Das sagt die OM-Branche zum Cambridge-Analytica-PR-Coup

Torben Lux8.12.2016

Trump: Dank Big Data und Facebook zum US-Präsidenten?

Cambridge Analytica
Cambridge Analytica

Es dürfte einer der meistdiskutierten Artikel der letzten Wochen, wenn nicht Monate gewesen sein: Laut „Das Magazin“ aus der Schweiz soll Cambridge Analytica für den Wahlsieg von Donald Trump verantwortlich sein. Das Unternehmen sei im Besitz von jeweils tausend Datenpunkten zu 220 Millionen US-Bürgern – und habe so mit Hilfe von psychologischem Targeting bei Facebook-Ads die Präsidentschaftswahl entschieden. Zahlreiche etablierte Medien zeigten sich schnell empört, nur einige wenige kritisch. Online Marketing Rockstars hat mit mehreren erfahrenen Online-Marketing-Experten gesprochen und gefragt: War alles nur ein großer PR-Coup oder tatsächlich „Big Data“ in Perfektion?

60 Prozent höhere Klickraten auf Facebook-Anzeigen, eine um 1.400 Prozent (!) gesteigerte Conversion Rate und am Ende Donald Trump als neuer Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika – die angeblichen Details zur Kampagne im Vorfeld der US-Wahl, die „Das Magazin“ im Artikel „Ich habe nur gezeigt, dass es die Bombe gibt“ Anfang der Woche veröffentlichte, sorgten passend zur Überschrift für Zündstoff. Für das Stück sprach die Wochenendbeilage mehrerer Schweizer Medien (Tagesanzeiger, Der Bund, Berner Zeitung, Basler Zeitung) mit dem Psychologen Michal Kosinski. Die Kurzfassung vom Polit-Thriller, der ohne Weiteres als Drehbuch für einen Kinostreifen herhalten könnte: Dr. Kosinski, Experte für Psychometrik an der Stanford Universität, beginnt 2008 mit Hilfe von Facebook-Apps (vor allem Quizze) Millionen von Persönlichkeitsprofilen zu erstellen. Als Grundlage dient das sogenannte OCEAN-Modell (Openness to experience, Conscientiousness, Extraversion, Agreeableness, Neurotizismus).

Perfektes Facebook-Targeting dank Psychometrik?

Die Auswertungen wachsen dem Artikel nach zum größten jemals erhobenen psychologischen Datensatz heran. 2012 könne Kosinski anhand von 68 Facebook-Likes eines Users angeblich zu 95 Prozent bestimmen, welche Hautfarbe er hat, zu 88 Prozent, ob er homosexuell ist und zu 85 Prozent, ob er Demokrat oder Republikaner ist. 2014 erkenne Kosinski die Gefahr der Methode, als das Unternehmen „Strategic Communications Laboratories“ (SCL) sich dafür interessiert. SCL sei heute das Mutterunternehmen von Cambridge Analytica. Steve Bannon, Gründer der am äußeren rechten Rand positionierten News-Seite „Breitbart“ und im Laufe des Wahlkampfs zu Trumps Chefstrategen ernannt, sitze dort im Vorstand. Und dieses Unternehmen wiederum hätte mit Hilfe eines ganz ähnlichen Verfahrens erst für den Brexit gesorgt – und jetzt Trump zum US-Präsidenten gemacht.

Alexander Nix, CEO von Cambridge Analytica, bei einem Vortrag beim Concordia Summit in New York im September 2016

In den sozialen Medien zeigten sich Leser bestürzt über die angebliche Wahlmanipulation und den Handel mit Daten. Viele Medienhäuser scheinen noch unsicher ob einer klaren Einordnung und fragen, wie beispielsweise das Manager Magazin: „Kann man bei diesem Mann Wahlen kaufen?“. Schon einige Wochen zuvor berichteten unter anderem Bloomberg, Adage und Adexchanger über die Facebook-Strategie hinter der Trump-Kampagne, ein Medium-Artikel ging genau auf die Zielgruppen-Erstellung per Custom Audiences, Lookalikes & Co. ein. Andere wiederum sehen darin alleine den Versuch, Trumps Wahlsieg nachträglich PR-seitig zu profilieren und bezeichnen das als „Campaign Tech Bullshit“.

