33.000 Kontakte für 0 Euro: Die Ergebnisse unserer Facebook Live Abstimmung

Wir machen für Euch unsere Statistiken öffentlich

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Abstimmungen in Echtzeit über einen Stream bei Facebook Live haben in den vergangenen 14 Tagen einen wahren Boom erlebt. Warum sind so viele Seiten auf den Zug aufgesprungen? Lassen sich damit so beeindruckende Reichweiten generieren? Wir haben es getestet – und zeigen Euch heute, was es uns gebracht hat. Über die Dauer von vier Stunden haben wir am vergangenen Montagabend die Zuschauer in einem Facebook Live Streaming darüber abstimmen lassen, wie sie – diesen ironischen Spaß haben wir uns erlaubt – über Abstimmungen bei Facebook Live denken. Nach vier Stunden beendete Facebook den Stream automatisch. Die Mechanik hinter der Abstimmung hatten wir bereits kurz zuvor in einem Artikel erklärt.

Am Ende hakte die Technik

Am Ende des Streams wies der Zähler 78 Daumen aus; 36 Nutzer hatten sich indifferent und 47 genervt von den Abstimmungen gezeigt. Sicherlich kein repräsentatives Ergebnis; könnten sich einige der Klicks auf „Gefällt mir“ doch auch auf unsere Aktion als solche bezogen haben. Zudem war die Verzögerung zwischen Abstimmung und Änderung des Zählers am Ende offenbar so groß, dass einige der Negativ-Stimmen nicht mehr gezählt wurden. Aktuell haben 96 Nutzer auf den „Wütend“-Emoji geklickt.

Uns ging es jedoch weniger darum, ein wirkliches Meinungsbild zu erhalten, sondern darum, wie gut solche Abstimmung als Reichweiteninstrument funktionieren. Das Ergebnis: Bislang hat der Live-Stream (sowie die Aufzeichnung, die auch aktuell noch auf unserer Facebook-Seite abrufbar ist) laut Facebook-Statistik 33.000 Menschen erreicht. Ihnen wurde das Video in ihrem Newsfeed angezeigt oder in der Desktop-Version von Facebook in ihrem „Ticker“ – vielleicht, weil einer ihrer Freunde damit interagiert hat.

Die von Facebook ausgewiesenen Reichweiten unserer Facebook Live Abstimmung (montierter Screenshot)

Die von Facebook ausgewiesenen Reichweiten unserer Facebook Live Abstimmung (montierter Screenshot)

Fast 60 Stunden Sehdauer mit minimalem Content

8.400 Aufrufe hat das Video bislang (Stand 17.11., 9 Uhr) verzeichnet. Facebook zählt einen Aufruf nach drei Sekunden. Zum höchstfrequentierten Zeitpunkt haben 54 Menschen gleichzeitig den Stream angesehen. Insgesamt sind so 3.507 Minuten Gesamtsehdauer entstanden, 96 Prozent davon am Tag der Live-Übertragung. Zwar ist das Video auf unserer Facebook-Seite aktuell verfügbar, wird aber also offenbar kaum mehr angesehen – nachvollziehbar, fehlt doch der Reiz der Live-Übertragung und die Möglichkeit, das Video direkt zu beeinflussen.

Wie sind die von uns verzeichneten Zahlen zu bewerten? Im Vergleich mit Abstimmungsvideos von Viralseiten auf Facebook dürften unsere Ergebnisse deutlich schlechter ausgefallen sein. Diverse Viral-Publishern haben mit ihren Facebook Live Votings Abrufzahlen generiert, die die Zahl ihrer eigenen Fans teilweise weit übersteigen.

Millionenreichweiten mit emotionaleren Fragen

Die Seite „Mein Hund“ beispielsweise hat 166.000 Fans; eine Live-Abstimmung der Seitenbetreiber zur Frage „Hund oder Katze?“ verzeichnete bislang 180.000 Aufrufe. Über dieselbe Frage hat auch Buzzfeed abstimmen lassen. Das Ergebnis: 13 Millionen Abrufe bei 8,7 Millionen Fans.  Zuletzt ein extremes Beispiel: Die Betreiber der Seite Faktglaublich setzten voll auf Populismus und ließen die Zuschauer über die Frage „Härtere Strafen für Kinderschänder – ja oder nein?“ abstimmen. Der Stream bzw. seine Aufzeichnung wurde bislang 2,5 Millionen Mal aufgerufen – die Seite selbst verzeichnet rund eine Million Fans.

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Bei allen aufgeführten Beispielen dürfte die Zahl der erreichten Personen noch weit höher gelegen haben. Bei unserem Live-Voting war die Gesamtreichweite fast um den Faktor vier höher als die Zahl der Abrufe. Wendet man dieses Verhältnis auf das Faktglaublich-Beispiel an, hätte der Stream rund 10 Millionen Nutzer erreicht – das wäre etwa ein Drittel der deutschen Gesamtnutzerschaft von Facebook.

