Mates of Nature, Pickawood, Okäse: Sind Online-Marketer die besseren Gründer?

Julia Groth16.1.2018

Diese drei Profis ziehen nach Feierabend eigene Start-ups hoch

Rhea Moore
Mates of Nature-Gründerinnen Nina Sahler (links) und Rhea Moore Quelle: matesofnature.com
Inhalt
  1. Es geht auch ohne Agentur
  2. 63 Prozent des Umsatzes kommen über die organische Suche
  3. Ethik-Überlegungen bei neuen Vertriebskanälen
  4. Pickawood: Selbst ist der Mann
  5. 6.000 verkaufte Möbel 2017
  6. Tracking für Fortgeschrittene
  7. okäse.de: Alles Käse im Internet
  8. Wann kommt Pinterest-Werbung?
  9. Nachhaltigkeit kommt gut an

Eine gute Geschäftsidee ist das Eine. Das Know-how, diese Idee unter die Leute zu bringen, ist mindestens genauso wichtig. Wer als Marketingprofi eine gute Firmenidee hat und bereit ist, ordentlich Arbeitszeit in das eigene Baby zu investieren, spart nicht nur am Marketing-Budget. Vor allem macht es Riesenspaß, zur Abwechslung mal für das eigene Produkt zu werben – seien es Korktaschen, Käse oder Möbel zum Selbstdesignen. Das bestätigen uns jedenfalls drei Gründer, die im Hauptberuf weiterhin Online-Marketing-Spezialisten sind und nach Feierabend ihre eigenen Startups hochziehen.

Rhea Moore ist Senior SEO-Consultant bei der Kölner Agentur Morefire. Allerdings nur dreieinhalb Tage pro Woche. In der restlichen Zeit kümmert sich die Veganerin um ihr eigenes Unternehmen Mates of Nature. Gemeinsam mit Freundin und Mitgründerin Nina Sahler entwirft, produziert und verkauft sie Taschen und Portemonnaies aus Kork. „Die Idee kam mir in Portugal. Kork ist da sehr angesagt, es gibt überall Kork-Produkte“, erzählt Moore. Das Material ist eine gute Alternative zu Leder. Moore weiß, wie anstrengend das Shoppen sein kann, wenn man weder Leder- noch Kunststoff-Produkte kaufen will. „Es ist ziemlich schwierig, vegane Taschen aus natürlichen Materialien zu finden. Die Produkte, die es gibt, sind oft sehr teuer oder gefallen mir nicht“, sagt sie. Jetzt macht sie einfach ihre eigenen.

Es geht auch ohne Agentur

Mates of Nature ist Anfang 2016 gestartet. Moore kümmert sich – na klar – ums Marketing, außerdem um Buchhaltung und Vertrieb. Sahler ist für Design und Produktion zuständig. Beide stecken viel Arbeit in ihr Nischen-Business. „Aber das geht klar“, sagt Moore. „Wir sind flexibel und haben keinen Druck von Investoren, weil wir die Firma alleine finanziert haben.“ Mates of Nature soll gemächlich wachsen, ohne dass es für die Chefinnen in Stress ausartet. Konkrete Zahlen nennt Moore nicht, die Firma sei aber profitabel. „Der Gewinn ist allerdings noch nicht so hoch, dass wir beide allein davon leben könnten.“ Im Frühjahr 2018 wollen Moore und Sahler zwei neue Produkte in ihre Kollektion aufnehmen: eine weitere Frauenhandtasche und ein Herrenportemonnaie. Beides natürlich aus Kork.

