Social Media statt TV: So hat sich Cartoonist Ralph Ruthe eine Millionen-Reichweite aufgebaut
Der Kult-Zeichner über seine Content-Strategie, eigene Apps, Live-Shows und Merchandise
- Veröffentlichungen nach Bauchgefühl und erste Live-Shows
- Ralph Ruthe: Social-Media-One-Man-Show
- Deal mit Mitsubishi und Erfahrungen mit Vermarktern
- Eigene Emoji-App in den Charts
Eigentlich sollte vor über zehn Jahren aus seinen schon damals bekannten Cartoon-Figuren eine TV-Serie produziert werden. Als das aber nicht klappt, sucht sich Ralph Ruthe einen Animations-Experten – und veröffentlicht seitdem vor allem auf Youtube regelmäßig neue Videos, die Millionen-Reichweiten erzielen. Bis heute wurden seine Clips über 211 Millionen Mal angeschaut, er verkauft Bücher, Merchandise sowie eine App und geht seit Jahren mit einem Comedy-Programm auf Tour. Im Gespräch mit OMR hat der „Witzbildmaler“ erklärt, wie wichtig Social Media für ihn ist.
„Ich habe zwar schon vorher Myspace sehr halbherzig betrieben, Youtube war 2006 dann aber die erste Plattform, die ich richtig genutzt habe“, erzählt Ralph Ruthe. Der Hauptantrieb, im Internet animierte Videos seiner Cartoons zu veröffentlichen, sei ein ziemlich frustrierendes Erlebnis mit einer Fernseh-Produktionsfirma gewesen. „Bei der geplanten TV-Serie ist nichts so geworden, wie ich mir das vorgestellt habe. Dann habe ich mir gedacht, das selber zu probieren und mir jemanden gesucht, der animieren kann. Seitdem mache ich alle Bewegtbild-Sachen, die es im Netz gibt, mit Falk Hühne.“
Eine richtige Strategie verfolgt Ruthe mit dem Youtube-Kanal zu diesem Zeitpunkt nicht, er hat vor allem ein Ziel vor Augen: „Ich wollte einfach nur Filme machen und mir damit irgendwie ein Publikum erarbeiten. Das hat mich erst einmal viel Geld gekostet und bis heute auch viel Arbeit. Und ob sich das irgendwann finanziell rechnen wird, wusste ich nicht.“ Trotzdem habe sich der Schritt ab dem ersten Tag für ihn gelohnt. „Zu sehen, dass Menschen deine Animationen wahrnehmen, hat extrem viel Spaß gemacht“, so Ralph Ruthe.
Veröffentlichungen nach Bauchgefühl und erste Live-Shows
Dass der Cartoonist ohne einen wirtschaftlichen Plan anfangen konnte, Videos zu produzieren, lag vor allem an seiner guten Ausgangslage. „Ich konnte damals schon von meiner Arbeit leben. Die Bücher haben sich gut verkauft und ich war zu dem Zeitpunkt mit meinen Cartoons noch in relativ vielen Tageszeitungen“, so Ralph Ruthe. „Dann habe ich mir einfach den Luxus gegönnt, das Geld in die Videoproduktion zu stecken.“
Bei den Veröffentlichungen der Videos verlasse er sich bis heute vor allem auf Bauchgefühl und Intuition: „Ich weiß zwar, dass regelmäßige Videos in einem gleichmäßigen Rhythmus empfohlen werden, meistens läuft es aber nach dem Prinzip: Wenn es fertig ist, ist es fertig.“ Die Rechnung ist aus heutiger Perspektive komplett aufgegangen, auch wenn sich Ruthe nie als Youtuber gesehen hat. Sein Kanal zählt knapp 686.000 Abonnenten und kann über 211 Millionen Views vorweisen. Die offizielle Facebook-Seite hat 1,3 Millionen Fans, bei Instagram folgen ihm 359.000 User, auf Twitter immerhin 327.000.
Sein erfolgreichstes Format dürfte die Reihe „Werbeparodien“ sein, in der Ralph Ruthe Fernseh-Werbespots von 1&1 über Kinderschokolade bis zu Edekas „Heimkommen“ in Cartoon-Form auf den Arm nimmt. Die reichweitenstärksten Clips der beliebten Reihe kommen auf fast sieben Millionen Views.
