„100% Facebook gilt für uns nicht mehr“ – Das große Facelift-Interview
- Online Marketing Rockstars im Gespräch mit Benjamin Schroeter und Teja Töpfer
- Über Benjamin Schroeter & Teja Töpfer
Online Marketing Rockstars im Gespräch mit Benjamin Schroeter und Teja Töpfer
Es war eines der größten Fundings, das der Internet-Standort Hamburg bis dahin gesehen hatte: 15 Millionen Euro hat das Unternehmen Facelift, bislang Anbieter eines Facebook-Marketing-Tools, im Februar 2014 eingesammelt. Heute, ein Jahr später, haben wir uns mit den beiden Gründern Benjamin Schroeter (CEO) und Teja Töpfer (COO) getroffen, und mit ihnen darüber gesprochen, was seitdem geschehen ist, wie Facelift mit dem Druck im Markt umgeht und warum Prognosen über Teenie-Abwanderungen bei Facebook unsinnig sind.15 Millionen Euro – wofür habt ihr das Funding verwendet, was ist seitdem passiert? Schroeter: Wir haben vor allen Dingen unsere Mitarbeiterzahl erhöht. Vor dem Funding hatten wir rund 50 Mitarbeiter, jetzt rund 150. Wir haben aber keine neuen Abteilungen aufgemacht, sondern sind eher nach der Devise „mehr vom Gleichen“ vorgegangen. Wir haben unser Vertriebs- und unser Support-Team aufgestockt und in unseren Auslandsbüros größere Teams aufgebaut, vor allem in Paris und Dubai. Sehr wichtig war uns ganz besonders der Ausbau unseres Entwickler-Teams, weil wir mit diesem Schritt unser Produkt auf ein neues Level heben konnten. Vorher haben wir eine All-in-one-Lösung ausschließlich für Facebook angeboten; im vergangenen Jahr haben wir unsere Plattform beispielsweise um YouTube, Twitter, Instagram und Pinterest erweitert; Xing und LinkedIn sehen wir uns gerade intensiv an. Schon jetzt haben wir also mit der Facelift Cloud eine Multi-Social-All-in-one-Lösung, die wir konsequent weiter ausbauen.
Auf eurem Eingangsschild hier steht noch „100% Facebook“ – dieses Motto gilt so für Euch also nicht mehr? Schroeter: Schilder sind manchmal langsamer als Firmen (schmunzelt). Mittlerweile müsste es „100% Facebook & Social Technologies“ heißen.
Was ist denn der Grund für diesen Sinneswandel?Schroeter: Wir haben festgestellt, dass sich Unternehmen in Social Media mit einer Mono-Strategie, also Facebook-only, unwohl fühlen. Bei vielen spielt Facebook zwar die zentrale Rolle, sie wollen aber aus den unterschiedlichsten Gründen auch andere Plattformen bespielen und mit diesen experimentieren. Wir haben oft gehört: „Eure Facebook-Lösung finden wir super, aber wenn ihr die anderen zehn Prozent unserer Social-Kommunikation auch noch abbilden könntet, wäre sie perfekt.“ Dieser Nachfrage haben wir Rechnung getragen.Hat die Erweiterung um Plattformen außerhalb von Facebook auch damit zu tun, dass das Geschäft mit Facebook-Tools unter Druck steht? Aus dem Markt ist zu hören, dass die Dienstleister Probleme haben sollen, mit dem hohen Veränderungstempo von Facebook Schritt zu halten. Außerdem kämen immer wieder neue Anbieter nach, die die bestehenden Marktteilnehmer herausfordern. Schroeter: Dieser Druck ist da, insbesondere auch weil wir ihn erzeugen, beispielsweise mit sportlichen Preismodellen. Das, was die Branche der Social-Media-Technologie derzeit erlebt, ist eine typische Entwicklung, wie es sie schon in vielen anderen Industrien gab: Die frühe Glücksritterphase mit sehr vielen Playern ist gerade vorbei, jetzt trennt sich der Markt. Einige Anbieter sterben weg, andere setzen sich oben im Midmarket– bis Enterprise Segment ab – dazu würde ich uns zählen. Und dann gibt es noch Anbieter, die sich auf eine bestimmte Nische spezialisieren. Die große Frage wird sein, wie am Ende das Pendel ausschlägt zwischen der Hardcore-Spezial-Lösung für jede Plattform und dem „Full-Tech-Stack“, der nicht nur Social Media, sondern alle digitalen Marketing-Kanäle abdeckt. Wir glauben, mit der Facelift Cloud hier eine sehr gute Balance zu haben. Wir kommen den Unternehmen zum einen mit unserer All-in-one-Social-Lösung in ihrer Organisationslogik entgegen, zum anderen mit unserer Unternehmensgröße ihrem Bedürfnis nach einer gewissen Sicherheit.