Mates of Nature-Gründerinnen

Vegane Taschen der Mates of Nature-Gründerinnen

Die Taschen und Geldbörsen von Mates of Nature gibt es in ausgewählten Boutiquen, auf Portalen wie Etsy, Dawanda und im nachhaltigen Avocado-Store. In erster Linie läuft das Geschäft jedoch über den eigenen Online-Shop. Das Modelabel verschickt einen Newsletter, macht Werbung in Social Media, nutzt AdWords und Google-Shopping, um auf sich aufmerksam zu machen. Viele Startups müssen das Know-how für solche Marketing-Strategien teuer einkaufen. „Wir nicht. Wir brauchen keine Agentur, weil ich alles selbst mache“, sagt Moore. „Mein Marketing-Background ist für Mates of Nature sehr nützlich.“

63 Prozent des Umsatzes kommen über die organische Suche

Anzeigen auf Facebook und Instagram liefern bisher nicht ganz die gewünschten Ergebnisse. „Unsere Produkte sind wegen des Materials erklärungsbedürftig“, glaubt Moore. Zugleich beschert der Kork dem veganen Taschen-Label aber einen Marketing-Vorteil: Veganer sind wählerisch, wissen oft genau, was sie wollen, und suchen so lange, bis sie es gefunden haben. Laut Moore greifen da vor allem Bemühungen, Mates of Nature in Sachen SEO zu stärken. Rund 35 Prozent des Traffics und 63 Prozent des Umsatzes sollen nach eigenen Angaben über die organische Suche kommen. Das Statistiktool SimilarWeb weist für die vergangenen sechs Monate sogar einen SEO-Anteil von rund 60 Prozent am Gesamttraffic aus. „Unsere Kunden sind sehr recherchefreudig“, bestätigt die Firmengründerin. In der Veganer-Szene erfreut sich das Startup denn auch einer besonders großen Beliebtheit. „Vegane Modeblogger, Instagramer und Co. sind begeistert von unseren Produkten und bloggen aus Überzeugung über uns“, berichtet Moore.

Ethik-Überlegungen bei neuen Vertriebskanälen

In den kommenden Monaten will die Marketingexpertin ihre Firma noch bekannter machen, den Absatz ankurbeln. „Wir wollen weitere Portale testen, vielleicht sogar Amazon“, sagt sie. Die Auswahl neuer Vertriebskanäle ist nicht so einfach, weil auch Ethik-Überlegungen eine Rolle spielen. Mates of Nature, der vegane, nachhaltige Taschenproduzent, muss glaubwürdig bleiben. Ledertaschen neben den Kork-Portemonnaies könnten Interessenten abschrecken. Auch abseits des Internets sucht Moore nach neuen Wegen, ihre Produkte zu vermarkten. Sie will etwa stärker mit ausgewählten Mode-Shops kooperieren. „Boutiquen anzusprechen und zu besuchen ist sehr zeitaufwändig. Das machen wir eher nebenbei, wenn es zeitlich passt“, sagt sie. Die Mühe lohne sich aber: „Es wirkt professioneller, wenn man auch offline vertreten ist.“

Pickawood: Selbst ist der Mann

Pickawood-Mitgründer Tim Ehling

Pickawood-Mitgründer Tim Ehling. Quelle: Pickawood.com

Pickawood verkauft Möbel, die man sich auf der Homepage mit einem Konfigurator individuell zusammenstellen kann. Tim Ehling ist einer der Gründer. Auch er verfügt über langjährige Erfahrung im Online-Marketing, hat sich schon während des Studiums mit dem Thema SEO beschäftigt und Websites für Bekannte gebaut. Später war er zwei Jahre lang als freiberuflicher Online-Marketing-Berater aktiv, gründete im Jahr 2008 schließlich seine eigene Agentur mit dem Fokus auf Suchmaschinenmarketing und Conversion-Optimierung. „Ich habe mich immer darüber geärgert, dass man als externe Agentur nicht unbedingt die Möglichkeit hat, Änderungen auf den Internetseiten seiner Kunden vorzunehmen“, sagt er. Website-Optimierung war vielen Unternehmen vor zehn Jahren noch kein Begriff. „Das war einer der Gründe, warum ich Pickawood mitentwickelt habe“, so Ehling. Er wollte es besser machen als seine Kunden.

