Von Mary Meeker empfohlen: 6 Online-Shops, von denen sich gerade am meisten lernen lässt

Torben Lux1.8.2017

Die Tipps aus der jährlichen Präsentation sind ein Must-See für jeden E-Commerce'ler

Mary Meeker FB

Einmal im Jahr schaut sich die digitale Marketing-Branche gemeinsam eine Präsentation an: Mary Meekers Internet Trends. Auf hunderten Folien erklärt die Partnerin der VC-Firma Kleiner Perkins Caufield & Byers dann, auf welche Entwicklungen man besonders schauen sollte. Extrem viel Inhalt, bei dem man schnell mal etwas übersehen kann – sechs extrem spannende E-Commerce-Unternehmen zum Beispiel. OMR stellt diese deshalb vor und erklärt, was sie so besonders macht.

Chewy.com: Dank starkem Kundenservice zum größten E-Commerce-Exit aller Zeiten

Die Auflistung beginnt mit einem Superlativ, von dem man extrem viel lernen kann. Der Online-Shop für Haustier-Nahrung und -Zubehör Chewy.com wurde erst Mitte 2011 gegründet, schon im ersten Quartal 2016 soll er laut einer Studie der Analyse-Plattform 1010data einen Marktanteil von über 50 Prozent erreicht haben; alleine zehn Prozent würde dabei von Abos stammen. Zum Vergleich: Amazon zeichnet sich der Studie zufolge für knapp 35 Prozent aller Sales in dem Bereich verantwortlich. Nach rund 900 Millionen (allerdings noch nicht profitablen) US-Dollar Umsatz im Jahr 2016 ging das Unternehmen im April dieses Jahres dann für 3,35 Milliarden US-Dollar an den Offline-Konkurrenten PetSmart – Rekord-Exit in der E-Commerce-Branche.

Was aber macht den jungen Shop so erfolgreich? Laut Mary Meeker ist ein wichtiger Faktor die sehr dankbare Zielgruppe: Haustier-Besitzer würden nur wenig zurückschicken; Chewy.com hätte demnach kein großes Retouren-Problem, wie es zum Beispiel bei Mode-Shops der Fall ist. Und vielleicht noch wichtiger: Dank sehr gutem Kundenservice hat sich um den Shop eine echte Kunden-Community gebildet, die mit Chewy.com interagiert. Vor allem auf Facebook schicken Haustier-Besitzer immer wieder Fotos, auf denen ihre Hunde und Katzen im, auf oder neben einem Karton des Shops zu sehen sind. Häufig sind dazu Kommentare wie “I order everything from there! They have great prices and wonderful customer service!” zu lesen. Chewy.com feuert das Engagement der Community mit Aktionen wie dem #fanfriday an, an dem sie die besten Fotos selbst auf ihrer Facebook-Seite (fast 500.000 Fans) posten.

Große und aktive Community ohne viralen Cat-Content

Dass sowohl das Community-Management, als auch Abwicklung des Bestellvorgangs und Lieferung sehr gut ankommen, zeigen auch die von Google gesammelten Reviews: Bei rund 317.000 Bewertungen kommt Chewy.com auf fünf Sterne und 99 Prozent positive Reaktionen. Um das hohe Niveau halten zu können, hat das Unternehmen massiv in Personal investiert – von insgesamt 3.700 Mitarbeitern sollen 450 im Kundenservice tätig sein, die das ganze Jahr über rund um die Uhr telefonisch erreichbar sind.

Einen kleinen Kritikpunkt haben wir aber trotzdem, auch wenn Chewy.com das bei besagtem Wachstum recht egal sein dürfte: Zu welchem Geschäftsmodell passt klassischer Cat-Content besser, als zu einem Online-Shop für Haustierbedarf? Beim Video-Thema scheint das Unternehmen bisher trotzdem wenig Zeit und Geld investiert zu haben. Dabei wäre es vermutlich recht einfach, die sowieso schon lebendige Community zu aktivieren, Videos ihrer Haustiere bspw. beim Auspacken von Chewy.com-Paketen zu filmen. Compilations dieser Art bringen sowohl auf Youtube, als auch auf Facebook gute Reichweiten. Auf beiden Plattformen passiert bei Chewy.com allerdings nur wenig in Sachen Bewegtbild. Die Facebook-Videos der letzten Wochen kommen trotz fast 500.000 Fans meistens nicht über vierstellige Abrufzahlen hinaus, bei Youtube hat der erfolgreichste Clip nur 28.000 Aufrufe. Viel anders dürfte es auch bei den sieben auf der Startseite eingebunden Ratgeber-Videos nicht aussehen.

