Aus einem irischen Dorf zum 50-Milliarden-Fintech – der Stripe-Gründer im OMR Podcast
John Collison wurde mit dem Zahlungsanbieter zum jüngsten Selfmade-Milliardär der Welt
- „Man muss wirklich viel investieren, wenn man in diesem Bereich gewinnen will“
- Ein Systemfehler wird zum Milliardengeschäft
- Keine Eile für den Börsengang
John Collison hat Stripe zusammen mit seinem Bruder Patrick gegründet, zu der Zeit war er 19 Jahre alt und gerade aus einem kleinen irischen Dorf ins Silicon Valley ausgewandert. Heute zählt Stripe zu den wichtigsten Zahlungsanbietern der Welt und wird mit 50 Milliarden Dollar bewertet. Über die beispiellose Aufstiegsgeschichte, den verrückten Fintech-Hype und die Paymentbranche ging es im Podcast mit John Collison, der bei OMR und Finance Forward erscheint.
Es klingt nach einem Märchen aus dem Silicon Valley: Mit 17 die erste Firma gründen und diese kurze Zeit später für einige Millionen verkaufen – plötzlich ist man Millionär. Danach ein Abstecher an die Elite-Uni Harvard, nur um das Studium doch an den Nagel zu hängen, denn die nächste Gründung wartet schon. Und dieses Mal wird sie zum Multi-Milliarden-Dollar-Unternehmen – finanziert von der Venture-Capital-Elite wie Sequoia, dem Founders Fund, Thrive Capital und dem Y-Combinator. Klingt alles ausgedacht? Tatsächlich handelt es sich um die Geschichte von John Collison und seinem Bruder Patrick.
Aus dem Dorf Dromineer in Irland haben die beiden Brüder es in den Fintech-Olymp des Silicon Valley geschafft. Ihr Payment-Startup Stripe ist in 46 Ländern aktiv, macht geschätzte 14 Milliarden Euro Umsatz und war zu Spitzenzeiten sogar 95 Milliarden US-Dollar wert. Im März dieses Jahres ist der Wert des Unternehmens dann auf noch 50 Milliarden zurückgefallen – eine der vielen Wertkorrekturen nach den Rekord-Finanzierungsrunden der vergangenen Jahre. „Es gab Zeiten in 2021, die etwas verrückt waren“, sagt John Collison dazu im OMR Podcast: „Es ist gut, dass wieder ein Maß an Vernunft zurückgekehrt ist.§
Die unternehmerische Reise der Collison-Brüder begann bereits 2007. „Es war damals eine extrem interessante Zeit, im Technologie-Bereich zu arbeiten“, sagt Collison heute. Damals kam gerade das iPhone auf den Markt und leitete die Smartphone-Revolution ein. Der Sprung der globalen Wirtschaft ins Internet war noch in vollem Gange und alle Zeichen standen auf Wachstum. „Wir haben damals eine Software-as-a-Service-Firma gegründet und wollten ein globales Internet-Geschäft aufbauen“, erzählt er. „Es gab allerdings ein Problem: Kundengelder anzunehmen beziehungsweise den globalen Umsatz einzukassieren war extrem schwierig.“ Traditionelle Banken waren mit dem schnellen Wachstum des Internets noch nicht mitgezogen – und hatten keine entsprechende Infrastruktur, um globale Zahlungsströme online abzubilden. Also gründeten die beiden Brüder Stripe.
„Man muss wirklich viel investieren, wenn man in diesem Bereich gewinnen will“
Das Kernmodell des Fintechs ist simpel: Es bietet eine Zahlungsinfrastruktur an, auf Basis derer Online-Händler die gängigen Zahlungsmittel wie Kreditkarten, Sofortüberweisung, Rechnungszahlung oder Paypal anbieten können. Landesgrenzen spielen keine Rolle mehr. An den durchgeführten Transaktionen verdient Stripe eine Kommission – im Schnitt sind das laut Collison zwischen 1,5 bis drei Prozent. Mehr als 800 Milliarden US-Dolllar an Transaktionsvolumen managt das Fintech jährlich – in 2023 will es sogar die Eine-Billionen-Marke knacken.
