Margrethe Vestager: „Mein Job ist nicht, im Krieg mit einzelnen Unternehmen zu sein“

Florian Rinke21.9.2022

Im OMR Podcast spricht die EU-Kommissarin über Lobbyismus in Brüssel und Regeln für Tech-Konzerne

Margrethe Vestager ist seit 2014 EU-Kommissarin für Wettbewerb. Foto: EU-Kommission
Margrethe Vestager ist seit 2014 EU-Kommissarin für Wettbewerb. Foto: EU-Kommission

Seit acht Jahren kämpft Margrethe Vestager als EU-Kommissarin gegen die Übermacht der Tech-Konzerne. Und obwohl diese so viel Geld in Lobby-Arbeit stecken wie keine andere Branche, konnte sie in dieser Zeit etliche Erfolge feiern. Was jetzt noch passieren muss, erklärt sie im OMR Podcast.

Margrethe Vestager wurde bereits als „Google-Schreck“ bezeichnet, als „Googles schlimmster Albtraum“ oder auch „Googles härteste Gegnerin“. Wahlweise nannten die Medien sie sogar schon „Margrethe, die Mutige“. Und obwohl der Tech-Konzern erst vor wenigen Tagen zu einer Strafe von mehr als vier Milliarden Euro verdonnert wurde, sagt sie selbst über ihre Arbeit:  „Meine Job-Beschreibung ist nicht, im Krieg mit einzelnen Unternehmen zu sein. Meine Jobbeschreibung ist, illegales Verhalten zu unterbinden“.

Seit 2014 ist die Dänin EU-Kommissarin für Wettbewerb. Seitdem versucht sie, die Macht der Tech-Konzerne zu beschneiden und wieder für mehr Chancengleichheit auf den Märkten zu sorgen. Die Liste der Verfahren, die sie seitdem gegen Google, Apple und Co. angestrengt hat, ist lang: Mal ging es um Steuerdumping (Apple), mal um den Missbrauch von Marktmacht bei Preisvergleichen (Google) oder um den Missbrauch von Händlerdaten, um die eigene Position zu verbessern (Amazon). 

Europas digitales Grundgesetz

Die Verfahren haben öffentlich für viel Aufmerksamkeit gesorgt – doch nicht immer gingen Vestager und die EU-Kommission siegreich vom Platz. Denn das Fehlverhalten in den jeweils einzelnen Fällen nachzuweisen, ist schwer. Mit den von der EU zuletzt auf den Weg gebrachten Gesetzespaketen Digital Services Act und Digital Markets Act wurde daher inzwischen eine Art digitales Grundgesetz für Europa geschaffen (hier erklären wir die Details). Es ist ein großer Erfolg für Margrethe Vestager, doch die 54-Jährige will diesen im OMR Podcast noch nicht als solchen bezeichnen: „Es reicht nicht aus, eine Regulierung zu verabschieden, man muss sie auch implementieren, so dass die Effekte jeden Tag zu sehen sind“.

Den beiden Gesetzespaketen vorausgegangen war eine regelrechte Lobby-Schlacht. Die Tech-Konzerne steckten zuletzt mehr Geld in die Lobby-Arbeit in Brüssel als die Pharma-, Energie- oder Tabakindustrie. Gemessen an den Möglichkeiten der Konzerne ist Vestagers Büro mit knapp 25 Personen und ihr Ministerium mit insgesamt 900 Mitarbeitenden eher schmal besetzt. Der EU-Kommissarin ist das bewusst: „Wir können die Anwälte und Lobbyisten zahlenmäßig niemals übertreffen, aber die Leidenschaft in meinem Team sorgt dafür, dass wir trotzdem sehr nützliche Dinge erreichen.“

Margrethe Vestager trifft sich nicht mit Lobbyisten

Für den Umgang mit den Konzernen und Lobbyisten hat sich die Kommissarin auch selbst ein paar Regeln auferlegt: Sie trifft nur die CEOs von Unternehmen, nicht deren Lobbyisten. „Ich kann mich nicht mit jemandem treffen, der nur dafür bezahlt wird, mir Botschaften aufzudrängen.“ Umso wichtiger sei es, dennoch ein offenes Ohr für Probleme zu haben. Vestager unterscheidet dabei zwischen Lobbyismus und berechtigter Kritik. Letztere sei immer willkommen, sagt sie, „wenn das, was wir uns überlegt haben, nicht gut genug ist“.

Ans Aufhören denkt die Ökonomin, die zwischenzeitlich sogar als Kandidatin für den Posten der Kommissionspräsidentin gehandelt wurde, offenbar noch lange nicht. Eher scheint es, als würde sie sich bereits für die nächsten Herausforderungen wappnen – wie beispielsweise das Metaverse. Denn dieses hat der in Meta umbenannte Facebook-Konzern ja als Wachstumsfeld ausgemacht. Für Margrethe Vestager ist das grundsätzlich kein Problem. Sie sagt aber auch: Selbst wenn Facebook jetzt Meta hieße, habe der Konzern kein Monopol für das Metaverse. „Wir müssen sicherstellen, dass unsere Regeln auch dort gelten“, sagt Vestager.

Im OMR Podcast erzählt Margrethe Vestager außerdem, warum sie nicht bei Tiktok ist, was sie über die Diskussion um das Tanz-Video von Finnlands Premierministerin Sanna Marin denkt – und was eine Fremde in einem Brüsseler Café zu Vestagers Tochter sagte.

Die Themen des OMR Podcasts mit Margrethe Vestager im Überblick:

  • Was der größte Erfolg von Margrethe Vestager mit einem Café-Besuch zu tun hat (00:02:30)
  • Das bewirken der Digital Services Act und der Digital Markets Act (00:09:30)
  • Das denkt Margrethe Vestager über das Metaverse (00:19:00)
  • Wie Dark Patterns das Nutzer*innen-Verhalten prägen (00:25:00)
  • Margrethe Vestager über Journalismus und dessen Zukunft (00:32:00)
  • Was die EU-Kommissarin über das Tanzvideo von Sanna Marin denkt (00:41:00)
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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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