"Und dann fiel plötzlich diese Summe: 100 Millionen Euro"

Miniatur-Wunderland-Mitgründer Frederik Braun über den Aufbau von Deutschlands populärster Touristen-Attraktion, den neuen MiWuLa-Kinofilm und eine verlockende Offerte

Philipp Westermeyer und Frederik Braun vor dem neuen Monaco-Abschnitt im Miniatur Wunderland
Philipp Westermeyer und Frederik Braun vor dem neuen Monaco-Abschnitt im Miniatur Wunderland (Foto: OMR)
Inhalt
  1. "Wir machen keine Budgets"
  2. Gerade mal 200 Leute kamen zur Eröffnung
  3. Social Media statt Anzeigen
  4. Wunderland als (beinahe) poltikfreie Zone
  5. Investoren ließen sich nicht abwimmeln
  6. Persönliches Porträt auf großer Leinwand

1,5 Millionen Menschen besuchen das Miniatur Wunderland in der Hamburger Speicherstadt jedes Jahr. Damit ist die Welt im Maßstadt 1:87 – die als Modellbahnanlage nur unzureichend umschrieben ist – beliebter als Schloss Neuschwanstein. Im OMR Podcast berichtet Frederik Braun, wie aus seinem verrückten Einfall eine weltbekannte Attraktion wurde, die mittlerweile eine soliden zweistelligen Millionen-Umsatz erwirtschaftet und über 400 Leute beschäftigt. Außerdem geht es um die Kino-Doku, die gerade gestartet ist, um politische Haltung als Unternehmer und die Frage, ob es für Braun ein Leben nach dem MiWuLa geben kann. 

Eigentlich hätte Frederiks Zwillingsbruder und MiWuLa-Mitgründer Gerrit Braun bei der Aufnahme zum OMR Podcast dabei sein sollen. Doch an diesem Dienstag Anfang März hat er Wichtiges zu tun. Man trifft ihn in Monaco. Also in der Miniatur-Version der Stadt. Zwischen der Kaimauer samt Yachten und der Skyline, die sich an einen Berghang schmiegt, sausen lautlos kleine Formel-1-Wagen vorbei. Gerrit Braun schaut konzentriert auf ein Terminal, auf dem die Steuerungssoftware für die Rennstrecke läuft.

Bis zur Eröffnung des Monaco-Abschnitts Ende April sollen die Autos in der Lage sein, echte Rennen zu simulieren. Nach dem Zufallsprinzip mit unterschiedlichen Eigenschaften der Autos und offenem Ausgang. Seit elf Jahren arbeitet Gerrit Braun daran, diese Idee umzusetzen. Die Lösung sind Magnetfelder, die die Autos millimetergenau über die Strecke ziehen. So richtig verstehe er immer noch nicht, wie das funktioniert, sagt Frederik Braun im Podcast. "Auch von vielen Ingenieuren wurde gesagt, das sei nicht machbar." 

"Wir machen keine Budgets"

Die Formel-1-Strecke, an der sie im MiWuLa seit mehr als einem Jahrzehnt tüfteln, erzählt viel über die Herangehensweise der Braun-Brüder. Wenn sie an eine Idee glauben, dann wird die umgesetzt. "Wir machen keine Budgets", sagt Frederik Braun. "Wenn wir einen neuen Abschnitt bauen, dann ist der irgendwann fertig. Und dann rechnen wir vielleicht mal aus, was es gekostet hat." Insgesamt steckten in der Anlage mittlerweile 30 bis 40 Millionen Euro, schätzt er. 

Am Anfang stand ein Kredit über zwei Millionen D-Mark. Den hatten die Brüder von der Hamburger Sparkasse bekommen, nachdem sie ihren Kundenberater zum Fan der Idee machen konnten, in der Hansestadt die weltgrößte Modelleisenbahnanlage zu bauen. Und das Geld, das sie durch den Verkauf ihrer Disko erlösten. Denn natürlich sprengten sie ihr selbstgestecktes Budget. 

Gerade mal 200 Leute kamen zur Eröffnung

Am 18. August 2001 eröffnete dann das Miniatur Wunderland in einem ehemaligen Lagergebäude in der Hamburger Speicherstadt, die damals gerade vom Hafenareal zum künftigen touristischen Hotspot entwickelt wurde. Zeitung und TV hatten berichtet, und am Morgen standen 200 Leute vor der Tür. "Aber es kam nichts nach. Das war's. 200 Leute", erinnert sich Braun. Das gesteckte Ziel von 100.000 Besucher*innen im Jahr würden sie so nicht erreichen. Doch dann kam das Wochenende und damit der Ansturm. 

Sieht man von kurzen Dellen nach dem 11. September – ein weiterer Panikmoment nicht mal einen Monat nach der Eröffnung – und während der Corona-Pandemie ab, reißt der Besucherstrom nicht ab. Tickets in den Kernzeiten zwischen 9 und 17 Uhr sind in der Regel Monate im Voraus ausgebucht. Über die Jahre ist das Miniatur Wunderland von 1.600 auf 10.000 Quadratmeter gewachsen. Platz für rund 4.000 Menschen, die die Anlage gleichzeitig besuchen und die im Schnitt drei Stunden bleiben. 

Social Media statt Anzeigen

Bis heute hätten sie nie eine Anzeige geschaltet, sagt Braun. "Das Geld, das wir für Marketing ausgeben, sitzt hier in Personen, die Social Media machen." Content, der über eigene Kanäle ausgespielt wird, hätte von Beginn an eine große Rolle gespielt. Zunächst vor allem auf Facebook, wo einzelne Videos viral gegangen seien und 20 Millionen Views erzielt hätten, so Braun. Heute würden sie in erster Linie Youtube bespielen, wo das MiWuLa fast 700.000 Abonnent*innen hat, und Instagram, mit 1,9 Millionen Follower*innen der reichweitenstärkste Kanal. 

