut zum Kaufabschluss führen“, schreibt Carsten Hinrichs.

Mindestens zwei große deutsche Player sind zum Start mit dabei

Diese Risiken haben diverse große Vergleichsportale nicht davon abgehalten, eine Teilnahme am Onsite Partnerprogramm zumindest zeitweise zu testen. Wie Testsuchen von OMR auf Amazon.de zeigen, gehören zu den ersten deutschen Teilnehmern des Onsite Partnerprogramms die Vergleichsportale Vergleich.org und Testberichte.de. Die Berliner VGL Verlagsgesellschaft, Betreiberin von Vergleich.org, hat auf Anfrage von OMR nicht reagiert.

Inhalte von Vergleich.org auf Amazon.de (Screenshot)

Ein Sprecher der Producto AG, Betreiberin von Testberichte.de, bestätigte gegenüber OMR die Teilnahme am Onsite Partnerprogramm. Mit nach eigenen Angaben aktuell 70 Mitarbeitern und einem Umsatz von 4,6 Millionen Euro (so die jüngste im Bundesanzeiger verfügbare Bilanz aus dem Jahr 2017) dürfte die Seite zu den größten Test-Aggregatoren und Vergleichsportalen in Deutschland gehören.

Stiftung Warentest ist nicht mit an Bord

Testberichte.de bündelt Zusammenfassungen von Testergebnissen aus 750 Quellen mit technischen Produktdaten. „Diese Informationen können für Konsumenten bei Vorab-Produktrecherchen genauso hilfreich sein wie unmittelbar im Kaufprozess – also auch direkt im Online-Shop“, so der Unternehmenssprecher zum Grund für die Teilnahme am Onsite Partnerprogramm. Ob Testberichte.de langfristig mit dabei sein wird, steht offenbar noch nicht fest: „Derzeit evaluieren wir, ob wir mittels Amazons Onsite-Partnerprogramms einen weiteren Beitrag zu kompetenten Kaufentscheidungen der Verbraucher leisten können.“

Nicht mit bei Amazons Onsite Partnerprogramm mit dabei ist die wohl bekannteste Test-Medienmarke Deutschlands: Stiftung Warentest. Anders als bei anderen Test- und Vergleichsportale sind die Testergebnisse der Stiftung Warentest im Netz größtenteils nur gegen Bezahlung abrufbar.

Nicht das erste Experiment Amazons mit Partnerinhalten

Eine Sprecherin von Stiftung Warentest erklärte auf Anfrage von OMR: „Wir haben uns gegen das Onsite-Programm entschieden, weil mit der Verlinkung von gut getesteten Produkten auf Amazon eine Provision verbunden ist. Der Markenkern der Stiftung Warentest ist aber die völlige Unabhängigkeit von Herstellern und Händlern. Wir denken, dass unsere Glaubwürdigkeit Schaden nehmen könnte, wenn wir mit der Verlinkung Geld einnehmen würden.“

Das Onsite Partnerprogramm stellt nicht das erste Mal dar, dass Amazon Inhalte von externen Publishern auf der eigenen Plattform einbindet. Wie Digiday schreibt, hätten 2015 in den USA mehrere Publishing-Partner im Weihnachtsgeschäft für Amazon Geschenketipplisten produziert. 2017 veröffentlichte darüber hinaus O, das Magazin von Oprah Winfrey, auf Amazon.com eine Liste mit Kosmetikprodukten, die der TV-Star empfiehlt.

Amazon verkauft Plätze auf selbst produzierten Empfehlungslisten

Mittlerweile scheint Amazon viele dieser Listen selbst zu produzieren und die Plätze darauf für erkleckliche Summen zu verkaufen. Das zumindest berichtete Bloomberg im Oktober 2019. Für einen Platz auf dem jährlichen „Holiday Toy Guide“ würden Spielzeughersteller beispielsweise bis zu zwei Millionen US-Dollar bezahlen, so der Bericht.

Das Medium berief sich dabei auf interne Amazon-Dokumente, die den Bloomberg-Reportern vorlägen. Solche Listen seien ein schnell wachsender Teil von Amazons Werbegeschäft. Schon 2017 soll Amazon mit dem Verkauf von Plätzen auf Produktempfehlungslisten insgesamt 120 Millionen US-Dollar umgesetzt haben.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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