War Cambridge Analytica wirklich ein wichtiger Grund für Trumps Wahlsieg oder ist der Medienrummel ein nachträglicher PR-Coup für das Unternehmen? War Facebook-Werbung der Königsmacher für den neuen US-Präsidenten? Welche Rolle haben dabei Dark Posts (Facebook-Beiträge, die auf keiner Seite, sondern ausschließlich als Werbung sichtbar ist) und Mikrotargeting (eine Zielgruppe mit Hilfe mehrerer Faktoren möglichst genau und klein gestalten) gespielt? Und sind ähnliche Vorgänge und Methoden bei der anstehenden Bundestagswahl in Deutschland denkbar? Online Marketing Rockstars hat diejenigen gefragt, die sich mit Facebook-Marketing am besten auskennen.

Teja Töpfer, Co-Founder und COO von Facelift aus Hamburg, das kürzlich mehrheitlich von DuMont übernommen wurde:

Teja Töpfer Cambridge Analytica

Teja Töpfer, Facelift

„Beim ersten Lesen des besagten Artikels hat mich die Geschichte schon fasziniert. Je länger ich aber darüber nachgedacht habe, desto sicherer bin ich mir, dass es eher ein PR-Coup war. In der Werbung ist es ja ganz, ganz selten der Fall, dass man sich monokausal auf eine Sache festlegen kann, die am Ende der Grund für einen Kauf oder wie in diesem Fall eine Wahl gewesen sein soll. Das ist heute glaube ich kaum noch möglich. Und wenn doch: Die Business-Intelligence-Abteilungen von globalen Brands sind sicher auch interessiert. Wenn sich schon mit vergleichsweise wenig Geld eine Wahl gewinnen lässt…

Die Geschichte hat vermutlich auch nur diese Reichweite und emotionale Art der Berichterstattung bekommen, weil sie unter anderem von Menschen und Medien geführt wird, die zwar Reichweite haben, aber im Prinzip recht wenig Ahnung von Online Marketing. So wurden in den letzten Tagen – gar nicht mit einer bösen Absicht – immer wieder auch Falschinformationen verbreitet. So wie in den vielen Artikeln zum Thema beschrieben wird, funktioniert Marketing im Allgemeinen und Facebook-Marketing im Speziellen nun einmal – und das nicht erst seit gestern. Das Grundprinzip der zielgruppenspezifischen Ansprache ändert sich nicht, in einer Frauenzeitschrift schaltet ein Werbetreibender zumeist auch andere Anzeigen als in einer Zeitschrift speziell für Männer. Und bei Facelift machen wir das jetzt seit fünfeinhalb Jahren so.

Facebook trifft dabei übrigens am Ende keine Schuld, ich glaube eher an ein gesellschaftliches Thema. Vor allem, wenn es um Mikrotargeting geht und Personen sehr gezielt und direkt angesprochen werden, können die wenigsten unterscheiden, welcher Inhalt stimmt und welcher nicht. Ich hoffe, dass sich dessen auch die etablierte Parteienlandschaft mit Blick auf die Bundestagswahl in Deutschland bewusst ist. Für uns war es bisher schwierig, dort etwas zu platzieren, weil sich die Ansprechpartner zu wenig mit dieser doch sehr speziellen Materie auskennen. Aus der Presse bekomme ich allerdings mit, dass gerade Randparteien in dieser Thematik bereit sind, mehr zu riskieren und auszuprobieren.“

Florian Litterst, verantwortet bei der Burda Direct Interactive GmbH den Bereich Social Media Advertising und betreibt den Blog adsventure.de:

„Ist es wirklich möglich, dass Donald Trump mit Hilfe von Facebook Advertising massiv Wählerstimmen oder gar die US-Wahl gewonnen hat? Werfen wir dazu erst einmal einen Blick zurück in das Jahr 2014. Schon damals nutzte Coca Cola bei der Kampagne #AmericaIsBeautiful die granularen Targeting-Möglichkeiten von Facebook äußerst geschickt zur Platzierung von individuellen Werbebotschaften. Jede Zielgruppe bzw. Gesellschaftsgruppe in den Staaten bekam damals eine spezielle Video Ad mit unterschiedlichen Texten und individuellen Botschaften in ihrem Newsfeed zu sehen, was – wenig überraschend – für massiv viel Aufmerksamkeit sorgte. Und was schon 2014 funktionierte, ist 2016 natürlich ein Kinderspiel!