6.000 verkaufte Möbel 2017

Im Jahr 2012 ging die Möbel-Firma an den Start. Mittlerweile beschäftigt sie 18 Mitarbeiter in Hamburg, plus eine Handvoll Entwickler in Prag. Im vergangenen Jahr verkaufte Pickawood rund 6.000 Möbelstücke und landete im Gründerszene-Ranking zum dritten Mal in Folge unter den 50 am schnellsten wachsenden Startups in Deutschland. Ehling hat das Firmenkonzept mit erarbeitet und die erste Online-Marketing-Kampagne konzipiert. Danach zog er sich erst einmal zurück und kümmerte sich um ein weiteres Projekt: eine Plattform für Online-Games. Nachdem er diese im Jahr 2015 an die Hamburger Gamigo AG verkauft hatte, stieg er wieder bei Pickawood ein. Seitdem ist er einer von zwei Geschäftsführern, kümmert sich um E-Commerce und Marketing. Das kommt dem Unternehmen zugute: „Eine Firma dieser Größe hätte es normalerweise schwer, für das Marketing jemanden mit meiner Erfahrung zu finden“, erklärt der Firmengründer selbstbewusst.

Trafficverlauf der vergangenen zwei Jahre für pickawood.com (Quelle: SimilarWeb)

Tracking für Fortgeschrittene

Ehling legt den Fokus stark auf Suchmaschinenmarketing und schaltet Banner auf dem Google-Display-Netzwerk. „Im Suchmaschinenbereich sind wir gut aufgestellt. Dort können wir den Traffic sehr zielgerichtet abgreifen“, sagt er. Daneben wirbt Pickawood auf Facebook und im TV. „Wir setzen stark auf Diversifizierung bei den Traffic-Kanälen“, sagt Ehling. „Die derzeit wichtigsten Wachstumstreiber für uns sind direkte Kooperationen, Facebook und klassische Newsletter-Kampagnen.“ Facebook biete den Vorteil, Kampagnen automatisch auf individuelle Ziele ausrichten und darauf optimieren zu können. „Man muss aber immer aufpassen, ob es sich um Post-Klick- oder Post-View-Conversions handelt“, warnt der Marketingprofi. „Ein Abgleich mit den eigenen Trackingzahlen ist deshalb ratsam.“ Ein großer Teil seiner Arbeit bestehe darin, herauszufinden, über welche Wege Kunden zu Pickawood kommen, welche Marketingkanäle sich also lohnen. Das ist gar nicht so einfach: Erstens sind Möbel ein vergleichsweise teures Konsumgut. Wenn Ehling über einen bestimmten Kanal nur einen einzigen Kunden gewinnt, hat sich der Aufwand oft finanziell schon gelohnt. Für seine Kundenstatistik nutzt ihm aber eine Einzelbestellung nichts. Zweitens liegen zwischen Erstkontakt und Bestellung im Schnitt zwölf Wochen. Cookies halten nicht so lange. „Das Tracking ist deshalb für uns sehr schwierig“, erklärt Ehling.

Pickawood bekommt einige hundert Bestellungen pro Monat. Um den Absatz zu steigern, sucht Ehling stetig neue Marketingkanäle. „Wir testen mit Rabatt-Codes, ob ein Kanal für uns funktioniert“, sagt er. Dahinter steht das Ziel, zunächst eine ausreichend große Datenbasis für Erfolgsanalysen zu schaffen. In den kommenden Monaten will Ehling Facebook und einige andere Marketingkanäle ausbauen. „Auf Youtube würden wir auch gerne noch mehr machen“, sagt er. Mittelfristig will er mit Pickawood hoch hinaus: Pläne für eine internationale Expansion liegen schon in der Schublade.

okäse.de: Alles Käse im Internet

Okäse-Gründer Mauro Nucaro

Okäse-Gründer Mauro Nucaro (Bild: Okäse.de)

