Beiersdorf beteiligt sich an Hautarzt-Startup Dermanostic

Florian Rinke11.1.2022

Patienten können Hautkrankheiten per App untersuchen lassen

Aufmacher
Die Ehepaare Alice und Ole Martin und Patrick und Estefanía Lang haben Dermanostic gegründet. Foto: Udo Geisler

Die Corona-Pandemie hat auch die Digitalisierung im Gesundheitsbereich beschleunigt. Startups bieten Lösungen für Videosprechstunden an, andere setzen auf ärztlichen Rat per App. Das Düsseldorfer Startup Dermanostic bietet beispielsweise eine Art Hautarzt für die Hosentasche. 2021 konnte man rasant wachsen – und überzeugte damit nun sogar einen Großkonzern von einem Investment.

Es bedarf schon eines gewissen Selbstbewusstseins, um gegen den Suchmaschinen-Giganten Google zu wetten. Doch vier Düsseldorfer Gründer tun genau das. Mit ihrem Startup Dermanostic bieten die beiden Ehepaare Estefanía und Patrick Lang sowie Alice und Ole Martin den Hautarzt für die Hosentasche: eine App, über die man innerhalb von 24 Stunden Auffälligkeiten an der Haut untersuchen lassen kann. Dazu genügen in der Regel ein paar Angaben und drei Fotos, die dann von einem Dermatologen beurteilt werden. Obwohl Google bereits im Mai 2021 eine künstliche Intelligenz präsentiert hat, die Hautauffälligkeiten erkennt, setzt Dermanostic weiter auf die Fähigkeiten von Menschen.

„Es gibt mehr als 2.000 Hautkrankheiten – und pro Erkrankung braucht es zwischen 20.000 und 30.000 Bilder als Training“, sagt Dermanostic-Gründerin Alice Martin. Dies sei gerade bei seltenen Krankheiten extrem schwierig. Künstliche Intelligenz werde daher erst in einigen Jahren soweit sein, dass sie alle Hautkrankheiten zuverlässig erkennt. Fünf bis zehn Jahre wird es aus ihrer Sicht noch dauern: „Unser Ziel ist aber sowieso, dass ein Arzt über unsere App behandelt.“

Auf dem Online-Arzt-Markt tummeln sich inzwischen viele Anbieter

Es ist eine mutige Wette, zumal die US-Suchmaschine nicht der einzige Konkurrent ist. Längst tummeln sich eine ganze Reihe von Anbietern auf dem Online-Gesundheitsmarkt. Manche setzen auf Videokonferenzen, um bei Hautproblemen Gespräche mit Ärzten online zu vermitteln wie das schwedische Startup Kry oder der Münchner Anbieter Teleclinic. Andere wie Easyderma oder der Schweizer Anbieter Onlinedoctor setzen wie Dermanostic auf sogenannte Text-Bild-Verfahren, bei denen zusätzlich zu einem Fragebogen noch drei Bilder der Hautauffälligkeit geschickt werden müssen.

Wer sich in diesem Umfeld durchsetzen will, braucht entweder viel Kapital für Marketing – oder gute Partner, um auch über andere Kanäle auf sich aufmerksam zu machen. Das Startup hat daher schon früh soziale Netzwerke wie TikTok oder Instagram genutzt, um über Hautthemen aufzuklären und quasi nebenbei die eigene Marke bekannter zu machen. Und das ziemlich erfolgreich, wie Gründerin Alice Martin vor einiger Zeit im Gespräch mit OMR erzählt hat. Sogar über den Musik-Streamingdienst Spotify, wo man Werbung schaltete, konnten Kunden gewonnen werden. Zusätzlich verbündet sich das Düsseldorfer Startup nun jedoch mit dem Hamburger Hautpflege-Unternehmen Beiersdorf, das mit seiner Marke Eucerin ebenfalls stark auf den Bereich Hautgesundheit setzt.

Dermanostic bekommt zwei Millionen Euro frisches Kapital

Im Rahmen einer sogenannten Pre-Series-A-Runde in Höhe von insgesamt rund zwei Millionen Euro beteiligt sich Beiersdorf über seine Risikokapital-Tochter Oscar&Paul an dem Startup. Der börsennotierte Konzern erwirbt nach OMR-Informationen einen Anteil im einstelligen Prozentbereich an Dermanostic. Angeführt wird die Finanzierungsrunde vom Bestandsinvestor Mello aus Wuppertal.

