Mehr Verkäufe als Abba und Helene Fischer: Das Produzenten-Duo The Cratez im OMR Podcast
David Kraft und Tim Wilke aus Göttingen haben in den vergangenen Jahren allein in Deutschland über 100 Top-10-Singles produziert
Beim Blick auf die Diskografie des Producer-Duos The Cratez kann einem schnell schwindelig werden. Hits wie „Was du Liebe nennst“ von Bausa oder „500 PS“ von Bonez MC und RAF Camora, dutzende Gold-, Platin- und eine Diamant-Auszeichung, Änderungen der Chart-Regeln in Österreich als Reaktion auf den Erfolg – an Superlativen mangelt es auf jeden Fall nicht. Wie die zwei Freunde aus Göttingen innerhalb kürzester Zeit zu den erfolgreichsten deutschen Produzenten aller Zeiten wurden, verraten sie im aktuellen OMR Podcast.
„Wenn man nach Nummer-Eins-Singles geht sind wir glaube ich auf Platz drei der deutschen Musikgeschichte“, spekuliert Tim Wilke, ein Teil des Produzenten-Duos The Cratez, im Gespräch mit Philipp Westermeyer. Einen zuverlässigen Überblick über das, was den beiden Freunden aus Göttingen in den vergangenen Jahren passiert ist, scheinen sie selber nicht zu haben. 18 oder 19 Singles müssten es sein, schätzt Wilke. Laut Wikipedia-Eintrag sind es 18, Platz drei stimmt – hinter „Pop-Titan“ Dieter Bohlen (hier im OMR Podcast) und Capital Bra.
Der Berliner Straßenrapper, im Podcast meistens Capi genannt, ist nicht ganz unschuldig am kometenhaften Erfolg von The Cratez. Es sei ein magisches Jahr gewesen, 2017 auf 2018, als der Knoten komplett geplatzt sei, so Wilke. Dabei war das Kennenlernen mit Capital Bra, aber auch mit vielen anderen großen Namen des Deutschraps, ein Stück weit eine glückliche Fügung. „Uns wurde einfach Capi vorgestellt von Joshi (Anm. d. Red.: Joshi Mizu, Rapper und Geschäftspartner von The Cratez, der das Duo aus Göttingen nach Berlin geholt hat). Er meinte, das sei so ein Straßenrapper und hat gefragt, ob wir mal ein bisschen was für ihn machen wollen“, erzählt David Kraft. Das Ergebnis: unter anderem sechs Nummer-Eins-Singles in Folge nur mit dem Berliner Rapper, im Kalenderjahr insgesamt sogar neun.
Von Göttingen in die Hauptstadt
Es folgen bis heute Zusammenarbeiten mit dem Who’s who der Hiphop-Branche in Deutschland. The Cratez scheint genau den richtigen Moment erwischt zu haben, als Deutschrap über Monate Charts und Playlisten dominiert. Dabei geht alles ziemlich beschaulich los. Vor über 20 Jahren starten sie in ihrer Heimat Göttingen mit dem Bauen von Beats. Autodidaktisch, als Hobby. In der sehr kleinen Hip-Hop-Szene lernen sie sich so schnell kennen.
Schon während der Schulzeit verdienen sie ein wenig Geld mit ihren Produktionen. Über Plattformen wie Rocbattle.com, einer vom bekannten US-DJ Rockwilder gegründeten Seite für den Handel mit Beats, steigen nach und nach die Einnahmen. Bis zum Abitur läuft das Geschäft so gut, dass sie sich ihre Studien finanzieren können. In dieser Zeit wird auch Rapper Joshi Mizu auf The Cratez aufmerksam, lädt sie nach Berlin in das Studio von RAF Camora ein – und verändert so ihr Leben.
Zurückhaltung und Professionalität
Obwohl The Cratez ab dann deutsche Musikgeschichte schreiben, halten sie sich meistens zurück. Keine wirklich gepflegten Social-Media-Profile, höchstens Cameo-Auftritte in Musikvideos, nicht mal einen Producer-Tag, ein Soundschnipsel, den vor allem Hip-Hop-Producer als Markenzeichen gerne an den Start von Songs hängen, hat das Duo. Sie hätten da „irgendwie den Zeitpunkt verpasst“.
„Sich krass in den Vordergrund drängen und als Acts stattfinden machen wir bewusst nicht“, sagt Tim Wilke. „Weil wir beide auch ein Familienleben haben und Eltern sind. Wir möchten gar nicht allzu sehr überall erkannt werden.“ Wilke hatte vor dem großen Durchbruch noch sein Lehramts-Studium abgeschlossen; David Kraft fehlte zum Wirtschaftsingenieur nur noch der letzte Meter, als er sich komplett für die Musik entschieden hat.
Die Musikbranche im Wandel
In den vergangenen Jahren, in denen The Cratez als erfolgreiche Produzenten unterwegs sind, haben sich die Musiktrends ständig weiterentwickelt. Und auch die Grenzen zwischen den einzelnen Musikrichtungen verschwimmen immer mehr. „Rein von der Produktion her kannst du gar nicht mehr genau sagen, ob es um Hiphop, House oder Schlager geht“, erklärt David Kraft. Groß nachgefragt sei aktuell eine Mischung aus Rap, Techno und House – siehe „Friesenjung“ von Ski Aggu. Sie selber waren zuletzt mit Domiziana im Studio.
Trotzdem wollen The Cratez nichts machen, was ihnen nicht auch wirklich gefällt. Reine Auftragsarbeiten kämen bisher nicht in Frage. Dazu zählt auch, gezielt für Plattformen wie Tiktok zu produzieren. „Künstler, die in einer Session überlegen: Hey, wir brauchen noch einen Tiktok-Moment. Mit dem Mindset an Musik ranzugehen, ist für mich nicht das Wahre“, so David Kraft. „Und meistens funktioniert es auch nicht, wenn Du es planst.“
Im aktuellen OMR Podcast sprechen Tim Wilke und David Kraft von The Cratez außerdem über künstliche Intelligenz in der Musikbranche, ihren eigenen Musikverlag inklusive Studios, die „Spotifyisierung“ von Musik und die nicht ganz einfachen Abrechnungsschlüssel in der Musikproduktion.