Jetzt kommen die Bidmanager Tools: Wie Amazon sein Werbegeschäft im Google-Stil ausbaut
Wird die Plattform immer geiziger mit kostenlosem Traffic?
- Nicht funktionierende Kampagnen automatisch deaktivieren
- „Bisherige Tools waren nicht gut genug“
- API mit angezogener Handbremse
- Diverse weitere Anbieter sind in den Startblöcken
- Ungeliebte Amazon-SEO-Branche
- Amazons Werbeplattform hat noch Luft nach oben
Vor wenigen Monaten hat Amazon die „Advertising API“ für die Allgemeinheit geöffnet: Über die Schnittstelle können Seller ihre Werbung auf Amazons Plattform verwalten und optimieren. Der Schritt lockt auch externe Tool-Entwickler auf den Plan. OMR hat mit einem der Anbieter sowie mit Amazon-Experten gesprochen und erklärt die Entwicklung. „Die Möglichkeiten auf organischem Weg bei Amazon zu wachsen, sind beschränkt. In vielen Bereichen gibt es schon ein Überangebot. Werbung ist da zum einen eine Möglichkeit, sich durchzusetzen und sich darüber hinaus auch noch einmal anders darzustellen“, glaubt Max F. Hofmann. Er ist Mitgründer von BidX, einem der ersten Anbieter eines Bidmanagement-Tools für Werbung auf Amazon.
Nicht funktionierende Kampagnen automatisch deaktivieren
Mit der Software sollen Amazon-Händler ihre Werbung auf Amazon automatisiert optimieren können. Sie müssen dafür lediglich Regeln vorgeben, beispielsweise dass Kampagnen gestoppt werden sollen, sobald sie einen bestimmten „Advertising Cost of Sale“ (Umsatzkosten) übersteigen. Aber auch komplexere Verknüpfungen sind möglich. Ein Demo-Video auf Youtube erklärt die Funktionsweise:
Hofmann ist eigentlich mit dem Darmstädter Unternehmen Easy Principles als so genannter Private-Label-Anbieter selbst auf Amazon aktiv. Private-Label-Macher stellen ihre Produkte nicht selbst her, sondern kaufen diese bei White-Label-Herstellern und verkaufen diese dann unter eigener Marke. Laut Unternehmens-Website handelt Easy Principles auf Amazon mit diversen Küchen- und Haushaltsgegenständen, von wiederverwendbarer Frischhaltefolie über mehrfach nutzbare Kabelbinder bis zum Schubladenschutz für Kleinkinder.
„Bisherige Tools waren nicht gut genug“
„Wir haben mit Easy Principles das Potenzial von Amazon PPC (Pay per Click) entdeckt“, so Hofmann gegenüber OMR. Zwischen 10 und 20 Prozent seines Umsatzes erwirtschafte das Unternehmen mittlerweile über Werbemaßnahmen auf Amazon. „Aber mit den Tools, die bisher am Markt dafür verfügbar waren, waren wir nicht zufrieden.“ Also entwickelten die Easy-Principles-Macher kurzerhand selbst ein Tool.
Das wollen sie nun auch dem Markt anbieten. „Das Interesse dafür ist definitiv da“, sagt Hofmann. Derzeit befindet sich die Software im offenen Beta-Test. Erst einmal soll BidX als Teil von Easy Principles betrieben werden, Hofmann hält aber eine baldige Ausgründung für sehr wahrscheinlich.
API mit angezogener Handbremse
Dass die Werbung bei Amazon über Tools von Drittanbietern verwaltet werden kann, ist erst seit einiger Zeit möglich. „Die Advertising API ist seit einigen Monaten offen“, so Tim Nedden von der E-Commerce-Beratung finc3. Wer Zugriff erhalten will, kann diesen per Formular beantragen.
Aktuell sind die Möglichkeiten der Schnittstelle jedoch trotzdem weder für alle Parteien auf Amazon noch für alle Werbeformate nutzbar. Zum einen können diese nur Seller nutzen. Amazon unterscheidet zwischen Händlern, die selbst auf Amazons Marktplatz verkaufen („Seller“), und Vendoren, die im Grunde an Amazon liefern und bei deren Produkten Amazon gegenüber den Kunden selbst als Verkäufer auftritt. Zum anderen ist bislang nur der Zugriff auf „Sponsored Product“-Kampagnen möglich. „Sponsored Product“-Anzeigen erscheinen am Fuß von Suchergebnisseiten. Mit „Headline Searchs Ads“ (erscheinen über den Suchanzeigen) und „Product Display Ads“ bietet Amazon jedoch noch zwei weitere Werbeformate an. Viele Branchenexperten gehen jedoch davon aus, dass die API relativ bald ausgeweitet werden wird.
