Wetten, das ist die Zukunft? WeChat aus China ist die heißeste Marketing-Plattform Asiens

Martin Gardt5.5.2015
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Inhalt
  1. Wer WeChat für einen WhatsApp-Klon hält, hat es noch nie gesehen. Wir haben es für Euch gecheckt.
  2. Brand-Accounts zur Kommunikation und als Ersatz-Webseite
  3. Die besten WeChat-Kampagnen: Lieblingslieder, fliegende Laternen und Wünsche an die deutsche Mannschaft
  4. Strategien für Marketer: Chancen zur Sales-Steigerung mit WeChat
  5. Mehr Engagement: Flaschenpost, QR-Codes und die Tinder-Funktion
  6. Wie kann WeChat die Welt erobern und wer profitiert?

Wer WeChat für einen WhatsApp-Klon hält, hat es noch nie gesehen. Wir haben es für Euch gecheckt.

Ein dreifaches Hoch auf WeChat: Die App verändert Asiens Werbelandschaft. (Foto: Philip McMaster, CC BY-NC 2.0)

Ein dreifaches Hoch auf WeChat: Die App verändert Asiens Werbelandschaft. (Foto: Philip McMaster, CC BY-NC 2.0)

Marketer, die wegen Messaging-Apps ins Silicon Valley pilgern, haben keine Ahnung. Die Zukunft des mobilen Marketings zeigt sich derzeit vor allem in Asien. Ein guter Grund für uns, die Nr. 1 unter den dortigen Plattformen mal genauer unter die Lupe zu nehmen: Das Whatsapp Chinas heißt WeChat (oder Weixin in China) und hat mittlerweile 500 Millionen aktive Nutzer im Monat. Damit liegt die App zwar noch deutlich hinter WhatsApp mit seinen knapp 800 Millionen aktiven Nutzern, wächst jetzt aber auch außerhalb Chinas: Knapp 100 Millionen WeChat-Nutzer kommen nicht aus dem Land der Mitte. Derzeit versucht der Konzern Tencent seine App in riesige Märkte wie Brasilien, Mexiko und Indien zu pushen. In 20 Sprachen wurde WeChat übersetzt und hat Nutzer in 200 Ländern. Die App ist aber viel mehr als ein bloßer Messenger und bietet Marketern neue Möglichkeiten, viele (vor allem junge) Kunden zu erreichen. Das rasante Wachstum und die cleveren Funktionen für Marketer lassen aufhorchen. Hier erfahrt Ihr, wie WeChat-Marketing funktioniert und welche Konzerne schon auf die chinesische App setzen. Nirgendwo können Marken so unmittelbar mit potenziellen Kunden interagieren wie in sozialen Netzwerken. Wer von der sich hier bietenden CRM profitieren will, muss auf Augenhöhe kommunizieren und echte Mehrwerte bieten. Und das macht WeChat für Marketer leichter als etwa WhatsApp. Zumindest im Kernmarkt China gilt die App schon lange nicht mehr als reiner Messenger. Neben Text-, Bild- und Video-Nachrichten können Nutzer dort mobil bezahlen, in E-Commerce-Shops stöbern, Spiele installieren und Taxis buchen. Dadurch wird die App zur mobilen Zentrale im Leben vieler Chinesen. Und genau dort können Marketer ihre Kunden abholen.

Monatlich aktive Nutzer bei WeChat. (Foto: Statista)

Monatlich aktive Nutzer bei WeChat. (Foto: Statista)

Brand-Accounts zur Kommunikation und als Ersatz-Webseite

Seit 2012 bietet WeChat offizielle „Brand-Accounts“ und holte als ersten Partner McDonalds an Bord. Mittlerweile gibt es über 8,5 Millionen öffentliche Accounts, zu denen neben Unternehmen auch Prominente zählen, täglich kommen etwa 8.000 dazu. Marken wie Adidas, Nike, Starbucks, Pepsi und Mercedes Benz bieten ihren Fans auf WeChat Informationen, Kampagnen und Shops. Exklusive Inhalte und Zugang zu Rabatt-Aktionen, so versuchen viele Marken derzeit die Bindung zu den Kunden zu stärken. Massen-Ansprachen sind für WeChat jedoch nicht geeignet. Die Nutzer erwarten in einem Messenger individuellere Nachrichten. In einer Umfrage im Mai 2014 gaben schon knapp 18 Prozent der WeChat-Nutzer an, einem Brand-Account zu folgen. Dank der API von WeChat können Brand-Accounts mit einer Menüleiste unter dem Chat-Fenster erweitert werden, wodurch der Nutzer mehr Entscheidungsfreiheit bekommt. Hier finden sich etwa bei Burberry verschiedene Kollektionen oder Links zum Shop. In gewisser Weise schaffen sich Brands so einen vollständigen Webauftritt innerhalb von WeChat. Davon können WhatsApp-Werber nur träumen. Marken müssen sich mühsam einen Account mit einer Telefonnummer anlegen. Um Kontakte zu gewinnen, muss diese Nummer über andere Plattformen kommuniziert werden. Was dann bleibt, sind Text-, Sprach- und Video-Nachrichten. Diese Funktionen waren für WeChat aber nur der Anfang auf dem Weg zu einer App mit vielen Fähigkeiten. Und das nutzten die ersten Marketer zu kreativen Kampagnen.