Dermanostic und Beiersdorf haben bereits in der Vergangenheit kooperiert, etwa indem auf der Internetseite von Eucerin auf das Angebot der Düsseldorfer Hautarzt-App hingewiesen wird. Durch das Investment erhofft sich Beiersdorf weitere Erkenntnisse, wie man die Kunden auch digital ansprechen kann. Die Frage ist für Beiersdorf zentral, gerade in Zeiten einer Pandemie, während der mancher vielleicht den Gang in die Apotheke scheut, über die Eucerin-Produkte bislang ausschließlich vertrieben werden. Beiersdorf hat daher nach eigenen Angaben gezielt nach Angeboten wie dem von Dermanostic gesucht, um Eucerin zu digitalisieren. Ein Verkauf von Hautpflegeprodukten über die Dermanostic-App ist allerdings laut einer Sprecherin nicht geplant.

Mit dem frischen Kapital will Dermanostic das eigene Angebot weiter ausbauen. Doch obwohl Konkurrenten in der Google-Suche deutlich prominenter platziert sind durch Anzeigenplätze, will Dermanostic mehr ins Produkt als ins Marketing investieren. Stattdessen soll das Angebot künftig in mehr Sprachen verfügbar sein und auch auf andere Ländern ausgeweitet werden. „In Deutschland können wir Privatrechnungen und Privatrezepte erstellen, die über Privatversicherungen abgerechnet werden“, sagt Co-Gründerin Alice Martin, die selbst Dermatologin ist: „Und aktuell erarbeiten wir auch ein Konzept für die Abrechnung in Ländern der arabischen Welt.“

2021 nutzten mehr als 40.000 Patienten Dermanostic

Auch die Patientenzahl soll dann weiter gesteigert werden. Nachdem das im Oktober 2019 gegründete Startup im ersten Jahr nach dem Start rund 3.000 Patienten behandeln konnte, waren es 2021 bereits mehr als 40.000, die für 25 Euro eine Diagnose angefordert haben. Die Investoren setzen dabei speziell auf die Markentreue zufriedener Nutzer. Rund jeder dritte Dermanostic-Kunde nimmt das Angebot bereits mehrmals in Anspruch. Entsprechend ist auch das Team von Dermanostic inzwischen auf mehr als 20 Mitarbeitende gewachsen.

Das Investment von Beiersdorf folgt dabei einem Trend, der zuletzt verstärkt zu beobachten war: Konzerne beteiligen sich mit kleinen Prozentsätzen an Startups mit einer Nähe zum Kerngeschäft, statt sich mit bloßen Partnerschaften zu begnügen. So sicherte sich der Handelskonzern Rewe zuletzt beim Express-Lieferdienst Flink einen kleinen Anteil, auch der Baukonzern Strabag beließ es beim Baustoff-Startup Schüttflix nicht bei einer Kooperation. Die Beteiligungen sind anfangs so klein, dass sie für Börsenanalysten kaum relevant sind. Investments unterliegen daher einem eher überschaubaren Risiko.

Geldgeber setzen auf Veränderungen der Rahmenbedingungen

Umgekehrt sichert man sich eine Option in einem zukunftsträchtigen Markt, der immer noch ganz am Anfang steht. Zwar gab es zuletzt bereits eine Reihe von Übernahmen im Bereich der Telemedizin. So übernahm die Online-Apotheke DocMorris, hinter der das Schweizer Unternehmen Zur Rose steckt, den Anbieter Teleclinic für einen zweitstelligen Millionenbetrag. Auch Konkurrent Shop-Apotheke sicherte sich mit der Übernahme von Smartpatient, dem Entwickler der App MyTherapy, einen Anbieter in diesem Bereich.

Angebote wie diese unterscheiden sich im Detail zwar von Apps wie Dermanostic, gemein ist ihnen allerdings, dass es darum geht, den medizinischen Bereich zu digitalisieren. Mello-Geschäftsführer Markus von Blomberg ist daher überzeugt, dass der Markt sich sehr schnell weiterentwickeln wird – und sich damit auch Rahmenbedingungen schnell verändern werden. Die Leistungen von Dermanostic werden aktuell beispielsweise nur von Privatversicherungen erstattet. „Unsere Vermutung ist, dass einzelne, häufig kleinere gesetzlichen Krankenkassen als erste anfangen werden, innovative Leistungen wie die von Dermanostic zu übernehmen, um sich einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. Und dann werden die großen Krankenkassen irgendwann folgen“, sagt von Blomberg.

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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