Coca Cola Advertising

Florian Litterst

Florian Litterst, Burda Direct Interactive

Mit Blick auf Donald Trump zeigt mir ein kurzer Blick auf seine Website, dass wir es hier mit einem richtigen Facebook Advertising Profi zu tun haben. Dort finden wir nicht nur ganze vier Facebook Pixel, sondern auch ein astreines Conversion-Tracking. Gibt ein User über die Trump Website eine Spende ab, trackt das der Pixel mit dem Event ‘InitiateCheckout’ – ein Instrument, das sonst nur im E-Commerce genutzt wird. Die auf diese Weise gesammelten Daten bilden eine wunderbare Grundlage zur Identifikation potenzieller Wähler und Spender auf Facebook, z.B. via Custom oder Lookalike Audiences. Allerdings wäre es auch schon nur mit Hilfe der ‘regulären’ Targeting-Optionen auf Facebook problemlos möglich, jeder Wählergruppe die passende, individuelle Botschaft zukommen zu lassen. Ob das wirklich so passiert ist? Wurden wirklich alleine am Tag eines TV-Duells 175.000 unterschiedliche Botschaften via Facebook Ads platziert? Von außen ist das schwer zu beurteilen, denn Facebook Anzeigen werden in der Regel als sogenannte Dark Posts erstellt und können dann nur von der entsprechenden Zielgruppe gesehen werden. Mit diesem Instrument können Botschaften genau auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Ziel- bzw. Wählergruppen zugeschnitten werden. Und diese Möglichkeiten haben dem Trump-Team sicher dabei geholfen, die Wahl für sich positiv zu beeinflussen – da bin ich mir sicher.“

Christoph Brust, Managing Director vom Social Advertising Spezialisten Esome Advertising Technologies:

„Das Ganze ist mit Sicherheit ein PR-Coup! Ob die Methodik von Cambridge Analytica letztendlich Trump zum Wahlsieg verholfen hat, ist allerdings unklar. Es gibt ein sehr beachtetes Interview, zahlreiche abgeleitete Artikel, aber (laut unserem Kenntnisstand) keine Datenpunkte bzw. Fakten, daher ist das viel Spekulation. Die fehlenden Fakten werden am Ende das schlagende Argument bei der Bewertung sein. Das gilt übrigens aus eigener umfangreicher Erfahrung als Facebook und Instagram Marketing-Partner und als Anbieter für Managed-Service Mediaplanung und -execution auch für das klassische Facebook Advertising.

Cambride Analytica

Christoph Brust, Managing Director Esome

Einzuschätzen, ob Facebook-Werbung für Trump der ‘Königsmacher’ war, wäre Spekulation. Was sich sicher sagen lässt: Der Kanal Facebook wird für diese Zwecke effektiv und effizient sein und ist grundsätzlich geeignet. Die im besagten Interview getätigten Aussagen sind weitestgehend plausibel aus technischer Sicht. Weitestgehend, da die ‘Psychometrie’ (also eine Art Profiling – oder in unserer Welt: Mediazielgruppendefinition) auf Basis von Likes aus unserer Sicht zumindest fragwürdig ist. Informationen über die Likes von Usern sind nicht per se einsehbar und analysierbar, hierzu braucht es gesonderte Zustimmung (‘Opt-In’) der User, was eine Ausnahme darstellt. Generell arbeitet der Facebook-Algorithmus vermutlich immer weniger auf Basis von Likes, sondern vielmehr auf Basis der zur Verfügung stehenden Daten, die Facebook durch das Userverhalten generieren kann.

Unklar ist leider auch, ob es dem Trump-Team gelungen ist, mit Dark Posts und Microtargeting über Facebook Anzeigen Wähler davon abzuhalten, Clinton zu wählen. Aber sicherlich ist der wesentliche Treiber für die Relevanz von Facebook bei seinen Kunden (und damit Erklärung für den Börsenwert des Unternehmens) die sehr hohe Datengüte auf der Plattform. Es können unübertroffen viele Daten wie beispielsweise plattformeigene Daten (z.B. soziodemographische Angaben der User, Daten aus dem Surf- und Leseverhalten, Location-Daten, Geräte- und Verbindungsinfos etc.), unternehmens- und parteieigene Daten (z.B. Retargetingdaten, CRM-Schnitte etc.) und Daten von externen Providern (vor allem Offline-Daten, z.B. zu Bonität und Kaufkraft, Indikatoren zu Wechselbereitschaft von Usern im Bereich Strom & TelCo, aber auch klassische zielgruppentheoretische Sinusmillieus aus der Mediaplanung – in Deutschland beispielsweise bereitgestellt durch Partner wie Acxiom oder Nielsen) verwendet werden. Ein starker Prospecting-Algorithmus von Facebook rundet die verfügbare Targeting-Güte ab. Je besser die Datenlage, desto besser lassen sich Rückschlüsse bezüglich Ähnlichkeiten und statistischen Zwillingen ziehen.

