Vom Hot-or-Not-Game zu Meta: So haben die Tech-Giganten von heute wirklich begonnen

Florian Heide26.4.2022

Dating-Apps, ein Snowboardshop, eine Whiskey-Community: Das sind die ungewöhnlichsten Anfänge der Milliardenkonzerne

ec28571922b1b4f509dd459b5462cedf–career-development-spongebob

Kaum eine der bekanntesten Plattformen dieser Welt hatte den globalen Siegeszug von Anfang an im Sinn. Die Meisten starteten in einer völlig anderen Branche, aus fragwürdiger Motivation heraus oder für eine ganz andere Zielgruppe, als sie sie heute erreichen. Wir zeigen Euch Beispiele, mit welchen (teilweise miserablen) Ideen die heutigen Tech-Giganten einst starteten und wie sie sich wandelten.

Schon mal von Burbn gehört? Klar, der amerikanische Whiskey ist besonders auf Eis ein weit verbreitetes Lieblingsgetränk – auch von Kevin Systrom, dem Gründer von Instagram. Dessen Idee hieß nämlich anfangs noch Burbn und war eine App, in der sich Whiskey-Fans wie Systrom in Locations einchecken, Punkte für Treffen sammeln und Fotos davon mit ihren Freunden teilen konnten. Das „Durcheinander an Funktionen“, wie der Gründer es selbst beschrieb, machte die App allerdings im Jahr 2010 nicht gerade zum Kassenschlager.

Von der Whiskey- zur Foto-App

Erst als Mike Krieger, wie Systrom ebenfalls Programmierer, mit an Bord kommt und die Beiden beginnen, das Nutzerverhalten bis ins Detail zu analysieren, finden sie heraus: Die Foto-Sharing-Funktion ist das einzig beliebte Feature der App. Sie konzentrieren sich darauf, bauen es aus und haben am Ende einen Prototypen entwickelt, der es ermöglicht, ein Foto in nur drei Klicks mit dem eigenen Netzwerk zu teilen. Die App heißt: Instagram. Im Oktober 2010 launcht die Plattform, die heute über 1,5 Milliarden Nutzende zählt und 2021 mit rund 48 Milliarden US-Dollar Werbeumsatz zu den erfolgreichsten Sozialen Netzwerken der Welt gehört.

Das Beispiel Instagram zeigt: Pivots, also radikale Wandlungen, lassen sich in den Geschichten vieler Unternehmen ausfindig machen. Die wenigsten Gründer:innen verfolgen von Anfang an den einen Masterplan, mit dem sie später erfolgreich werden. Viele müssen sich auf dem Weg zum Erfolg ändern und anpassen – und manchmal werden dadurch aus kleinen Unternehmen Weltkonzerne, wie die folgenden Beispiele zeigen.

Hot or Not für den Harvard-Campus

Einer, der das Potenzial von Instagram besonders früh erkennt, ist Mark Zuckerberg. 2012, also gerade einmal zwei Jahre nach Gründung, kauft er die Foto-Sharing-App für eine damalige Rekordsumme von rund einer Milliarde US-Dollar. Instagram stellt da bereits eine echte Bedrohung für das erfolgreiche Facebook-Geschäftsmodell dar. Das war übrigens auch nicht von Anfang an als Netzwerk für Freunde gedacht: Ursprünglich hieß Facebook nämlich Facemash und war eine Website, auf der Zuckerbergs Harvard-Kommiliton*innen die Attraktivität ihrer Mitstudierenden bewerten konnten.

Das Prinzip war einfach: Es wurden zwei Bilder von Studierenden angezeigt, die Nutzer:innen mussten sich für die aus Ihrer Sicht attraktivere Person entscheiden. Das Early-Stage-Tinder war auf dem Campus so erfolgreich, dass Zuckerberg sich sogar vor einem Harvard-Ausschuss rechtfertigen musste, denn: Die Fotos, die er für die Website verwendete, stammten aus den Online-Jahrbüchern (englisch: Facebooks) der jeweiligen Campus-Häuser, in die sich der Informatik- und Psychologie-Student zu diesem Zweck eingehackt hatte.

Zuckerberg wird nach der Anhörung nicht von der Universität verwiesen, stattdessen erklärt er sich bereit, gemeinsam mit anderen Studierenden ein zentrales Online-Jahrbuch zu bauen. Tatsächlich erschafft Zuckerberg aber ein Konkurrenzprodukt: „Thefacebook“, wie er es nennt, geht im Februar 2004 online. Noch im selben Jahr steigt Paypal-Gründer Peter Thiel als erster großer Investor bei Zuckerberg ein. 2008 muss Zuckerberg übrigens eine Strafe von rund 300 Millionen Dollar an seine betrogenen Komiliton:innen für den Ideen-Diebstahl bezahlen. Das hindert das Unternehmen allerdings nicht daran, unnachahmlich zu wachsen. Meta, wie der Mutterkonzern heute heißt, ist an der Börse mehr als 500 Milliarden US-Dollar wert, ist Vorreiter im Bereich Web3 und hat mit Facebook, Whatsapp und Instagram gleich drei soziale Netzwerke, die weltweit mehr als zwei Milliarde Nutzer:innen haben.

Kylie Jenner nutzt Shopify

Mark Zuckerberg führt also ein Unternehmen, das unser gesellschaftliches Zusammenleben komplett verändert hat. Ob er der Richtige dafür ist? „Es könnte viel schlimmer sein“, sagte Tobias Lütke vor einiger Zeit im OMR Podcast. Lütke ist Gründer von Shopify, einem erfolgreichen Webshop-Baukastensystem, das mittlerweile selbst über 50 Milliarden Dollar wert ist. Er, der in seinen frühen Zwanzigern der Liebe wegen von Koblenz nach Kanada auswanderte, habe sich bereits mit Zuckerberg in Kalifornien getroffen und gemeinsam Ideen ausgetauscht. Eines haben sie gemeinsam: Auch Lütkes Karriere begann ganz anders als geplant.