Die organische Reichweite sinkt stetig – für Facebook-Tool-Anbieter dürfte damit das normale Content Management unwichtiger und das Werbegeschäft wichtiger werden. Bei zweiterem aber sind die Margen niedriger. Entspricht das eurer Erfahrung? Schroeter: Naja – der Druck auf reine Advertising-Lösung ist da, das stimmt. Aber eine deutliche Trennlinie zu ziehen zwischen dem klassischem Content und Community Management auf der einen Seite und dem Advertising auf der anderen Seite, das halte ich für komplett falsch. Bei Social Media Advertising ist ja gerade die Besonderheit, dass die Werbung in den sozialen Kontext eingebettet ist und auch Kommentare und Interaktionen provozieren kann. Die lupenreine Trennung von Banner hier und Interaktion da gibt es dort gar nicht mehr. Deswegen macht eine All-in-one-Lösung wie unsere auch Sinn, weil in Zukunft alles eins sein wird. Töpfer: Es stimmt aber, dass Werbung für Unternehmen in Social Media künftig der Schlüssel zum Erfolg sein wird – anders wird man nicht mehr an die nötigen Reichweiten herankommen. Deswegen verwenden wir viele Ressourcen darauf, sicherzustellen, dass die Unternehmen mit unserer Lösung erfolgreich und effizient bei Facebook werben können. Bald kommt zudem die Möglichkeit, über unsere Plattform Werbung bei Twitter zu buchen, hinzu.
Advertising war am Anfang auf eurer Agenda doch noch nicht so weit oben?Töpfer: Gelegentlich werden wir darauf reduziert, dass wir eine Art Profibaukasten für Facebook Apps anbieten. Das ist schon lange nicht mehr so. Analog zu Social Media haben auch wir uns massiv im Produkt weiterentwickelt. Beispielsweise werden unsere Kunden in 2015 über unser Facebook-Advertising-Tool unter anderem Werbekampagnen im signifikanten zweistelligen Millionenbereich einbuchen. Damit sind wir im deutschen Bereich einer der relevantesten Social-Advertising-Player.War die Erweiterung eures Angebots um andere Social-Media-Plattformen auch von den Berichten motiviert, dass Teenager angeblich Facebook immer weniger nutzen und das Netzwerk möglicherweise an Relevanz verliert? Schroeter: Nicht wirklich. Solche Prognosen unterschätzen die Stärke, Innovationskraft und das Level von Facebook. Bei einer Company, die 200 Milliarden US-Dollar wert ist und über 1,3 Milliarden aktive Nutzer verfügt, rüttelt es nicht an der Relevanz oder am Geschäftsmodell, wenn sie an den Rändern ein paar Teenies verliert. Außerdem wächst Facebook ja in Summe noch. Falls es da wirklich am unteren Ende des Altersspektrums bröckeln sollte, wird das kompensiert durch das Wachstum am oberen Ende. Und zu guter Letzt verfügt Facebook als Unternehmen ja nicht mehr nur über eine Plattform, sondern fängt mit Instagram und WhatsApp auch neues Nutzerverhalten auf. Töpfer: Und das sind ja nicht die einzigen Plattformen, die zuletzt im Social-Media-Bereich dazu gekommen sind. Ich glaube nicht, dass Social Media wieder verschwinden wird. Vielleicht wird es sehr langfristig mal Marktverschiebungen geben, und Facebook eventuell irgendwann nicht mehr im gleichen Maße dominieren wie heute, aber dann wird es andere Kanäle geben, die an diese Stelle treten. Aus heutiger Sicht ist aber klar, dass Facebook über seine Vielzahl an Produkten (Facebook, Instagram, Whatsapp etc.) in den nächsten Jahren der mit Abstand dominierende Social-Media-Konzern sein wird.
