Kritik an Tiktok: Worum es geht und was dran ist

Tiktok hat weltweit mehr als eine Milliarde aktive Nutzer:innen. Doch es gibt auch immer wieder Ärger.

Die Tiktok-App auf einem iPhone. Im Hintergrund ist die chinesische Flagge zu sehen. Foto: Solen Feyissa/Unsplash
Die Tiktok-App auf einem iPhone. Im Hintergrund ist die chinesische Flagge zu sehen. Foto: Solen Feyissa/Unsplash

In Medienberichten heißt es immer wieder, dass Tiktok in der Kritik stehe oder umstritten sei. Doch worum geht es da genau? Wir haben die Vorwürfe gegen das soziale Netzwerk einmal zusammengetragen.

Der prominenteste Kritiker der Social-Media-App Tiktok ist nicht mehr im Amt: Als US-Präsident hatte Donald Trump damit gedroht, Tiktok aus den App-Stores von Google und Apple zu verbannen, was einem faktischen Verbot in den USA gleichgekommen wäre. Trump scheiterte zwar mit diesem Plan, weil sich die Tiktok-Mutter Bytedance gerichtlich wehrte. Doch in vielen westlichen Ländern gibt es noch immer Zweifel an der speziell bei Jugendlichen so beliebten App.

Die Liste der Vorwürfe ist dabei vielfältig. Dennoch ist Tiktok in den vergangenen Jahren rasant gewachsen und hat inzwischen weltweit mehr als eine Milliarde aktive Nutzer:innen. Frühere Platzhirsche wie Instagram versuchen bereits, etwas mehr wie Tiktok zu werden, indem sie etwa Kurzvideo-Funktionen in ihr Angebot integrieren („Instagram Reels“). Wir zeigen, welche Kritikpunkte es gibt – und was dran ist.

Vorwurf 1: Handlanger der chinesischen Regierung

In seiner Zeit als Präsident hatte Donald Trump gegenüber der Volksrepublik China stärker auf Konfrontation gesetzt und dabei auch den Druck auf chinesische Unternehmen wie den Netzwerkausrüster Huawei oder eben auch die Tiktok-Mutter Bytedance erhöht. „Wir werden Tiktok entweder in diesem Land aus Sicherheitsgründen dichtmachen oder es wird verkauft“, hatte Donald Trump 2020 gedroht. Er sah in der App ein Sicherheitsrisiko, weil der chinesische Staat Zugriff auf die Daten haben könnte. Im August 2020 unterzeichnete er zwei sogenannte „executive orders“, die US-Unternehmen unter anderem verboten, mit Bytedance Geschäfte zu treiben. Damit hätten Google und Apple die App aus ihrem App-Store entfernen müssen.

Bytedance wollte daraufhin das US-Geschäft an den Software-Konzern Oracle und den Einzelhändler Walmart verkaufen, um einem Bann zu entgehen. Oracle-Gründer Larry Ellison war ein Unterstützer von Trump. Nach Trumps Wahlniederlage kippte Bytedance diese Pläne jedoch wieder. Oracle bleibt aber Geschäftspartner der Chinesen. Die Server des Unternehmens sollen künftig dazu dienen, die Daten von US-Bürgern zu speichern. Tiktok hat auch den Bau eines Datenzentrums in Europa angekündigt. Ab 2023 sollen die Daten von Nutzer:innen aus der EU und Großbritannien in Irland gespeichert werden.

Die Kritik an Bytedance ist längst nicht verstummt. Zuletzt forderte auch der Chef der US-Telekommunikationsbehörde FCC, Brendan Carr, ein Tiktok-Verbot. Er reagierte damit auf einen Bericht von „Buzzfeed“, wonach Tiktok-Mitarbeiter in China monatelang Zugriff auf nicht-öffentliche Informationen von US-Bürgern hatten. Zusätzliche Brisanz erhielt das Thema dadurch, dass der chinesische Staat sich 2021 an einer Bytedance-Tochterfirma beteiligt hatte und auch einen Platz im Aufsichtsrat übernahm. Bytedance hat inzwischen bestätigt, dass chinesische Mitarbeitende Zugriff auf Daten von US-Bürgern haben. Man teile aber keine Informationen mit der chinesischen Regierung, versicherte Firmenchef Shou Zi Chew in einem Brief an US-Senatoren. Er verwies außerdem auf die geplante Lösung mit Oracle, durch die Daten von US-Bürgern künftig nur noch in den USA gespeichert werden sollen.

