Apple drängt App-Entwicklern das Abo-Modell auf – deswegen gibt es jetzt Abo-Tool-Startups

Das "Mobile Subscription"-Tool Revenuecat hat 15 Millionen US-Dollar eingesammelt

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"Wenn der große Apfel spricht, haben die kleinen Entwickler Folge zu leisten" – in etwa dieses Bild will Epic Games offenbar mit dem Video "Nineteen Eighty-Fortnite" vermitteln. Das Video ist eine Persiflage eines legendären Apple-Werbespots aus den 80ern und Teil einer Kampagne, mit der sich Epic Games gegen die App-Store-Konditionen Apples auflehnt

Wie kann man auch in Zukunft mit Apps gutes Geld verdienen? Diese Frage wird in der Entwicklerszene aktuell heiß diskutiert. Denn seitdem Apple im Jahr 2008 den App Store ins Netz gebracht hat, hat sie die App Economy stark verändert. Zuletzt hat Apple die Developer immer stärker in Richtung Abo-Modelle gedrängt. Deswegen entstehen nun erste Tech-Startups, die Entwicklern das Anbieten und Verwalten von Abos erleichtern wollen. OMR erklärt die Hintergründe und zeigt aufstrebende „Mobile Subscription Tool“-Anbieter.

35 Millionen neue Abonnements hat Apples Service-Sparte im zurückliegenden Quartal hinzugewonnen, wie Finanzchef Luca Maestri im Earnings Call bekannt gab. Mehr als 550 Millionen Abonnements verzeichnet der Konzern aus Cupertino nach eigenen Angaben damit insgesamt. Darunter fallen zwar auch Abos für Apple-eigene Services wie Apple Music oder iCloud. Doch der Großteil geht auf Third-Party-Apps zurück, wie der Apple-Blog 9to5Mac schreibt – also auf Apps von externen Entwicklern, die diese über den App Store anbieten und für die Apple die Abwicklung der Abonnements übernimmt. „Angesichts dieses Schwungs verbleiben wir zuversichtlich, dass wir unser bereits höher gestecktes Ziel von 600 Millionen bezahlten Abonnements noch vor dem Ende des Kalendarjahres 2020 erreichen werden“, so Maestri.

Apple drängt Entwickler auf geheimer Konferenz zum Abo-Modell

13,1 Milliarden US-Dollar Umsatz generierte Apples Service-Sparte im zurückliegenden Quartal. Das ist mehr, als der Konzern mit dem Verkauf von Macs oder iPads umsetzt. Und Apple will das Services-Geschäft offenbar noch stärker pushen – wohl auch, weil die iPhone-Verkäufe langsam die Wachstumsgrenze erreicht haben. Einem Bericht von Bloomberg zufolge baut das Unternehmen aus Cupertino an einem Abo-Bundle namens „Apple One“, dessen Basic-Version Apple Music („Apples Spotify“) und Apple TV+ („Apples Netflix“) umfassen soll. Zu einem höheren Preis soll es dann auch Pakete mit Apple News+, iCloud sowie einem neuen Produkt rund um virtuelle Fitness-Kurse geben.

Doch offensichtlich will Apple auch die Einnahmen aus Abos von Apps unabhängiger Entwickler steigern. Schon seit einigen Jahren drängt das Unternehmen die Developer dazu, auf Abonnements statt auf eine einmalige Zahlung für den Erwerb der App zu setzen. Bereits 2017 soll es laut einem Bericht von Business Insider (Paywall) in New York ein geheimes Meeting von Apple mit Entwicklern gegeben haben, bei dem der Konzern die App-Macher zu einem solchen Schritt „ermutigt“ haben soll. Wer auf Bezahl-Apps setze, werde künftig eine Umsatzgrenze erreichen, so die implizite Botschaft. Als Anreiz bot Apple den Abo-App-Anbietern neue Konditionen: Im ersten Jahr müssen sie immer noch 30 Prozent ihrer Einnahmen an Apple abtreten, danach sinkt der Anteil jedoch auf 15 Prozent.

„Das löst Abscheu aus“

App-Entwickler, die diesen Schritt mit Apple mitgingen, konnten im besten Fall riesige Unternehmen aufbauen – so wie die israelische Firma Lightricks, die diverse Bildbearbeitungs-Apps im App Store anbieten. Wer heute Erfolge wie Facetune und Enlight herunterlädt, muss für deren Nutzung (zumindest des kompletten Funktionsumfangs) mittlerweile ein Abo abschließen. Drei Millionen Menschen hätten das bislang getan, verkündete Lightricks im Sommer 2019, nachdem das Unternehmen im Rahmen eines Series-C-Fundings 135 Millionen US-Dollar eingesammelt hatte, was seine Bewertung laut Venturebeat auf über eine Milliarde US-Dollar steigen ließ.

Doch Apples Drängen hin zu Abo-Modellen kommt nicht bei allen Entwicklern gut an. Oliver Reichenstein, Entwickler der Text-Editor-App iA Writer, etwa, ging gerade in einem Interview in der Süddeutschen Zeitung sowie in einem langen englischsprachigen Text im iA-Blog gegen den Siegeszug des Abo-Modells auf die Barrikaden: „Wir mögen dieses System der Zwangsmieten nicht. Und wir haben unsere Kunden gefragt. Die bloße Vorstellung löst Abscheu aus.“ Doch Apple würde die App-Entwickler indirekt zu solch einem Schritt zwingen: „Entwickler, die kein Abo anbieten, verlieren an Sichtbarkeit und werden von Apples Algorithmen abgestraft. Auch deshalb wechseln so viele Apps auf ein Modell zum Mieten, obwohl es die Nutzer ablehnen“, so Reichenstein. Apple würde im App Store und in Marketingmateralien eher Abo-Apps featuren, also (aus Sicht der App-Entwickler) kostenlos bewerben.