Daneben hat Stripe mittlerweile ein ganzes Ökosystem an Produkten rund um das Thema Online- und Offline-Zahlungen entwickelt – darunter zum Beispiel ein Abonnement-Zahlungsmanagement, automatisierte Steuerabführung oder physische Zahlungsterminals. Laut Collison investiert Stripe einen Großteil seines Umsatzes in neue Produkte. „Wir glauben, dass das meiste Wachstum der sogenannten neuen Wirtschaft noch in der Zukunft liegt“, sagt er. „Daher wäre es ein Fehler, jetzt schon zu versuchen, zu profitabel zu sein.“ Er sehe andere Zahlungsdienstleister, die rein auf Profitabilität aus seien – Stripe dagegen sei es wichtig, erst einmal eine solide technologische Basis zu schaffen. „Man muss wirklich viel investieren, wenn man in diesem Bereich gewinnen will.“
Ein Systemfehler wird zum Milliardengeschäft
Heute ist Stripe einer der führenden Player im Markt für Zahlungsdienstleistungen. Doch 2007 mussten die Collison-Brüder ihre Investor*innen erst einmal vom Potenzial ihres Geschäftsmodells überzeugen. Im Gespräch teilt Collison sein Erfolgsgeheimnis: „Unsere effektivste Taktik war, unseren Investor*innen zu sagen: Fragt doch mal in euren Portfolio-Unternehmen, wie das Zahlungsmanagement so läuft.“ Die Resonanz sei riesig gewesen. Tatsächlich war das Thema Bezahlung noch ein großer Schwachpunkt bei den Startups. „Die Investoren mussten wahrscheinlich das Telefon vom Ohr nehmen, weil es so einen lauten Aufschrei auf der anderen Seite gab“, sagt Collison und lacht.
Bis heute scheint seine Begeisterung für Zahlungsdienstleistungen – ein vermeintlich tristes Thema – ungebrochen. „Es ist wirklich wichtig – wir glauben, dass die neue Wirtschaft eines der spannendsten Themen dieser Jahrzehnte ist“, sagt er. „Auf einmal gibt es diese globale Koordination, seine Produkte überall auf der Welt zu verkaufen. Und wir wollen der Motor sein, der diese Dynamik schneller und schneller macht.“
Keine Eile für den Börsengang
Bereits 13 Jahre tüfteln die beiden Brüder nun an ihrem Fintech – und ein Ende ist nicht in Sicht. „Wir planen, noch die nächsten Jahrzehnte an Stripe zu arbeiten“, sagt Collison. Dabei scheint ihnen der Glaube an die eigene Mission wichtiger als der schnelle Exit. „Wir haben keine Eile für einen Börsengang“, sagt er. „Für die Presse ist das immer ein interessantes Thema, aber den Kund*innen ist es am Ende egal – sie wollen einfach ein gutes Produkt haben.“
Aktuell ist dies wahrscheinlich auch keine schlechte Strategie. Über Geschäftszahlen spricht die Stripe-Führung nämlich eher ungern und scheint so die Vorzüge einer privaten Unternehmung sehr zu genießen. Anders sah es zuletzt beim niederländischen Konkurrenten Adyen aus. Nach der Veröffentlichung enttäuschender Halbjahreszahlen ist der Börsenwert des Fintechs dramatisch abgestürzt und hat sich innerhalb weniger Tage fast halbiert.
Über die Aufstiegsgeschichte, die Konkurrent*innen und die Bedeutung von Europa spricht John Collison im OMR Podcast, den OMR-Gründer Philipp Westermeyer zusammen mit Finance-Forward-Redakteur Caspar Schlenk aufgenommen hat.