100 Mio. Euro Umsatz: Dieser unbekannten Holding gehören Mediakraft, ReachHero und Gamigo
"Media and Games Invest" will durch gezielte Zukäufe im Gaming- und Media-Business jedes Jahr um 30 Prozent wachsen
- Start in der Games-Branche
- Eigene Media-Brands integrieren
- Hoffnung auf die Nischenrolle
- Millionen-Umsatz – aber auch organisches Wachstum?
Die Adtech-Branche kämpft seit Jahren mit dem Duopol Google und Facebook. Das anstehende Ende von Third-Party-Cookies dürfte den Druck weiter erhöhen. Da ist es fast überraschend, dass etwas unter dem Radar eine Holding entstanden ist, die unter anderem mit Werbetechnologie mehrere Hundert Millionen Euro Umsatz machen will. „Media and Games Invest“ hat unter der Führung von Remco Westermann in den vergangenen sechs Jahren über 30 Unternehmen gekauft – darunter Gamigo, Mediakraft, Pubnative, Verve, Applift und zuletzt die Influencer-Agentur ReachHero. Wir zeigen, was Westermann mit der Holding vorhat und warum er Games und Media so eng verzahnen will.
„Ich habe früher viele Sanierungen gemacht und anfänglich gedacht, ich saniere Gamigo und verkaufe es wieder“, sagt Remco Westermann gegenüber OMR. Der in Eindhoven geborene Manager ist schon seit Jahren vor allem im Digital- und Mobile-Business unterwegs, hatte zum Beispiel „Bob Mobile“ an die Börse gebracht, das Mitte der 2000er im Klingelton-Geschäft aktiv war und wie Jamba ab und an wegen vorgeworfener Abofallen in den Schlagzeilen auftauchte. 2012 übernimmt Westermann das damals defizitäre Gaming-Unternehmen Gamigo von Axel Springer.
Statt es aber wie geplant zu sanieren und wieder abzustoßen, will er den Anbieter für Mobile- und Online-Games langfristig zurück zum Erfolg führen. „Ich habe schnell gesehen, dass viele Spielefirmen zu klein sind, um wirklich etwas zu bewegen. Wenn du Spielelaunches nicht nur als Wette betreiben willst, musst du eine gewisse Größe erreichen.“ So beginnt seine Einkaufstour in der Branche – die 2018 zur Bildung der Holding „Media and Games Invest“, kurz MGI, führt.
Start in der Games-Branche
Bis heute hat Westermann 21 Firmen im Gaming-Bereich übernommen, vor allem Publisher und Plattformen, die Online-Rollenspiele im Portfolio haben – etwa WildTangent, Trion oder Looki. Auch die Games-Unternehmung von ProSieben, gehört über die MGI-Tochter Adspree zum Unternehmen. Laut eigenen Angaben erreicht die Holding mittlerweile über 600.000 Spieler täglich, fünf Millionen sind pro Monat aktiv. Umsatz mache das Unternehmen in der Spiele-Sparte vor allem mit In-Game-Einkäufen und Spiele-Abos.Treiber seien die mehr als 30 Online-Rollenspiele im Portfolio. Hinzu kommen über 5.000 sogenannte Casual Games. Die Spiele „Trove“ und „ArchAge“ sorgen laut MGI für jeweils acht Prozent des Gesamtumsatzes. „Für Games sehe ich zwei Erfolgsfaktoren: Regelmäßige Updates des Spiele-Contents und eine effektive User-Akquisition“, so Remco Westermann. In einer Unternehmenspräsentation spricht MGI davon, den Fokus voll auf den Return on Invest zu legen. Das bedeutet: Keine großen neuen Titel entwickeln, sondern erfolgreiche Spiele mit immer neuem Content weiter ausbauen.
Die Spieler bekommen immer neue Inhalte in den Rollenspielen und zahlen für neue Welten, Schwerter, andere Ausrüstung. Darüber hinaus habe der Kauf der Spielefirmen zu echten Synergie-Effekten geführt. Die Technikkosten lägen für jede der Firmen bei 30 Prozent. Jetzt, wo alles aus einer Hand komme, könne MGI das viel effizienter gestalten. Beim zweiten von Westermann angesprochenen Punkt, der User-Akquisition, kommt der zweite große Unternehmensteil von MGI ins Spiel.
Eigene Media-Brands integrieren
„Wir waren zu Beginn schwach und blind im Medienbereich und wir haben uns dann gefragt, ob wir 30 Leute für die verschiedenen Kanäle einstellen oder einfach direkt Medienfirmen übernehmen sollten“, sagt Remco Westermann. Er habe sich dann für die zweite Variante entschieden. „Der Medienmarkt konsolidiert und verändert sich gerade gleichzeitig. Viele Unternehmen haben nur einen Teil der Value Chain und sind auch zu klein, um wirklich zu profitieren“, erzählt er. „Wir wollen einen Full Stack aufbauen: Banner, Influencer, Video, Mobile, In-App, Web, DOOH, CTV – und das global.“ 2016 beginnt das Unternehmen damit, digitale Media- und Werbe-Firmen zu kaufen. 2017 landet das bekannte Multi-Channel-Network Mediakraft im Portfolio. Später kommen bekannte Marken wie die Influencer-Plattform ReachHero (vor vier Tagen komplette Übernahme), die Mobile-Player Applift, Pubnative und Verve, sowie einige weitere dazu.