Glossier: Vom Blog zum gehypten Beauty-Startup

Noch ein Thema, das im Social Web seit Jahren massiv Reichweiten generiert: Beauty. Dass Schmink-Tutorials & Co. eine riesige Zielgruppe haben, mag daher keinen mehr überraschen. Dass die “Nische” aber so groß ist, dass auch heute noch aus Blogs in kürzester Zeit millionenschwere E-Commerce-Unternehmen werden, ist dann vielleicht doch eine Erwähnung wert. Das dachte sich wohl auch Mary Meeker, als sie Glossier während ihrer Präsentation auf Recodes Code Conference mit nur einem Satz beschrieb: “They are fantastic at content marketing.”

Emily Weiss gründete Glossier 2014, nachdem sie schon seit 2010 ihren eigenen Beauty-Blog “Into the Gloss” erfolgreich aufgebaut hatte, während sie hauptberuflich noch bei der US-Ausgabe der Vogue angestellt war. “Into the Gloss” dient seitdem als Content-Marketing-Vehikel mit 1,5 Millionen Lesern im Monat. Und Glossier wurde mit Produkten wie Augenbrauengel und Gesichtscreme in Rekordzeit zu einem der gehyptesten Beauty-Startups überhaupt. Nach der letzten Finanzierungsrunde im November 2016 in Höhe von 24 Millionen US-Dollar wuchs das insgesamt eingesammelte Kapital auf 34,4 Millionen US-Dollar. Das Wachstum verdreifachte sich laut Gründerin Emily Weiss in den vergangenen zwölf Monaten. Aktuell bietet das Unternehmen 22 Produkte an (mehr sollen folgen), beschäftigt über 100 Mitarbeiter und kündigte jüngst die Expansion nach Kanada, Großbritannien und Frankreich an.

Ob Emily Weiss das laut Mary Meeker so fantastische Content Marketing bei der Vogue, ihrem Blog oder dem Auftritt bei MTVs Reality-Format “The Hills” 2007 gelernt hat, spielt eigentlich keine Rolle. Klar ist auf jeden Fall, dass es funktioniert. Neben den Lesern von “Into the Gloss” kann Glossier nämlich nicht nur 660.000 Abonnenten bei Instagram und 133.000 Facebook-Fans vorweisen. Viel wichtiger dürften die inzwischen über 500 “Reps” sein – Markenbotschafter, die als Influencer an einem klassischen Referral-Programm teilnehmen. Sie promoten auf ihren eigenen Blogs und Social-Media-Profilen Glossier-Produkte und erhalten bei Käufen eine Affiliate-Provision.

Untuckit: Mit Männer-Hemden in perfekter Länge zur 200-Millionen-Bewertung

Dass Mary Meeker tatsächlich vom Geschäftsmodell der Nummer drei der Liste “Online-Shops to watch” überzeugt ist, zeigte sich spätestens wenige Tage nach der Veröffentlichung ihrer jährlichen Präsentation: Kleiner Perkins investierte 30 Millionen US-Dollar in Untuckit – angeblich bei einer Bewertung von 200 Millionen US-Dollar.

Untuckit löst dabei ein Problem, das sie selber gar nicht betreffen dürfte. Dafür hatten aber die Gründer Aaron Sanandres und Chris Riccobono lange damit zu kämpfen, Hemden zu finden, die auch gut aussehen, wenn man sie nicht in die Hose steckt. Die Idee zu Untuckit war geboren, 2011 ging das Unternehmen an den Start. Zwar hat das Startup inzwischen eine ganze Bandbreite an Klamotten für Männer und Frauen im Portfolio. Das Hemd in perfekter Länger steht aber bis heute im Zentrum der Marketing-Strategie.

