So zerstört der Ukraine-Krieg das Geschäft von Verivox und Check24

Das Angebot ist eingebrochen. Nun werden unter anderem die Marketingkosten gesenkt

Ausschnitt aus einem Werbespot von Verivox zum Stromtarif-Wechsel. Foto: Screenshot
Ausschnitt aus einem Werbespot von Verivox zum Stromtarif-Wechsel. Foto: Screenshot
Inhalt
  1. Bei Google liegen Suchbegriffe wie „Tankrabatt“ in den Trends
  2. Der Markt für Gasanbieter-Wechsel ist praktisch tot
  3. Verivox senkt seine Marketingkosten wegen der Krise

Marktplätze für Strom- und Gasanbieter-Wechsel waren für die deutschen Platzhirsche Verivox und Check24 jahrelang sehr lukrativ. Dann kam der russische Angriff auf die Ukraine – und plötzlich ist das Geschäft nahezu tot. Das hat Folgen.

Als der Mann zum Kühlschrank geht und ihn öffnet, liegt dort ein Sänger, der eine Botschaft für ihn hat: Mit einem Stromanbieter-Wechsel könne man bis zu 820 Euro sparen. Der Mann greift sofort zum Tablet, tippt ein paar Daten ein – und fängt anschließend vor Freude an zu tanzen. Very easy, Verivox. Knapp zehn Monate ist es her, dass die Vergleichsplattform mit dieser Videobotschaft neue Kund:innen geworben hat – doch inzwischen ist alles anders.

Wer seinen Gas-Anbieter wechseln will, findet bei Verivox aktuell nur fünf Anbieter, beim Strom sind es weniger als 20 (Stand: 2.9.2022). Normalerweise spucken die vermeintlichen Tarif-Experten ihren Kund:innen ein Vielfaches an Angeboten aus. Beim Konkurrenten Check24 ist die Lage kaum besser. Eigentlich haben die beiden deutschen Platzhirsche eine unglaubliche Marktmacht. Bei vielen Energieversorgern läuft die Hälfte des Neukundengeschäfts über Portale – und die Abhängigkeit ist groß. Immer wieder gab es Versuche von Anbietern, ohne die beiden Portale auszukommen. „Aber man kommt doch schnell wieder zurück“, sagt ein Kenner der Szene. Doch nun ist das eigentlich so lukrative und mächtige Marktplatz-Modell durch den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine nahezu komplett zusammengebrochen.

Denn das funktioniert nur, wenn Angebot und Nachfrage gleichermaßen vorhanden sind. Die Nachfrage ist da – denn viele Menschen in Deutschland sehen sich mit drastisch steigenden Kosten konfrontiert. Für einen durchschnittlichen Haushalt kommen durch die gestiegenen Energiekosten schnell vierstellige Summen zusammen, die jährlich an Zusatzkosten anfallen. In Großbritannien will deshalb laut einer Umfrage sogar jeder Vierte diesen Winter die Heizung ganz abgeschaltet lassen. Kein Wunder, dass in den Google Trends der vergangenen Tage Schlagworte wie „Energiepauschale wann“, „Entlastungspaket“ oder „Tankrabatt“ weit oben rangierten. Doch das Angebot fehlt. „Die stark gestiegenen Energiepreise wirken sich auf die Marktdynamik aus“, heißt es bereits im Bericht für das erste Quartal vom Verivox-Mutterkonzern ProsiebenSat.1.

Denn die Einkaufspreise für Gas haben sich in den letzten Monaten massiv verteuert, die Preise in Europa sind inzwischen zehn Mal so hoch wie in den USA. Viele Versorger müssen zu diesen Konditionen aktuell Gas einkaufen. „Es gibt Versorger, die ihre Preise seit Januar verfünffacht haben“, sagt ein Verivox-Sprecher gegenüber OMR. Gerade Discounter, die jahrelang Kunden mit Billig-Tarifen gelockt haben, geraten gerade offenbar unter großen Druck. Aber auch für viele andere Anbieter ist die Situation existenzbedrohend. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) warnte unlängst schon vor einer Kettenreaktion, bei der viele Stadtwerke und andere Energieversorger pleite gehen könnten. Kurzum: Viele Anbieter sind aktuell kaum in der Lage, mit Rabatten oder anderen Angeboten um neue Kund:innen zu buhlen.