Mauro Nucaro ist ein echter Käse-Fan. „Ich esse unglaublich viel Käse. Gerade stehe ich total auf einen 18 Monate alten Comté“, erzählt er. Nucaro ist außerdem Online-Shopping-Fan. „Meine Freunde und ich kaufen fast alles, was wir brauchen, im Internet“, sagt er. Bis vor kurzem gingen diese beiden Leidenschaften nur schwer zusammen. Der Online-Food-Markt ist in Deutschland weiterhin klein, das Käse-Angebot im Internet mau. Nucaro beschloss, Abhilfe zu schaffen – für sich selbst und alle anderen Käse-Freunde.

Im Sommer 2017 rief der Kölner den Online-Shop OKäse ins Leben. An der virtuellen Käsetheke gibt es eine beachtliche Auswahl: Von diversen Blauschimmel-Sorten über Appenzeller und Gruyère bis hin zu Weichkäsen wie Büffelmozzarella und Burrata finden Käseliebhaber jede Menge Leckerbissen, die sie sich gekühlt in recycelbaren Verpackungen nach Hause liefern lassen können. Der junge Shop ist gut angelaufen. „Unsere Verkäufe steigen von Monat zu Monat, die Reichweite auch“, berichtet Nucaro. Kein Wunder: Der Firmengründer ist im Hauptberuf Online-Marketing-Profi und legt sich für sein erstes eigenes Unternehmen richtig ins Zeug.

Wann kommt Pinterest-Werbung?

Nucaro arbeitet 32 Stunden pro Woche in der Marketingabteilung eines Kölner Rucksackherstellers. Wenn er Lust hat, übernimmt er außerdem Marketing-Aufträge als Freelancer. Dazu kommen pro Woche 30 bis 40 Stunden Arbeit für OKäse. „Das klingt viel. Aber das eigene Projekt ist einfach etwas Besonderes. Es fühlt sich nicht an wie Arbeit“, sagt er. Dabei macht Nucaro bei seinem Käse-Versand bisher die Hauptarbeit alleine, unterstützt nur von zwei Mitarbeitern. „Ich bin alleiniger Gründer und kümmere mich im Prinzip um alles“, sagt er. „Am meisten Spaß macht mir natürlich das Marketing.“ Nucaro will mit OKäse auf allen relevanten Kanälen präsent sein. Er betreibt Suchmaschinenmarketing, schaltet Anzeigen auf Facebook und baut gerade einen E-Mail-Verteiler auf. „Dieser Marketing-Mix funktioniert sehr gut“, sagt er. Drei Viertel des Traffics kommen momentan über Facebook, Instagram und Search. Für die Zukunft setzt Nucaro zudem große Hoffnungen in Pinterest: „Ich brenne darauf, dass Pinterest-Werbung endlich in Deutschland ankommt“, sagt er. „Ich glaube, das ist genau die richtige Plattform für OKäse. Wir bereiten uns jetzt schon intensiv darauf vor. Und mindestens genauso heiß bin ich auf Snap Ads.“

Okäse-Website

Okäse-Website

Nachhaltigkeit kommt gut an

Das Feedback falle bisher ausgesprochen positiv aus, berichtet Nucaro. Vor allem die nachhaltige Verpackung aus Hanf statt Styropor komme bei den Kunden gut an. An Ideen fehlt es dem Gründer mit Online-Marketing-Background nicht: In Zukunft möchte er gern Käse-Tastings veranstalten, zunächst in seiner Heimatstadt Köln. „Da könnte ich zum Beispiel mit Weinhändlern zusammenarbeiten“, sagt er. „Käse und Wein passen schließlich perfekt zusammen.“ Und das wäre vielleicht auch ein Schritt, der das nebenberufliche Geschäft des Marketing-Profis zur Hauptbeschäftigung machen könnte.

JG
Autor*In
Julia Groth
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