Dieser Franzose kam mit nichts in der Tasche nach New York, lernte mit Gary Vaynerchuks Buch Englisch und verdient heute mit nur einem Snapchat-Werbepost $35.000

Jerome Jarre (Foto: TEDxYOUTH)

Jerome Jarre ist einer der größten Stars der Social-Media-Welt

Jerome Jarre (Foto: TEDxYOUTH)

Jerome Jarre (Foto: TEDxYOUTH)

Die Geschichte klingt, als habe Hollywood ein Märchen für die digitale Generation erzählen wollen: Der Franzose Jerome Jarre soll 2013 als 23-Jähriger mit nur 400 US-Dollar und zwei kleinen Koffern nach New York gekommen sein. Mittel- und wohnungslos schläft er nachts in einem Büro auf dem Fußboden; tagsüber dreht er Videos mit dem Smartphone. Mit lustigen, aufmunternden Kurzfilmchen baut er sich nach und nach ein Publikum auf. Heute folgen Jarre auf diversen Internetplattformen Millionen von Menschen; als Internetstar kann er von seiner Tätigkeit leben – und zwar offenbar mehr als gut.

Die Zahlen sind beeindruckend: 8,1 Millionen Follower folgen Jerome Jarre auf der Sechs-Sekunden-Video-Portal Vine (das mittlerweile zu Twitter gehört) und seine „Loop“-Videos liefen dort mehr als eine Milliarde Mal. Über die Plattform Snapchat schickt Jarre außerdem kurze Videos und Schnappschüsse, die nur einmalig abrufbar sind, an mehr als anderthalb Millionen Freunde. Hinzu kommen seine Reichweiten auf Youtube (900.000 Abonnenten und 22,5 Millionen Views), Instagram (1,8 Millionen Follower), Facebook (1,6 Millionen Fans) und Twitter (1,12 Millionen Follower).

Daran, dass der junge Franzose einmal so beliebt und erfolgreich sein würde, dürfte vor wenigen Jahren noch kaum einer geglaubt haben – selbst er nicht. Glaubt man seinen eigenen Erzählungen, war der heutige Internetstar als Teenager ein unsicherer Außenseiter. Mit 19 bricht Jarre sein Wirtschaftsstudium und seine Zelte in Frankreich ab und reist nach China, wo er zum ersten Mal unternehmerisch tätig wird. Seine Reise führt ihn weiter nach Toronto. Dort scheitert er mit einem weiteren Startup: einem Event-Plan-Service namens Atendy. In dieser Zeit taucht plötzlich die App Vine neu in Apples App Store auf. Mit ihr können die Nutzer Kürzestfilme aufnehmen und verbreiten; die Filme werden in einem „Loop“ in Schleife wiedergegeben. An einem Abend in einer Bar in Toronto dreht Jarre ein albernes kleines Tanzvideo vor dem Toilettenspiegel. „Bis ich wieder an meinem Platz war, hatte ich schon 16 Likes“, zitiert die New York Times Jarre in einem lesenswerten Porträt. Diese Erfahrung hinterlässt bei ihm offenbar einen bleibenden Eindruck: „Ich war fasziniert davon, dass 16 Menschen, die ich nie getroffen hatte, mein Video gesehen und geliket hatten.“

Albernes Tanzvideo als Aha-Erlebnis

Jarre zieht einen Schlussstrich unter seine Zeit in Toronto, setzt alles auf eine Karte und kauft ein One-Way-Bus-Ticket nach New York. Dort angekommen, dreht er jeden Tag „Vines“. Unverkennbar werden diese vor allem durch seinen starken Akzent: Mit einer Audioversion des Buches „Crush it“ von Social-Media-Ikone Gary Vaynerchuk hat Jarre zwar Englisch gelernt – seine französische Herkunft bleibt aber nicht zu überhören. Die Filme sind meist recht albern: In einem seiner bekanntesten Vine-Loops fragt Jarre in die Kamera „Warum nur hat jeder Angst vor Liebe?“ – und erschrickt in der nächsten Szene eine Dame beim Einkaufen, indem er ihr beim Einkaufen „Liebe!“ über die Schulter ins Ohr brüllt.