Paradiesapfel „Recurring Revenue“

Hinzu kommt, dass Apple keinerlei Spaß versteht, wenn die Entwickler versuchen, Apples Bezahl-Infrastruktur zu umgehen, um sich die Provision zu sparen. Gaming-Schwergewicht Epic Games, Entwickler des Super-Erfolges Fortnite (hier unser Artikel über das Spiel) musste gerade, nach einer bewussten Provokation im Rahmen einer gezielten Kampagne, erleben, wie Fortnite aus dem App Store verbannt wurde. Mittlerweile streiten beide Parteien vor Gericht über die Rechtmäßigkeit der App-Store-Konditionen.

Trotzdem: Viele Entwickler in der App Economy glauben offenbar, dass sich der Trend hin zu Abo-finanzierten Modellen eher noch verstärken wird – dürfte die Aussicht auf „recurring revenue“, also wiederkehrendes Einkommen, doch für die meisten Entwickler verführerisch sein. Eine Reihe von Startups will nun dieser Entwickung Rechnung tragen und versuchen, von ihr zu profitieren – indem sie Entwicklern Tools anbieten, mit denen diese ein „Mobile Subscription Business“ aufbauen können.

„Apple sorgt sich um die Endverbraucher, nicht um Entwickler“

Das US-Startup Revenuecat beispielsweise bietet eine Software an, mit der Entwickler betriebssystemübergreifend ihre Abos managen, Zahlungen und Rechnungen verwalten sowie Daten über ihre Nutzer sammeln können. Für die Nutzer sei es leicht, ein Abo auf dem iPhone abzuschließen, für App-Entwickler die Einrichtung einer Abo-Funktion ein K(r)ampf, so Mitgründer Jacob Eiting gegenüber Business Insider. „Apple sorgt sich weit mehr um die Nutzungserfahrung der Endverbraucher als um die der Entwickler.“ Um ein Gefühl für die Malaise der Entwickler zu bekommenm müsse jeder neue Revenuecat-Mitarbeiter zum Start einmal Apples Unterlagen für Entwickler über den Abo-Bezahlprozess durchlesen.

Eiting und sein Mitgründer Miguel Carranza kennen diese Probleme aus eigener Erfahrung: Sie haben unter anderem die „Gehirnjogging“-App Elevate entwickelt und zum Erfolg geführt. Aus den Tools, die sie damals zu bauen anfingen, um ihre Abos zu verwalten, wurde 2017 Revenuecat. 2018 nahm das Unternehmen am renommierten US-Startup-Accelerator-Programm Y Combinator teil. Mittlerweile soll Revenuecats Tool in insgesamt 3.000 Apps Verwendung finden, etwa in der Angler-App Fishbrain (nach eigenen Angaben mehr als zehn Millionen Nutzer), in der Kalorienzähl-App Foodvisor und dem Schlaf-Tracker Pillow.

Revenuecat soll schon 60 Millionen US-Dollar wert sein

Zuletzt hat Revenuecat nach eigener Darstellung stark von dem von Corona verursachten Digitalisierungs-Push profitiert. Die Zahl der Neukunden habe sich innerhalb eines Monats verdreifacht, heißt es im Firmenblog. „Das hat fast alles in der Firma kaputtgemacht. Der Support war komplett überlastet, die Server schmolzen und wir waren zu Hause gefangen“, schreibt dort Jacob Eiting.

Vielleicht mit ein Grund dafür, dass Revenuecat im Rahmen einer Series-B-Runde gerade 15 Millionen US-Dollar eingesammelt hat. Die Firmenbewertung soll sich laut Business Insider jetzt auf 60 Millionen US-Dollar belaufen. Lead-Investor war die renommierte US-VC-Firma Index Ventures, auch US-Tech-Szene-Größen wie Jason Lemkin und Harry Stebbings haben Geld gegeben.

Auch andere Startups wollen sich ein Stück vom Kuchen sichern

Das Investment soll mehr Wachstum ermöglichen, bis zum Ende des Jahres soll Revenuecat von aktuell 17 auf dann 40 Mitarbeiter wachsen, wie Eiting gegenüber Crunchbase erklärte. Darüber hinaus will Revenuecat den Funktionsumfang der Software erweitern. Zuletzt hatte das Unternehmen ein Feature vorgestellt, mit dem die App-Entwickler verschiedene Preispunkte für ihr Abo testen können, um ihren Umsatz zu maximieren – „Subscription Yield Management“ sozusagen.

Revenuecat ist zudem nicht das einzige Unternehmen, dass mit seinem Geschäftsmodell auf den wachsenden Markt der Abo-Apps schielt. Wer Google mit entsprechenden Keywords füttert, stößt beispielsweise auf Apphud und Apptilaus. Qonversion, von einem russischen Team gegründet und mittlerweile offenbar ins Silicon Valley umgesiedelt, hat gerade ein Seed-Funding von 850.000 US-Dollar aufgenommen. Lead-Investor war der Fund LVL1, hinter dem der russische Unternehmer Lev Leviev steht, u.a. Mitgründer des Netzwerks VKontakte. „App Annie schätzt, dass Verbraucher im Jahr 2019  120 Milliarden US-Dollar in App Stores ausgegeben haben. In-App Abos haben von etwa rund ein Drittel ausgemacht“, wird Leviev in einem Bericht von Martechseries zitiert. „Dieser Bereich wächst extrem schnell und verlangt nach einer eigenen Infrastruktur. Qonversion bietet das beides und ist die Lösung, die der Markt benötigt.“

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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