Gelegentlich erleben die Wunderland-Macher dort aber auch Shitstorms. Denn Frederick Braun hat wenig Scheu, die Reichweite für politische Anliegen zu nutzen. So kommentierten sie die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten mit dem Bau einer Mauer um den USA-Abschnitt. Die Videos darüber erregten neben viel Zuspruch auch harsche Kritik, vor allem aus den USA. 

Wunderland als (beinahe) poltikfreie Zone

Polarisiert habe auch die Tierwohl Ausstellung, in der sie eine Geflügelzucht nachbauten – mit dem Unterschied, dass hier menschliche Mütter statt Hühnern auf den Stangen saßen und statt männlicher Küken deren Kinder geschreddert wurden. So deutlich der Wunderland-Macher sich selbst und seine Firma im progressiven Spektrum positioniert, die Anlage selbst "versuche" man frei von Politik zu halten, erklärt Braun. 

Wenig überraschend ist das Miniatur Wunderland laut Braun "sehr profitabel". Doch auf große Gewinne lege man es nicht an. "Brauche ich nicht", sagt der Gründer. Dass es ihnen nicht um das Geld geht, wird spätestens deutlich, als er im OMR Podcast eine Anekdote erzählt. Beinahe jeden Tag bekomme man ein Angebot von jemandem, der in das MiWuLa investieren will oder eine Partnerschaft anbietet. Üblicherweise sagen sie alles direkt ab. 

Investoren ließen sich nicht abwimmeln

Doch eine Gruppe arabischer Investoren habe sich nicht abwimmeln lassen, erzählt Braun. Sie einen dann einfach vorbeigekommen und hätten angeboten, dass die Brüder auf der arabischen Halbinsel eine noch größere Anlage bauen. "Und dann", sagt Braun, "fiel plötzlich diese Summe: 100 Millionen". Die Brüder gaben sich eine Nacht Bedenkzeit, dann sagten sie ab. Eine Entscheidung, die Braun während des Corona-Lockdowns dann doch kurz hinterfragt habe, wie er zugibt.

Doch so richtig kann man sich ihn und seinen Zwillingsbruder Gerrit eh nirgendwo anders vorstellen. "Mein Tag startet immer schön", sagt Frederik Braun. Oft gehe er als erstes nach seiner Ankunft im Miniatur Wunderland durch die Anlage und freue sich an dem, was er und das Team erschaffen haben und beständig ausbauen. Gerade wurde der erste Südamerika-Abschnitt fertiggestellt. Für den haben die Braun-Brüder sich Unterstützung von einer Modellbauer-Familie aus Argentinien geholt. 

Persönliches Porträt auf großer Leinwand

Die spielt auch eine Rolle im Dokumentarfilm über die Miniatur-Wunderland-Macher, der gerade ins Kino gekommen ist. Der Film ist keine weitere "Baudokumentation", wie Braun das weidlich durchgespielte Genre nennt, sondern ein – mitunter sehr persönliches – Porträt von zwei Brüdern, aus deren kindlichem Spieltrieb eine der beliebtesten Touristen-Attraktion der Welt entstanden ist. 

Gut möglich, dass der Film ebenfalls zum Superlativ wird. In der Startwoche ist er auf mehr als 500 Leinwänden angelaufen. Eine Dimension, die üblicherweise Hollywood-Blockbustern vorbehalten ist. Der Verleiher hatte geplant, die Dokumentation direkt bei einem Streaming-Anbieter zu launchen und allenfalls in ein paar Programmkinos zu bringen. Alles darüber hinaus sei unmöglich, hieß es vom Verleih. Das ließen sich die Braun-Brüder natürlich nicht zweimal sagen.  

Wie die Braun-Brüder es geschafft haben, die Wunderland-Doku zum Blockbuster zu machen, wie Frederik Braun darüber denkt, dass seine Kinder die Leitung eines Tages übernehmen könnten, und weshalb er sich gerne als "linksgrün-versifft" bezeichnen lässt, das erzählt der Miniatur-Wunderland-Mitgründer in der neuen Episode des OMR Podcasts. 

Das sind die Themen des Podcasts mit Frederik Braun:

(00:00:32) Anfänge als Partyveranstalter und Diskobetreiber

(00:06:03) Ursprung der Idee zum Miniatur Wunderland 

(00:12:46) Suche nach der passenden Location 

(00:15:48) Modellbauer*innen-Casting in der Disko

(00:20:49) Skepsis und Bangen vor dem Start

(00:22:30) Eröffnung, Besucher-Boom – und 9/11

(00:28:06) PR, Owned Media und UGC als Marketing-Kanäle 

(00:32:29) Mitarbeitendenzahl und bisheriges Investment

(00:34:18) Wie die Formel 1 ins Modell-Monaco kam

(00:38:51) Zusammenarbeit mit Sponsoren 

(00:41:40) politisches und gesellschaftliches Engagement 

(00:47:48) Welche Social-Media-Plattformen am wichtigsten sind

(00:51:04) Corona-Krise, finanzielle Folgen und Besucherzahlen

(00:55:46) der dritte Partner und die Bedeutung seiner Frau

(00:58:55) Expansionsangebote und Konkurrenzanlagen

(01:08:33) Der Wunderland-Kinofilm 

(01:17:35) Was kommt nach dem Miniatur Wunderland?

(01:24:32) Pläne für den weiteren Ausbau

Infos zu aktuellen Aktionen und Gutscheincodes ausgewählter Werbepartner findet Ihr hier.

OMR PodcastGründerTourismus
Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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