Nach der zehnten Klasse beendet Lütke seine schulische Laufbahn in Koblenz und beginnt eine Lehre als Programmierer bei Siemens-Nixdorf, einer Tochterfirma von Siemens. Er lernt eine kanadische Studentin kennen und wandert 2002 mit ihr dorthin aus, wo er die Snowboard-Firma Snow Devil gründet. Das Shopsystem dafür programmiert Lütke selbst. Und er findet auch schnell heraus, wie sich mit den richtigen Google Adwords günstig Traffic generieren lässt: „Ich habe Kunden für 500-US-Dollar-Snowboards, bei denen die Marge 50 Prozent betrug, teilweise zu einem Klickpreis von 20 Cent eingekauft“, sagt er im OMR Podcast.

Schnell kommen die ersten Anfragen für die Shop-Lizenzen rein. 2004 gründet Lütke gemeinsam mit seinem Kollegen Daniel Weinand, der dafür ebenfalls nach Kanada zieht, Shopify. 2006 launcht das Produkt und avanciert in den darauffolgenden Jahren zum bekanntesten Online-Shop-System der Welt. Heute benutzen fast zwei Millionen Händler:innen weltweit Shopifys Shop-System, unter anderem auch Influencer-Ikone Kylie Jenner.

Youtube startet als Online-Dating-Plattform

Mit der großen Liebe auswandern und im neuen Heimatland ein Milliarden-Unternehmen gründen, das klingt nach einem Hollywood-Drehbuch. Etwas weniger romantisch ging es bei der Gründung von Youtube zu: Steve Chen startet die Video-Plattform, die mittlerweile zu Google gehört, gemeinsam mit seinen Freunden und ehemaligen Paypal-Kollegen Chad Hurley und Jawed Karim im Jahr 2005 als Online-Dating-Plattform. Die Idee: Singles sollten sich selbst in einem Kurzvideo vorstellen und erklären, wonach sie suchen, das berichtet er einst auf der South by Southwest Tech-Messe in Kalifornien.

Die neue Technologie machte es den Nutzenden einfach, Videos hochzuladen. Doch als sich nach fünf Tagen noch immer kein Video auf der Plattform befindet, beschließen Chen und seine Mitgründer die Plattform für alle Arten von Videos zu öffnen. Das erste Youtube-Video entsteht im April 2005 und zeigt Gründer Jawed Karim im San Francisco Zoo. Gerade einmal eineinhalb Jahre später, im Oktober 2006, kauft Google die Videoplattform für rund 1,3 Milliarden US-Dollar. Heute laden User täglich mehr als 720.000 Stunden Videomaterial auf Youtube hoch. Mit über zwei Milliarden monatlich aktiven Nutzenden ist Youtube die beliebteste Video-Plattform der Welt.

DVDs leihen von Netflix

Nichtsdestotrotz muss sich Youtube immer wieder gegen neue Anwärter auf den Thron verteidigen. Vor allem ein Unternehmen hat sich gerade in den vergangenen Jahren als Zuschauermagnet erwiesen: die Streaming-Plattform Netflix. Die wurde allerdings schon acht Jahre vor Youtube gegründet, nämlich 1997 vom Mathematiker Reed Hastings. Der hatte kurz zuvor seine Software-Firma Pure Atria für 700 Millionen US-Dollar verkauft und 2,5 Millionen davon in sein Startup Netflix investiert.

Das ursprüngliche Geschäftsmodell: Eine Online-Videothek, in der DVDs verliehen und verkauft werden konnten. 1999 schließen die ersten Kund*innen Abonnements ab und können unbegrenzt DVDs leihen, 2000 integriert Netflix zum ersten Mal ein Empfehlungssystem. Seit 2016 ist Netflix weltweit verfügbar und vor allem bekannt für seine vielfach ausgezeichneten Eigenproduktionen, die dazu beitrugen, dass die Subscriber-Zahlen bis zu diesem Jahr auf über 200 Millionen Nutzer*innen anwuchsen. Vor wenigen Tagen verkündete Netflix zum ersten Mal einen Rückgang der Nutzerzahlen, Reed Hastings zeigte sich daraufhin bereit, künftig Werbefinanzierung zu integrieren – ein weiterer Schritt in Richtung des Youtube-Modells.

Was sich daraus lernen lässt? „It’s not about being perfect. It’s about getting started“, schreibt Allie K. Miller, die bei Amazon für Startups und Venture Capital zuständig ist, auf Linkedin. Das ist kein Zufall: Ihr Chef, Jeff Bezos startet seine Karriere Mitte der 90er Jahre als Online-Buchhändler, damals unter dem Namen “Cadabra”.

FacebookInstagramShopifySocial MediaYoutube
Florian Heide
Autor*In
Florian Heide

Florian arbeitet seit fast zehn Jahren als Print-Journalist. Angefangen beim Lokalblatt, später als Praktikant und Freelancer für DIE ZEIT und GEO. Seit 2020 ist er Redakteur bei OMR, wo er über Startups, Viraltrends, den Wandel von Social Media Plattformen und neue Technologien berichtet. Er hat nie Bargeld dabei und verbringt die Wochenenden am liebsten weit weg von Technologie in der Natur.

Alle Artikel von Florian Heide

Ähnliche Artikel

Aktuelle Stories und die wichtigsten News für Marketeers direkt in dein Postfach!
Zeig mir ein Beispiel