„Alle Parteien können dieses starke Instrument zur Kommunikation und Zielgruppenerreichung nutzen“

Genauso sicher: Das Nutzen von Facebook als Kanal ist nur einer von drei Erfolgsfaktoren für einen solch großen mutmaßlichen Einfluss bei den US-Amerikanischen Wahlen. Mindestens genauso wichtig sind Content, Creation und Messaging. Wie auch in der Werbung ist eine sehr gute Granularisierung von Targetings den Aufpreis nicht wert, wenn die Kommunikation in diese fein definierten Zielgruppen nicht auch auf diese genau zugeschnitten ist. Und das ist viel Arbeit.

Außerdem kommt noch die Zielgruppendefinition hinzu. Im Facebook Advertising nutzen wir für die Ableitung von Targetinghypothesen Instrumente wie eine Best4Planning, eine AGOF etc.; im Political Campaigning ist die schon genannte Psychometrie ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Wer seine Zielgruppe nicht genau kennt, wird nicht erfolgreich sein – auch nicht im Wahlkampf.

Um doch noch auch eine (subjektive) Einschätzung abzugeben: Facebook-Anzeigen waren bei der US-Amerikanischen Wahl vermutlich nicht der wesentliche Hebel, sondern eher der zu beobachtende zunehmende Frust der Bevölkerung bezüglich des ‘Establishments’ und einer empfundenen immer größer werdenden Ungerechtigkeit bei der Verteilung von Chancen und Wohlstand. Aber Facebook-Anzeigen können durchaus das Zünglein an der Waage und damit letztendlicher Garant für den Wahlsieg Trumps gewesen sein – das Ergebnis ist ja bekannterweise denkbar knapp ausgefallen, wie im übrigen auch bei den Entscheidungen zum Brexit und in Österreich. Bei Werbung auf Facebook ist unsere Einschätzung noch klarer: Es funktioniert!

Stark verkürzt: Ein ähnlicher Vorgang könnte auch bei der nächsten Bundestagswahl möglich sein. Wie beschrieben ist sicherlich eine aufwändige und ernsthaft betriebene Anstrengung bei den Komponenten Psychometrie (wer?), Kommunikation und Creation (was?) und Execution (wie?) vorausgesetzt. Spannender dabei sind Fragen, die den Rahmen hier leicht sprengen können. Wie wird sich Facebook hier positionieren (müssen)? Es gibt auf der Plattform bekanntere Regeln (z.B. bezüglich Nude Content) und unbekanntere Regeln (z.B. für Werbekunden aus dem Bereich Pharma, Glücksspiel etc.). Facebook wird sich die Frage gefallen lassen müssen, ob es im Political Campaigning nicht auch solcher Regeln bei der ‘Paid’ Verbreitung von Content (hier: Wahlversprechen etc.) bedarf. Und wie ist ein solches Vorgehen moralisch zu bewerten? Es ist beobachtbar, dass vor allem die sich radikalisierenden Bevölkerungsgruppen der differenzierenden Medien (‘Lügenpresse’) den Rücken kehren und sich zunehmend auf Plattformen wie Facebook (oder Breitbart etc.) äußern und austauschen. Damit stellen wir alle fest, dass Social Media zur Verbreitung von Halbwahrheiten und damit auch zu einer Radikalisierung beitragen kann (Stichwort ‘Echokammern’ oder ‘walled gardens’). Aber auch hier: Eine kluge Anpassung und Gegensteuerung des Facebook-Algorithmus ist generell denkbar, genauso wie es allen Parteien (und nicht nur wie intuitiv von allen vermutet der AfD) möglich ist, dieses starke Instrument zur Kommunikation und Zielgruppenerreichung zu nutzen. Eine Zensur oder ein Begrenzen der offenen Kommunikation von Usern auf den Plattformen kann sicherlich ebenfalls keine bedachte und demokratische Lösung sein. Sicher ist: Dieses Thema ist außerordentlich spannend, relevant – und wird uns noch eine Weile begleiten.