Die Message ist einfach zu verstehen (“Shirts designed to be worn untucked”) und wird sowohl online, als auch offline – zum Beispiel in acht eigenen Stores – verbreitet. Vor allem Werbespots bei Sportradiosendern und in Print-Magazinen von Airlines sollen besonders effektiv gewesen sein.

Allbirds: Das Silicon Valley trägt Sneaker aus Wolle

Es geht weiter um Mode, jetzt aber für den Fuß. 2015 gründeten Joey Zwillinger und der ehemalige neuseeländische Fußball-Profi Tim Brown Allbirds. Das Unternehmen produziert und vertreibt die nach eigenen Angaben “world’s most comfortable shoes” – aus Wolle. Bei einer Kickstarter-Kampagne 2014 erreichte das Startup schon nach wenigen Tagen mehr als das ursprüngliche Finanzierungsziel von 100.000 US-Dollar, zwei Jahre später sammelte Allbirds in zwei Runden (Seed und Serie A) knapp 10 Millionen US-Dollar ein. Mary Meeker schätzt das innovative Produkt und die einfache Auswahl auf der Website; für Männer und Frauen stehen jeweils nur zwei Modelle zur Auswahl. Ob Meeker selber auch welche trägt, ist leider nicht bekannt.

Jüngst sprach auch Scott Galloways Marktforschungsunternehmen L2 dem gesamten Markenauftritt des Sneaker-Startups ein großes Lob aus. Neben dem Fokus auf das Produkt sei vor allem die Inszenierung in der Verpackung sehr positiv aufgefallen – das Resultat sind Unpacking-Videos von begeisterten Kunden.

Trendyol: Der E-Commerce-Champion der Türkei

Am Ende wirft Mary Meeker noch einen Blick nach Europa – und landet nicht etwa in London oder Berlin, sondern in der Türkei. Trendyol ist nach eigenen Angaben der größte Fashion-Retailer des Landes, gegründet von Demet Mutlu während ihres Studium in Harvard 2009. 2016 will das Unternehmen 20 Millionen Produkte verkauft haben, bei einem hochgerechneten Jahresergebnis von 350 Millionen US-Dollar. Das in Meekers Augen (aber eigentlich) Besondere an Trendyol: Der Retailer setzt stark auf Eigenmarken, die 38 Prozent des Umsatzes ausmachen sollen. Zudem befinden sich die rund 1.000 Lieferanten alle in einem 50-Kilometer-Umkreis um den Hauptsitz in Istanbul – das bedeutet schnelle Lieferzeiten und drückt die Preise. In drei Runden konnte das Unternehmen bisher knapp 37 Millionen US-Dollar einsammeln. Bei der Serie C 2011 in Höhe von 25 Millionen US-Dollar war – Überraschung – übrigens auch Kleiner Perkins beteiligt.

MM.LaFleur: Stilvolle Business-Kleidung für Frauen

Mit 27 hatte Sarah LaFleur genug von ihrem Job im Finanzwesen und machte sich 2011 an die Gründung von MM.LaFleur. Der Online-Shop sollte ein Problem beheben, das sie selber in ihrem Berufsleben häufig hatte: Man muss zwar Business-Outfits tragen, will dabei aber trotzdem modisch und schick aussehen. Zu diesem Zweck bietet MM.LaFleur eine Online-Verkaufsberatung, ähnlich wie man sie hierzulande von Outfittery, Zalon (Zalando), Kisura & Co. kennt und verschickt fertige Outfits in Boxen. Zusätzlich ist MM.LaFleur seit ein paar Monaten mit einem Store in Washington D.C. direkt vor Ort. Meeker schätzt vor allem die Beziehung zwischen Kunden und Mode-Beratern, die zu starken Werten bei wiederkehrenden Kunden führen.

Hier könnt Ihr alle 355 Folien der Präsentation „Internet Trends 2017“ von Mary Meeker anschauen. 

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Torben Lux
Autor*In
Torben Lux

Torben ist seit Juni 2014 Redakteur bei OMR. Er schreibt Artikel und Newsletter, plant das Bühnenprogramm des OMR Festivals, arbeitet an der "State of the German Internet"-Keynote, betreut den OMR Podcast und vieles mehr.

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