Die besten WeChat-Kampagnen: Lieblingslieder, fliegende Laternen und Wünsche an die deutsche Mannschaft

Neben McDonalds ist Starbucks schon seit 2012 bei WeChat aktiv. Um zum Start viele Nutzer zu begeistern, sendete die Kaffeekette jedem Nutzer einen Song, der eine Nachricht an Starbucks mit einem Emoticon versehen hatte. Die Stimmung des Liedes richtete sich nach der Art des Emojis. Nach einem Monat hatte Starbucks so 62.000 WeChat-Follower gesammelt und erhielt im Durchschnitt 22.000 Nachrichten am Tag. Einerseits profitierte das Unternehmen dabei von seiner Bekanntheit, die kreative Herangehensweise erhöhte die Interaktion mit den Followern aber ungemein. Noch etwas mehr Aufwand betrieb die amerikanische Klamotten-Marke „Kate Spade“: Die nutzte das Gamification-Feature von WeChat und baute ein Spiel in den eigenen Account ein. Nutzer konnten während des traditionellen Laternen-Festivals in China eigene digitale Laternen gestalten und fliegen lassen. Jeder durfte Wünsche und Grüße auf den Laternen hinterlassen und Freunde einladen, diese mitzugestalten. Zusätzlich konnte jeder an einem Gewinnspiel teilnehmen. Mit der Kampagne konnte das Unternehmen nicht nur die Wünsche vieler Kunden erfahren, sondern auch die persönlichen Informationen von Gewinnspielteilnehmern.

Die Starbucks-Kampagne mit Songs zu den passenden Emoticons. (Foto: Brand Karma)

Die Starbucks-Kampagne mit Songs zu den passenden Emoticons. (Foto: Brand Karma)

Ähnliches versuchte Mercedes während der Fußball WM in Brasilien. Wer der deutschen Mannschaft Grüße schickte, durfte mit einem Gewinn rechnen. Der Auto-Konzern nutzt WeChat aber auch schon auf andere Art: Mit dem Car-Sharing-Projekt Car2Share testet Mercedes den chinesischen Markt. Zahlen können die Kunden einfach per WeChat. Fragen zu dem Service beantwortet das Unternehmen ebenfalls über den Messenger. Wer in seiner Branche groß dabei ist, muss sich mit WeChat auseinandersetzen, so wie der FC Bayern München. Der Club schickt nach einem Klick auf die Menüleiste auf Wunsch Mannschaftsfotos, Logos oder Geschichtliches und hält seine Fans mit täglichen Nachrichten auf dem Laufenden.

Der FC Bayern München liefert den Fans genau das was sie wollen: Fotos und Neuigkeiten.

Der FC Bayern München liefert den Fans genau das was sie wollen: Fotos und Neuigkeiten.

Strategien für Marketer: Chancen zur Sales-Steigerung mit WeChat

Dadurch, dass Kunden die App nicht verlassen müssen, um zu kaufen, versuchen Marketer, den Weg zum Abschluss so kurz wie möglich zu halten. WeChat lässt sich aber auf verschiedene Arten effektiv für Sales nutzen. Im optimalen Fall folgen WeChat-Nutzer dem Brand Account bereits und können in den E-Commerce-Store weitergeleitet werden. Zalora, eine Mode-Marke aus Singapur, bietet im eigenen Account nicht viel mehr als einen Shop und schickt regelmäßig Nachrichten zu besonderen Anlässen (Muttertags-Geschenke-Tipps). So landen Nutzer mit einem Tipp bei den Produkten und zahlen per WeChat. Einige Marken setzen sogar auf Flash-Sales, die exklusiv bei WeChat stattfinden. Mit dieser Taktik verkaufte das Smartphone-Start-up Xiaomi nach eigenen Angaben über 150.000 Geräte in unter zehn Minuten. Anfangs waren die In-App-Shops großen Marken vorbehalten. Mittlerweile dürfen auch kleinere Firmen einen solchen Shop einrichten. WeChat-Stores lassen sich mit E-Commerce-Plattformen innerhalb weniger Minuten aufsetzen – teilweise kostenlos. Mittlerweile gibt es die ersten Agenturen wie etwa WalktheChat, die sich in China auf WeChat-Marketing für westliche Firmen konzentriert haben. Das umfasst die komplette Betreuung mit Shop, Brand-Account und Kampagnen. Der Co-Gründer von WalktheChat Thomas Graziani sagt zu den Vorzügen von WeChat gegenüber Learn Chinese Business, dass WeChat lieber mit seinen Services Geld verdienen wolle, als mit Werbung. Dadurch bleibe die User Experience nicht zum Wohle von Anzeigen auf der Strecke. Die Kombination der Funktionen von Facebook, WhatsApp, Paypal und Amazon halte die Nutzer in der App, was für Marketer perfekte Voraussetzungen bedeute.