Svenja Teichmann und Sven-Olaf Peeck, beide Geschäftsführer der Social Media Agentur Crowdmedia:

Svenja Teichmann Cambridge Analytica

Svenja Teichmann, Crowdmedia

„Das ist ein nachträglicher PR-Coup von Cambridge Analytica, wenn die sich jetzt hinstellen und sagen ‘Hey, das waren wir’. Aus eigener Erfahrung für die Kampagne der Freien Demokraten in Hamburg wissen wir natürlich, wie wichtig und zielführend Werbung bei Facebook, Google & Co. im Wahlkampf eingesetzt werden kann. Großes Aber: Kein Micro-Targeting macht aus Scheiße Gold. Schlau ausgerichtete (Online-) Werbung ist ein wichtiger Baustein, aber nicht der alleinige Königsmacher. Wenn das Produkt nicht passt, geht nichts. Daher kann es das (Phänomen) Trump alleine nicht erklären. Wird so etwas oder was ähnliches bei der #BTW17 ein Thema sein? Ja klar, Parteien wären ja blöd, es nicht zu testen! Obwohl, warte mal, manchmal fehlt in Deutschland die Einsicht in solche Potentiale.“

Thomas Thaler, Unternehmensberater, hält regelmäßig Vorträge zu Social Media Marketing und Big Data:

„Ob Cambridge Analytica final für Trumps Wahlsieg gesorgt hat, weiß ich nicht genau. Erfahrungsgemäß gibt es aber nach gewonnenen Wahlen immer jede Menge Leute, die wissen (wollen), warum das so oder so ausgegangen ist. Ich tippe eher darauf, dass das Wahlkampf-Team von Trump am Wahltag nicht mal den Funken einer reellen Chance sah und selbst von ihrem Triumph überrascht war.

Thomas Thaler Analytica

Thomas Thaler, Thaler Enterprises

Laut CNBC benötigte Trump weniger als die Hälfte der Wahlkampf-Kosten von Clinton. Es ist daher durchaus vorstellbar, dass er um Reichweite aufzubauen, unter anderem auf Facebook Ads setzte. Königsmacher war aber meiner Meinung eher ein Phänomen, das ich selbst bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl beobachten konnte: Menschen aus dem Lager des politischen Gegners verbreiten die Botschaften in Windeseile – und zwar kostenlos. Manche unter dem Heiligenschein der rechtschaffenen Empörung – andere einfach, weil sie den Algorithmus von Facebook noch nicht durchschaut haben. Jede noch so unwichtige Aussage von Trump wurde zigtausendfach geteilt und von so gut wie jedem US-Medium aufgenommen. Er hat es so geschafft, selbst mit überschaubarem Budget trotzdem seine Inhalte breit an die Frau und den Mann zu bringen.

Die Erstellung von hunderttausenden, personalisierten Werbeanzeigen ist über die Facebook Marketing API problemlos umsetzbar. Ich habe im Dezember 2015 dazu sogar mal ein fertiges PHP-Script veröffentlicht. Schwierig wird es beim Microtargeting: Die öffentliche User-ID eignet sich nicht (mehr) für Custom Audiences, ich brauche da schon Mail-Adresse oder Telefonnummer. Aber auch dafür gibt es für Experten bekanntlich Mittel und Wege.

Extrem spannend finde ich persönlich vor allem die operative Steuerung eines laufenden Wahlkampfes: Welches Segment spreche ich mit welchen Themen am besten an? Wie erobere ich das Lager der latenten Wähler meiner politischen Konkurrenten? Wie besetze ich die Themen, die für viele Menschen offenbar wichtig sind? Wer sind die Multiplikatoren, die meine Inhalte entweder verstärken oder unterlaufen? Bei klassischen Meinungsumfragen per Telefon haben die Forscher schon seit einigen Jahren das Problem, dass die Befragten bei kritischen Themen oft nicht die Wahrheit sagen. Der Social Proof von Facebook zeichnet da ein deutlich authentischeres, nur schwer zu fälschendes Bild eines Menschen. Daher sind auch die Segmentierungen deutlich valider.

In Bezug auf die anstehende Bundestagswahl in Deutschland muss man sich die Frage stellen: Haben die Parteien im Jahr 2017 schon erkannt, welche Macht in diesen Daten steckt oder setzen sie lieber auf die altbekannten Dreiecksständer? Bei aller Euphorie muss man allerdings festhalten, dass derzeit nicht mal die Hälfte der deutschen Wahlberechtigten ein Facebook Profil besitzt. Tendenz aber rasch steigend.“

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Torben Lux
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Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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