Auf seinen anderen Social-Media-Profilen konzentriert er sich auf simple, positive Botschaften: „Jeder Moment gehört Dir, tu mit ihm was Du willst!“, „Das Leben geht weiter, das ist das Beste daran“, oder „Glück entsteht im Kopf. Du schaffst es mit Deinen Gedanken“, lautet etwa eine Auswahl seiner jüngsten Tweets. Gleichzeitig kommuniziert er regelmäßig mit vielen Fans. In den ersten Monaten nach dem Vine-Launch schießen Jarres Followerzahlen raketenartig in die Höhe. Die bekannte US-Schauspielerin Ellen DeGeneres zeigt den „Liebe!“-Clip in ihrer Sendung; drei Monate später ist Jarre selbst in der Show zu Gast. Schritt für Schritt baut Jarre so eine enorme Reichweite auf. Er lernt seinen einstigen Mentor Gary Vaynerchuk kennen – und baut mit ihm gemeinsam unter dem Namen Grapestory eine eigene Einheit für Vine-Stars in dessen Agentur auf.

Spontane Meet&Greets sorgen für Massenaufläufe

Heute wird Jarre nicht nur in den USA auf der Straße erkannt: Sowohl in Brasilien als auch in Island standen bei spontan von ihm über seine Social-Media-Profile anberaumten Kennenlern-Treffen plötzlich mehrere Tausend Fans vor ihm. Diese Bekanntheit und Reichweite kann der Internetstar heute gewinnbringend vermarkten. Ein angeblich geheim gefilmtes Video aus dem vergangenen Oktober zeigt ein Meeting, in dem Jarre eine Million US-Dollar für einen einjährigen Werbedeal angeboten worden ist – den dieser jedoch ablehnt.

Das Video ist bislang fast 1,9 Millionen Mal abgerufen worden. Ob die Geschichte stimmt oder ob sie inszeniert wurde, um die Bekanntheit und Reichweite von Jarre noch weiter zu steigern, ist kaum nachprüfbar. Sein Mentor Gary Vaynerchuk, dessen Gesicht in dem Clip zwar verpixelt, aber trotzdem erkennbar ist, hat in einem seiner Bücher geschrieben: „Bei gutem Marketing geht es alleine darum, deine Geschichte so zu erzählen, dass die Art und Weise die Menschen quasi dazu zwingt, dir das abzukaufen, was du verkaufen willst.“

Fünfstellige US-Dollar-Summen für nur einen Post

Auch wenn er das angebliche Millionenangebot nicht angenommen hat, muss sich Jarre um seinen Kontostand vermutlich dennoch keine Sorgen machen – denn offenbar haben die Werbetreibenden großes Interesse an seinen Diensten. Der Energiekonzern General Electric hat beispielsweise mit Jarre ein Vine in künstlicher Schwerelosigkeit gedreht. Für einen einzelnen solchen Werbepost bei Vine verlangt Jarre laut dem US-Branchenblatt Adweek angeblich 25.000 US-Dollar. Ein Werbe-Snap bei Snapchat schlägt angeblich sogar mit 35.000 US-Dollar zu Buche.

Jarre sieht in Snapchat die Zukunft: „Es ist die viralste Plattform, weil die Menschen Screenshots machen, diese teilen und mit ihren freunden darüber reden“, sagte Jarre gegenüber dem Time-Magazine. „Weil die Inhalte nach 24 Stunden verschwinden, müssen sie ihren Freunden sofort davon erzählen, oder diese werden sie nie sehen können. Das führt zu einem wahnsinnigen Verbreitungseffekt.“ Der Internetstar Jarre glaubt, dass Snapchat deswegen auch Vine überholen kann. Vine sei nie Mainstream geworden, sondern immer eine reine Comedy-Plattform geblieben, so der Internetstar zu Forbes. „Wenn Snapchat es schafft, nicht nur Comedy zu sein, dann können sie den Sieg in Mobile davon tragen. Ich glaube, dass Snapchat das Potenzial hat, das Youtube von Mobile zu werden.“

Auch wenn die Plattformen wechseln mögen – Jarre will derselbe bleiben. Wie er gegenüber Adweek berichtete, schläft der 24-Jährige angeblich ab und an immer noch auf dem Fußboden und duscht anschließend kalt – um sich daran zu erinnern, wo er herkommt.

Jerome Jarres Vorbild Gary Vaynerchuk spricht am 27. Februar bei uns auf der Konferenz – wer ein Ticket ergattern konnte, darf sich auf eine spannende Keynote freuen!

Snapchat
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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