Ralph Ruthe: Social-Media-One-Man-Show
Bis heute bespielt und betreut Ralph Ruthe seine Social-Media-Profile komplett alleine. Und auch die Videos selber stammen – mit Ausnahme der Animationen von Falk Hühne – aus seiner Feder. Er entwickelt die Ideen, zeichnet, spricht alle Stimmen und produziert sogar die Musik.
Finanziell hat sich der Youtube-Kanal zwar nicht von Anfang an rentiert, zeitweise haben die Einnahmen durch Display-Ads die Kosten für die Contentproduktion aber wieder eingespielt. „2010 habe ich mit der Vermarktung des Kanals angefangen und relativ fix stiegen die Einnahmen in den dreistelligen Bereich pro Monat. Irgendwann wurde das sogar vierstellig“, so Ralph Ruthe. „Inzwischen hat sich das sehr verändert und es ist immer schwieriger geworden, Inhalte auf Youtube zu monetarisieren.“
Dafür hatte die Millionen-Reichweite über die Jahre einen enormen und unstrittigen Einfluss auf seine Bekanntheit und Wahrnehmung als Personal Brand. Sie hat nicht nur dafür gesorgt, dass Ralph Ruthe durch mehrere TV-Auftritte unter anderem bei TV Total einem noch breiteren Publikum seine Cartoons zeigen konnte, auch seine Live-Tour wurde so immer erfolgreicher. „Die Tour ist für mich eine riesige Sache geworden. Das mache ich jetzt seit zehn Jahren und am Anfang waren da vielleicht 70 Leute und es war eher eine Nerd-Veranstaltung“, sagt Ruthe. An 30 Terminen in verschiedenen Städten in Deutschland, Österreich und der Schweiz hat er in diesem Jahr sein Programm gezeigt.
Deal mit Mitsubishi und Erfahrungen mit Vermarktern
Ruthes Erfolg auf Youtube zog in den Jahren auch das Interesse von Vermarktern und Multi-Channel-Networks nach sich. Zwei Jahre lang sei er bei Studio71 unter Vertrag gewesen, die Zusammenarbeit habe aber überhaupt nicht funktioniert. Aktuell ist er bei Universal. Den ersten richtigen Deal habe Ralph Ruthe aber selbst verhandelt. Er erklärt: „Kurz vor der Tour im vergangenen Jahr bin ich Papa geworden und wir hatten nur ein Auto. Da habe ich dann ziemlich spontan eine kleine Cartoon-Anzeige erstellt und auf Facebook gepostet.“
Der Beitrag, in dem er einige Auto-Hersteller markiert, schlug hohe Wellen – und führte schlussendlich zu einer Kooperation mit Mitsubishi. „Die haben direkt verstanden, was man mit Cartoons erreichen kann und mir ein Auto zur Verfügung gestellt. Bestandteile des Deals waren außerdem Banner auf meinen Profilen, Videos und Cartoons sowie noch etwas Geld für mich“, so Ruthe. Der Vertrag laufe noch bis zum April 2018, dann werde entschieden, wie es weitergeht.
Eigene Emoji-App in den Charts
Seit Mitte des Jahres ist „Ruthe Cartoons“, eine Emoji-App mit bekannten Figuren von Ralph Ruthe, in den App Stores erhältlich. „Die Idee kam von Universal. Und obwohl ich kein App-User bin und skeptisch war, macht das inzwischen echt Spaß“, sagt er. „Wir haben sie zum Beispiel gerade um Weihnachts-Emojis erweitert und den Fans scheint das zu gefallen. Das ist die Hauptsache.“ Dass die Anwendung in der Zielgruppe tatsächlich sehr gut ankommt, zeigen auch die Platzierungen der letzten Wochen. Die 1,09 Euro teure iOS-App findet sich regelmäßig auf dem ersten Platz in der Kategorie „Gekauft – Unterhaltung“ wieder, insgesamt landet sie kategorieübergreifend häufig unter den Top 20. Auch in Googles Play Store schafft es die App in die Top 20.
Welche der verschiedenen Produkte wirtschaftlich am wichtigsten sind, möchte Ralph Ruthe nicht genau aufschlüsseln. Die Tour funktioniere gut, ebenso die Bücher und Merchandise. Am Ende sei es eine gute Mischung. Er stellt aber fest: „Das ist auf gar keinen Fall ein Job, den man machen sollte, wenn man Millionär werden will. Aber: Ich kann davon leben, ich mache, was ich liebe – idealer kann es für einen Künstler ja gar nicht laufen. Ich bin total gesegnet damit.“