Diverse weitere Anbieter sind in den Startblöcken
Wenig verwunderlich also, dass nicht nur BidX einen Bidmanager im Markt anbietet. Wie zu hören ist, arbeiten diverse Anbieter im Markt ebenfalls an solchen Tools. Das Amazon-Seller-Tool Amalyze etwa kündigt auf seiner Website eine entsprechende Erweiterung seines Produktes an. So bestätigte der Anbieter Marketplace Analytics gegenüber OMR mit einem eigenen Bidmanager-Tool beim ersten Kunden live zu sein; die Kölner Amazon-Agentur factor-a hat einen baldigen Launch eines eigenen Tools angekündigt. Branchengerüchten zufolge sollen auch das Hamburger Unternehmen PrimeUp vom d3media-Gründer Jens Jokschat, das Münchner Unternehmen Quantified Markets und die Kölner Amazon-Agentur Vorwärts an entsprechender Software arbeiten. „Möglicherweise schauen sich das auch die Anbieter von Bid Management Software für Google an – wobei die Logik von Amazon sich schon von der Googles unterscheidet“, so Tim Nedden.
Diese Entwicklung ist auch vor der Gesamtentwicklung von Amazon als Plattform zu betrachten. In den vergangenen zwei bis drei Jahren gab es unter Amazon Sellern und Private-Label-Anbietern eine wahre Goldgräberstimmung. Amazon lieferte ihnen Millionen von Kunden quasi frei Haus. Die Händler mussten natürlich einen Anteil an ihren Umsätzen abtreten, Sichtbarkeit und Traffic aber bekamen sie gratis.
Ungeliebte Amazon-SEO-Branche
Weil deswegen immer mehr Seller auf die Plattform strömten und der Wettbewerb entsprechend zunahm, bildete sich „Amazon SEO“ als Disziplin heraus: Die Optimierung der eigenen Produkt-Listings, um von den Amazon-Käufern möglichst gut gefunden zu werden. „Amazon mochte die Amazon-SEO-Branche nie“, sagt Amazon-Experte und -Berater Christian Kelm (zuvor u.a. für KW Commerce und die Amazon-Agentur factor-a tätig). Offenbar versucht die Plattform sich immer stärker hin zum „Pay to Play“-Modell zu wandeln, bei dem die Händler immer häufiger auch für Klicks und Impressions bezahlen müssen. „Künftig muss man sich dann mit Werbung freikaufen“, so Kelm.
Die Entwicklung von Amazon erinnert hier an jene von Google und Facebook: Beide Plattformen boten Unternehmen zunächst viel Reichweite gratis. Daraufhin bildete sich eine ganze Subbranche an Dienstleistern und Tool-Anbietern heraus, die Unternehmen und Werbetreibenden dabei half, diese Reichweite abzuschöpfen – zunächst gratis, dann später über bezahlte Werbung. Denn sowohl Google als auch Facebook beschnitten die organische Reichweiten bald – so wie es jetzt möglicherweise Amazon tut. Die Dienstleister und Sofware-Entwickler agieren dabei auch als Vertriebshelfer für Werbeplattformen und helfen, das Produkt weiterzuentwickeln.
Amazons Werbeplattform hat noch Luft nach oben
Offenbar bleibt aber auch für Amazon noch einiges zu tun. Zumindest finden die Werbeprodukte, die Amazon über Amazon Marketing Services auf der eigenen Plattform anbietet, nicht uneingeschränkt das Wohlwollen von Christian Kelm. „Das System ist so schlecht“, so der Amazon-Experte trocken. So würden beispielsweise Änderungen an den Kampagnen nicht in Echtzeit, also sofort wirksam, sondern erst ab Mitternacht – „manchmal auch noch später“. Zudem durchmische Amazon bei den Kennzahlen teilweise Brutto- und Netto-Werte. „Da werden relativ willkürliche Zahlen gegenüber gestellt.“
In den US-Branchenmedien ist derzeit vermehrt davon zu lesen, dass Amazon das eigene Werbegeschäft offenbar mit viel Kraft pusht. So will das Unternehmen für die Advertising-Sparte demnächst in New York ein Büro für 2.000 Mitarbeiter eröffnen, wie Digiday schreibt. Der Standort: mitten in Manhattan, nahe der berühmten „Madison Avenue“ – dem Zentrum des US-Werbegeschäfts.
Update, 11. Oktober, 20:30
In einer vorherigen Version des Artikels hieß es, der im Artikel gezeigte Screenshot stamme aus dem Backend des BidX-Tools, nicht aus Marketplace Analytics. Das ist falsch, wir haben Artikel entsprechend angepasst. Außerdem haben wir den Artikel um Informationen zu den Bidmanagern von Marketplace Analytics und factor-a ergänzt.