Weil dadurch ein echtes zweites Business entsteht, benennt Westermann Gamigo 2018 in „Media and Games Invest“ um. Unter dem Dach fungiert die Gamigo Group als Spiele-Bereich und die neu gebildete Verve Group als Media-Sparte. „Unser Ziel im Medienbereich ist es, ein Komplettangebot an die Kunden zu verkaufen und so auch Kampagnen aus einer Hand auf alle Kanäle zu verteilen. Dafür integrieren wir alle Medien-Firmen, die wir kaufen, Stück für Stück“, erklärt Remco Westermann. „Unsere Media-Unternehmen sind eine eigenständige Gruppe und teilen auch keine Daten mit unserer Gaming-Gruppe. Sie arbeiten aber eng zusammen.“ Die Nutzer-Akquise werde durch die Synergien günstiger, weil die Margen des Ad-Einkaufs im Unternehmen bleiben würden. Gleichzeitig könne über die Adtech-Firmen Inventar innerhalb der Spiele angeboten werden – auch hier bliebe die Marge bei MGI.
Hoffnung auf die Nischenrolle
Aber reicht das, um auf dem umkämpften Adtech-Markt zu bestehen, wo zuletzt selbst riesige Player wie Sizmek Insolvenz beantragen mussten? Auch Sizmek hatte sich zum Ziel gesetzt, mit seinem Full-Stack-Ansatz zumindest eine Alternative zu Google und Facebook anzubieten – nur mit noch etwas mehr Kleingeld in der Hinterhand als MGI. „Klar, 70 Prozent des Gesamtmarkts wird von den GAFA-Unternehmen kontrolliert. Wir sehen aber viele Advertiser und Media-Agenturen, die es satt haben, von GAFA gegängelt zu werden“, sagt Remco Westermann. Das gelte vor allem für die USA, wo das Unternehmen jetzt schon 50 Prozent seines Gesamtumsatzes generiere. „Wir sind klein, aber wir wissen als Advertiser genau, wo der Need ist.“ Er wolle Erfahrungen, die er mit den Gaming-Unternehmen in Sachen Reichweiten-Einkauf mache, auch an externe Kunden seiner Medien-Unternehmen weitergeben.
Ein wichtiger Baustein neben den Technologie-Unternehmen mit DSP (Demand Side Plattform), SSP (Sell Side Plattform) & Co. soll dabei das Influencer-Business spielen. „Die Influencer-Firmen von MGI ergänzen sich jetzt schon gut. Mediakraft hat seine Stärken in der Produktion, wir von ReachHero haben den Kontakt zu Influencern und eine technische, skalierbare Lösung und Adspree hilft beim Paid Marketing“, erzählt ReachHero-Gründer Philipp John gegenüber OMR. Auch in diesem Bereich solle in Zukunft ein Komplett-Angebot an Kunden gemacht werden – auf Wunsch auch inklusive Kampagnen-Ausspielung über die Technologie-Plattformen von MGI. „Wir sehen aus der Gaming-Sparte heraus, wie effektiv Influencer sind“, sagt Remco Westermann.Und Philipp John fügt hinzu: „Influencer Marketing ist der meist unterschätzte Kanal, was die Effektivität betrifft. Das ist so ein bisschen wie bei TV, als es hier noch keine Messbarkeit gab.“ Der Influencer-Bereich laufe in Zukunft unter dem Dachnamen „Media Elements“. In Zukunft sei es aber denkbar, dass auch Marken wie ReachHero und Mediakraft in der Verve Group aufgehen.
Millionen-Umsatz – aber auch organisches Wachstum?
Durch die Zukäufe von zum Teil in Schwierigkeiten steckenden Unternehmen wächst auch der Umsatz von MGI. „Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft minimal 30 Prozent von Jahr zu Jahr wachsen können. Haben für 2020 unser Wachstumsziel aber aufgrund des guten Starts schon angehoben“, so Westermann. Für 2020 rechnet die Holding mit einem Umsatz zwischen 115 und 125 Millionen Euro (ein Wachstum zwischen 37 und 49 Prozent gegenüber 2019). Der EBITDA (Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen) soll auf 20 bis 23 Millionen Euro steigen. „Wir haben in Q2 ein sehr starkes Wachstum im Gaming-Bereich verzeichnet. Das war eine goldene Zeit in Sachen Umsatz und Neukunden“, erklärt der MGI-CEO.
Doch auch Remco Westermann weiß, dass er sich Wachstum nicht ewig erkaufen kann: „Wir haben jetzt über 30 Firmen gekauft. Jetzt wollen wir aber auch immer stärker organisch wachsen.“ In diesem Jahr soll das organische Wachstum erstmals die zehn Prozent Hürde überspringen. Nichtsdestotrotz will er natürlich auch in diesem Jahr die immer angepeilten drei bis fünf Firmen dazukaufen. Über 65 Unternehmen stehen auf der Shortlist.