Gab es vor eurer Gründung ein Aha-Erlebnis, durch das ihr gemerkt habt „Okay, Facebook, Social Media, das ist wohl doch eine Riesensache“? Schroeter: Ja. Das Produkt Facelift existierte am Anfang nur auf dem Papier. Wir sind dann losgezogen, um Gründungskunden zu finden. Als wir den ersten Kunden dann sagten „Wir wollen Tools für Facebook“ machen, wollten die das Produkt gleich kaufen, um so seine Erstellung überhaupt erst möglich zu machen. Das war für uns wie eine Art Live-Kickstarter-Kampagne; die ersten Kunden haben also die erste Produktversion finanziert. Töpfer: Wir hatten vorher ein Unternehmen, mit dem wir mittels SMS-Codes On- und Offline verbinden wollten. In dieser Zeit mussten wir feststellen, dass die Entscheidungswege und die Innovationsfreudigkeit in der Verlagsbranche durchaus anders sind, als man es von außen erwartet. Als wir dann mit Facelift zwei Wochen nach dem ersten Gespräch mit einem deutschen Print-Verlag einen unterschriebenen Vertrag auf dem Tisch liegen hatten, war uns klar: „Okay, die zögerlichsten Kunden haben wir schon überzeugt, jetzt können wir ein substanzielles Business draus machen!“
Wie glaubt ihr, wird sich der Markt in diesem Jahr entwickeln? Schroeter: Unsere zentrale Hypothese ist: Wir stehen erst am Anfang. Social Media wird noch viel zentraler und größer werden, als es jetzt schon ist. Es wird den Charakter verändern, aber in fünf Jahren wird es so selbstverständlich sein, wie heute E-Commerce ist. Was viele als generelle Marktentwicklung unterschätzen: Social Media (und Facebook im Besonderen) verzahnt sich immer mehr mit dem „klassischem Internet“ und wird zur Infrastruktur für „People based Marketing“. Langfristig geht es um den Ersatz von Cookies durch Profildaten, um so ein supereffizientes und hochwirksames Marketing zu ermöglichen. Das passiert dann nicht nur auf Facebook, Twitter & Co. sondern auch z.B. auf „klassischen“ Webseiten, Mobile-Apps und im IP-TV. Derzeit passiert eine vergleichsweise leise, aber sehr schnelle Revolution des digitalen Advertising. In 2015 wird der Markt weiter schnell wachsen, gleichzeitig wird eine Konsolidierung auf Anbieterseite einsetzen, bei der 50 Prozent aller europäischen Player unter 50 Mitarbeitern verschwinden werden. Auch Tool-Anbieter aus den USA werden es weiterhin sehr schwer in Deutschland und anderen europäischen Ländern haben. Das Kernproblem: Die Lösungen sind oft veraltet, es gibt keinen deutschen Support und die Kundendaten liegen in den USA. Gerade der letzte Aspekt ist besonders für deutsche Unternehmen ein tiefrotes Tuch.
In der Branche wird ja viel darüber spekuliert, wie sich der Bereich Messenger entwickelt – überlegt ihr beispielsweise auch, WhatsApp in eure Lösung zu integrieren? Töpfer: Mit dem Gedanken tragen wir uns schon. Aber wir können ja nur etwas entwickeln, wo es eine technische Schnittstelle gibt. Bei WhatsApp gibt es da bislang nur den Share-Button. Den können unsere Kunden auch auf ihren Mobile-Landing-Pages einbinden. Das funktioniert, aber mehr geht noch nicht. So bald WhatsApp es aber Unternehmen ermöglicht, über ihre Plattform mit deren Kunden zu kommunizieren – sei es in organischer Form, sei es in Form bezahlter Werbung -, werden wir die ersten sein, die das anbieten.
Über Benjamin Schroeter & Teja Töpfer
Benjamin Schroeter (passionierter Angler) und Teja Töpfer (ehemaliger Weltmeister im Rudern) kennen sich aus der Zeit ihre BWL-Studiums in Hamburg. Ihre Kommilitonen beschwerten sich schon damals darüber, wie schnell die beiden bei den gemeinsamen Mensa-Besuchen im blinden Verständnis die Themen wechselten. Heute sagen beide: „Wir sind wie ein altes Ehepaar.“ Nach dem Unternehmen Xnip gründeten Schroeter und Töpfer im Februar 2011 Facelift – erst einmal eigenfinanziert. Später nahmen sie Arist von Harpe als dritten Geschäftsführer ins Unternehmen auf. Im Februar 2014 sammelte Facelift 15 Millionen Euro von einem arabischen Investor ein, einem namentlich nicht genannten Family Office.
Teja Töpfer wird am 27. Februar auf der Online Marketing Rockstars Konferenz über das Thema „Tomorrows marketing world today“ sprechen. Tickets gibt es hier.