200 Prozent über dem Durchschnitt

Auch wenn die von uns erzielte Reichweite deutlich geringer ist, war sie für uns auf den ersten Blick durchaus beeindruckend. Denn die organische Reichweite unserer Posts liegt sonst eher im hohen vierstelligen bis niedrigen fünfstelligen Bereich. Das Facebook Live Voting liegt also mit 33.000 erreichten Nutzern rund 200 Prozent über dem Durchschnitt.

Zudem muss man beachten: Online Marketing Rockstars ist eher eine B-to-B-Seite; unsere Themen und auch die Ausrichtung unserer Umfrage richten sich eher an eine spezialisierte Zielgruppe. Viralseiten setzen bei ihren Umfragen auf breite Themen wie „Trump oder Clinton“, „Döner oder Pizza“, „Hund oder Katze“, die beim „Otto-Normal-User“ höchstwahrscheinlich noch eher eine emotionale Reaktion evozieren.

Rückeroberung der organischen Reichweite

So haben die Nutzer auf unsere Live Voting reagiert (Screenshot)

So haben die Nutzer auf unsere Live Voting reagiert (Screenshot)

Trotz der weniger massenfähigen Fragestellung haben wir mit unserer Umfrage für null Euro Kosten eine Reichweite generiert, die fast unserer Gesamt-Fanzahl (aktuell 35.000) entspricht. Das ist heute mit einem einfachen Post organisch bei Facebook für uns kaum mehr möglich.

Doch welche Qualität hat diese Reichweite? Facebook zählt einen Video-Abruf nach drei Sekunden. In solch einem Zeitraum dürfte nicht wirklich eine Auseinandersetzung mit Inhalt oder Marke stattfinden. Rund 3.800 Leute haben sich das Video für mindestens 10 Sekunden angesehen – eine deutlich weniger beeindruckende Zahl als 33.000.

Ansehnlicher ist da schon die Zahl von 434 Nutzer-Reaktionen. Das ist deutlich mehr als unsere Beiträge sonst verzeichnen (im Durchschnitt dürfte die Zahl im niedrigen mittleren zweistelligen Bereich liegen), aber auch wenig erstaunlich, weil der Abstimmungsmechanismus auf den Reaktionen aufbaute.

Die Nutzer zeigen, dass sie genervt sind

Erschreckend ist: Sieben Nutzer haben aktiv angeklickt, dass ihnen der Beitrag verborgen werden soll, ganze fünf möchten aufgrund des Live-Streams künftig gar keine Beiträge mehr von uns in ihrem Newsfeed angezeigt bekommen (falls Ihr das hier durch einen glücklichen Zufall lesen solltet: Kommt zurück, wir machen’s nie wieder!). Bislang haben Nutzer kaum derart ablehnend auf unsere Beiträge reagiert. Bei sehr kontroversen Themen haben vielleicht maximal zwei Nutzer zu diesem Mittel gegriffen; der Durchschnitt dürfte aber weit niedriger liegen. Ganz offensichtlich sind die Facebook-Nutzer von den Abstimmungen zunehmend genervt.

Darüber hinaus haben wir am Tag des Live-Streamings auch nicht mehr Fans gewonnen als an anderen Tagen: 58 neue Fans kamen hinzu, 54 davon organisch. Nur zwei Neu-Fans haben wir über einen unserer Posts gewonnen.

Die Statistiken zu neu gewonnenen Fans am Tag des Live-Streamings (Screenshot)

Die Statistiken zu neu gewonnenen Fans am Tag des Live-Streamings (Screenshot)

Greift Facebook bald durch?

Unser Fazit: Für Viralseiten, Affiliates und andere Publisher im Nicht-Premium-Bereich mögen Live-Abstimmungen ein günstiger Weg sein, um schnell Reichweite zu generieren. Marken und seriöse Seiten sollten es sich jedoch gut überlegen, ob sie jetzt noch auf den Zug aufspringen. Das Instrument mag funktionieren, um schnell eine weit überdurchschnittliche Reichweite zu generieren. Die Qualität dieser Reichweite ist jedoch äußerst gering; der Effekt dürfte kaum nachhaltig sein.

Hinzu kommt: Offenbar verstoßen Abstimmungen über die Reactions in Facebook Live auch gegen Facebooks Richtlinien, wie bei Allfacebook nachzulesen ist. So dürfen laut den Facebook Brand Policies die Reactions nicht genutzt werden, um die Zuschauer damit die Inhalte eines Facebook-Live-Videos beeinflussen zu lassen. Ein Facebook-Mitarbeiter habe in einer geschlossenen Facebook-Gruppe bereits angekündigt, dass das Unternehmen „automatisierte Mittel“ dagegen einsetzen wolle. Es ist also davon auszugehen, dass in Zukunft aus mehrerlei Gründen wieder weniger Facebook Live Votings in den Newsfeeds der Nutzer auftauchen werden als in den vergangenen zwei Wochen.

Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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