Die Modemarke Zalora bietet exklusive Coupons, einen WeChat-Shop und hält seine Follower mit Nachrichten auf dem Laufenden (von links).

Die Modemarke Zalora bietet exklusive Coupons, einen WeChat-Shop und hält seine Follower mit Nachrichten auf dem Laufenden (von links).

WeChat kann aber auch dabei helfen, Online-Kunden ins Offline-Geschäft zu lotsen. Rabatte, Coupons oder Kundenkarten, die nur im Laden um die Ecke einlösbar sind oder zeitlich begrenzte Blitz-Verkäufe bringen regelmäßig volle Geschäfte. Durch die Zahlungsfunktion innerhalb der App wird aber selbst bei einem großen Run eine lange Wartezeit vermieden.

Mehr Engagement: Flaschenpost, QR-Codes und die Tinder-Funktion

Neben den Chancen im E-Commerce-Bereich bietet WeChat einige Funktionen, die Marketer zur Kundenbindung nutzen können. Unter „Entdecken“ finden Nutzer verschiedene Extras wie Spiele, „Flaschenpost“ und „QR-Code“. Hier können neue Fans gewonnen werden, wenn die Idee stimmt. Hinter Flaschenpost verbirgt sich das Einsammeln oder Verschicken einer Nachricht an eine zufällige Person. Der Nutzer spricht oder schreibt seine Nachricht und wirft sie ins virtuelle Meer, aus dem sie ein anderer dann heraus fischt. Wer die Flasche findet, kann ein Gespräch beginnen. Eine Chinesische Bank nutzte die Funktion für ein Hilfsprojekt. Für jede 500. Antwort auf die Post spendete sie Trainingsstunden für autistische Kinder.

Ob per Flaschenpost (links) oder über die Ortungsfunktion: Bei WeChat ist es leichter, neue Fans zu gewinnen.

Ob per Flaschenpost (links) oder über die Ortungsfunktion: Bei WeChat ist es leichter, neue Fans zu gewinnen.

Ein gutes Tool, um die Zahl der WeChat-Follower zu stärken, ist der QR-Code-Scanner. Viele Geschäfte in China haben einen solchen Code an den Kassen. Scannt der WeChat-Nutzer diesen, landet er automatisch auf dem Brand-Account. Das funktioniert auch unter Freunden. Bayern München packt unter seine Nachrichten immer einen QR-Code, den im besten Fall viele Freunde scannen und so auch zu Fans werden. Wer sich in der Nachbarschaft mal vorstellen will, nutzt hingegen die Funktion „Personen in der Nähe“. Die App findet hier alle WeChat-Nutzer in der direkten Umgebung, was ein wenig an Dating-Apps wie Tinder erinnert. Jeder dieser Nutzer kann angeschrieben werden. So könnte sich etwa ein neues Restaurant oder Geschäft im Viertel vorstellen.

Wie kann WeChat die Welt erobern und wer profitiert?

Trotz aller Möglichkeiten muss sich WeChat noch mit einigen Problemen rumschlagen. Die Plattform ist in Sachen Marketing-Möglichkeiten deutlich weiter als WhatsApp, aber nicht unbedingt für alle Marken geeignet. Gerade weil die Nutzer aktiv werden müssen, um einen Brand-Account zu finden und zu folgen, sollten vorerst nur große Unternehmen über eine WeChat-Strategie nachdenken. Anders als bei Twitter sind die abgeschickten Nachrichten nicht öffentlich, sondern ausschließlich für Follower sichtbar. Besonders ärgerlich: Die Suchfunktion ist ein Graus. Nutzer müssen die genaue WeChat-ID kennen, um einen Brand-Account überhaupt zu finden (Beispiele sind MCDonaldsChina oder Burberry_Official). Anders sieht das bei WhatsApp aber auch nicht aus, das leichtere Finden von Brand-Accounts ist die größte Baustelle der Messenger. In Europa sind die Konkurrenten derzeit zu stark für die Chinesen und viele Funktionen von WeChat – allen voran mobiles Bezahlen – noch nicht verfügbar. In westlichen Ländern kann die App nur Erfolg haben, wenn dieses Plus an Leistung auch hier verfügbar wird. Bis dahin wird das soziale Netzwerk aber weiter wachsen, ein erster Blick lohnt sich also allemal.

Mit neuen Plattformen beschäftigen wir uns auch bei unserer neuen Konferenz New Plattform Advertising am 11. Juni 2015 in Hamburg. Jetzt Tickets sichern!

WeChat
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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