Der Markt für Gasanbieter-Wechsel ist praktisch tot

Für Verivox, Check24 und Co. bleibt das nicht ohne Folgen. Eigentlich bekommen sie Provisionen, wenn Kund:innen über ihre Portale den Energieversorger wechseln. Pro Neukontakt zahlen die Energieversorger nach Angaben aus dem Markt zwischen 50 und 100 Euro. Doch aktuell ist ihr Geschäftsmodell bei Tarifwechseln im Strom- und Gasbereich praktisch tot. Ein Sprecher von Check24 betont zwar auf Anfrage, dass man auch jetzt je nach Postleitzahl durch einen Versorgerwechsel noch sparen könne. Aber: „Vor der Krise konnte man das in 100 Prozent der Fälle, wenn man aus der Grundversorgung zu einem Alternativversorger gewechselt ist. Momentan geht das noch in höchstens 40 Prozent der Fälle.“ Check24 geht damit viel Geschäft verloren, denn im Schnitt wechselte jeder Dritte, der sich bei Check24 über Strom- und Gaspreise informierte, bislang am Ende auch über das Münchner Unternehmen den Anbieter (was der Check24-Gründer im Frühjahr bei der Finance-Forward-Konferenz erzählt hat, sehr ihr hier).

Im Markt sind viele jedoch davon überzeugt, dass die aktuelle Krise Verivox noch härter trifft. Denn das 1998 in Heidelberg gestartete Vergleichsportal hatte jahrelang seinen Schwerpunkt bei Energiepreisen. Inzwischen kann man zwar auch andere Dinge wie Kfz-Versicherungen oder Handytarife über Verivox vergleichen. Doch Strom- und Gasanbieterwechsel dürften noch immer einen großen Teil des Geschäfts ausmachen. Zumal sich viele Energieversorger aktuell auch überlegen dürften, ob sich Ausgaben für weitere Angebote von Verivox momentan lohnen. So bietet das Unternehmen auch täglich aktualisierte Rankings zu Strom- und Gaspreisen für Stadtwerke und bundesweite Anbieter. Kostenpunkt: zwischen ein paar hundert und mehreren Tausend Euro monatlich. Und beim Tarifwechsel können Anbieter eine Art Last-Call-Option dazu buchen: Wollen Kund:innen den Anbieter wechseln, wird der bisherige Anbieter informiert und hat die Möglichkeit, mit einem Spezialpreis dagegenzuhalten. „Dafür nimmt Verivox natürlich auch einen Obolus“, heißt es im Markt.

Verivox senkt seine Marketingkosten wegen der Krise

Bei Verivox hat man daher begonnen, an anderer Stelle die Kosten zu senken. „Aufgrund der aktuellen Krise auf den Energiemärkten macht es gerade wenig Sinn, für einen Strom- oder Gasanbieterwechsel zu werben“, sagt ein Verivox-Sprecher auf Anfrage: „Dementsprechend haben wir unsere Marketingaktivitäten in diesem Bereich deutlich reduziert.“ Details wollte er nicht nennen. Die Marktforscher von Nielsen schätzen, dass Verivox im vergangenen Jahr knapp 50 Millionen Euro brutto für Werbung ausgegeben hat. Check24 kam demnach 2021 sogar auf rund 177 Millionen Euro. Den größten Teil der Ausgaben steckten beide Anbieter in den Bereich Fernsehen. Ein Check24-Sprecher wollte sich auf Anfrage jedoch nicht dazu äußern, ob man die Ausgaben gekürzt habe.

Die Preisvergleichs-Portale setzen darauf, dass die Probleme nur temporär sind und sich der Markt dann auch wieder erholt. Bis dahin setzen sie stärker auf andere Bereiche. Bei Verivox konzentriert man sich aktuell auf Kredite und Sachversicherungen. Doch auch im Energiebereich entwickele man neue Vergleichsangebote. „So haben wir erst im Juli den ersten deutschlandweiten THG-Quoten-Vergleich gestartet“, sagt ein Verivox-Sprecher. Wer ein E-Auto besitzt, kann über die Treibhausgasminderungsquote (THG) Geld verdienen, indem er quasi seine CO2-Einsparungen an Unternehmen verkauft. E-Auto-Besitzer profitieren dadurch aktuell doppelt: sie vermeiden nicht nur die hohen Spritpreise an den Zapfsäulen, sondern können auch die steigenden Stromkosten zu einem Teil wieder ausgleichen. Das Potenzial ist für Verivox allerdings aktuell überschaubar. In Deutschland gibt es bislang nur rund 700.000 reine Elektroautos auf den Straßen.

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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