Auch in Deutschland gibt es Tiktok-Skeptiker, unter anderem Bild-Chefredakteur Johannes Boie. Er verriet kürzlich im OMR Podcast, dass er Tiktok weder auf dem Handy noch auf dem Computer habe. Auch Europas größtes Boulevard-Medium Bild verzichtet auf einen eigenen Tiktok-Auftritt. Das Netzwerk komme aus China, begründet Boie die Haltung – und dabei handele es sich um eine knallharte Diktatur.

Dass Tech-Konzerne wegen ihres Umgangs mit Nutzer:innen-Daten in die Kritik geraten, ist dabei nicht neu. Auch der Europäische Gerichtshof hatte vor einigen Jahren ein Abkommen zwischen den USA und der EU gekippt, weil es – etwa mit Blick auf Facebook – den notwendigen Schutz von Daten von EU-Bürgern nicht gewährleistet sah.

Vorwurf 2: Tiktok zensiert die Inhalte

Als Tausende in Hongkong gegen die chinesische Regierung protestieren, tauchten die Bilder genauso in westlichen Medien wie in westlichen sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook auf. Laut einem Bericht der „Welt“ ließen sich hingegen im Sommer 2019 nur wenige Bilder der Proteste unter dem Hashtag #Hongkong bei Tiktok finden. Das Portal „Netzpolitik.org“ wiederum behauptete im vergangenen Jahr, ein Entwickler-Team arbeite an einer Software, mit der sich die Uigurische Sprache erkennen lasse. China unterdrückt die Uiguren seit Jahren im eigenen Land, es gibt Berichte über Umerziehungslager. Außerdem gebe es zahlreiche Content-Moderatoren, die sich darum kümmern, china-kritische Posts verschwinden zu lassen, berichtete Netzpolitik.org.

Zuletzt gab es jedoch auch Berichte über eine Zensur in Europa. Recherchen von WDR, NDR und Süddeutscher Zeitung hatten gezeigt, dass Beiträge mit Begriffen wie „schwul“, „queer“ oder „homosexuell“ in Deutschland nicht ausgespielt wurden, ohne dass dies für den Ersteller ersichtlich war. Shadow-Banning nennt sich diese Praxis. Gegenüber den Medien hatte Tiktok die Filter-Praxis bestätigt und angekündigt, diese zu überarbeiten.

In die Kritik geriet Tiktok im Frühjahr außerdem, weil das soziale Netzwerk nach dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine bestimmte Inhalte in Russland blockierte. Während einerseits Hashtags und Videos blockiert wurden, die den Krieg thematisieren, ließ das Netzwerk gleichzeitig pro-russische Propaganda zu.  Tiktok und der Mutterkonzern Bytedance hatten beteuert, dass die Maßnahmen dem Schutz der Nutzer:innen und Mitarbeiter:innen diene.

Vorwurf 3: Tiktok ist Kinder- und Jugendschutz egal

Immer wieder wird Tiktok vorgeworfen, zu wenig für den Schutz von Kindern- und Jugendlichen zu tun. Eigentlich hat das soziale Netzwerk eine Altersgrenze von 13 Jahren. Unter-18-Jährige benötigen daher theoretisch die Erlaubnis ihrer Eltern. Jugendschützer hatten jedoch immer wieder kritisiert, dass Tiktok die Altersangaben nicht prüfe. Bytedance hatte daher zwischenzeitlich Änderungen und mehr Kontrolle vorgeschlagen.

Im Fokus steht unter anderem Tiktoks Vorgehen bei Videos, in denen es um die sogenannte „Blackout-Challenge“ geht. Dabei geht es darum, einen kurzen Moment der Ohnmacht herbeizuführen. Inzwischen werden mindestens sieben Todesfälle von Kindern und Jugendlichen mit dieser Challenge in Verbindung gebracht. Aktuell werden in den USA zwei Fälle vor Gericht verhandelt, in denen sich junge Mädchen (8 und 9 Jahre) erhängt hatten – offenbar wollten sie an der Challenge teilnehmen. Die Eltern werfen Tiktok vor, dass der Algorithmus der App Videos dieser Challenge gezielt an Kinder ausgespielt habe. Das Netzwerk hätte aus ihrer Sicht mehr unternehmen müssen, um das zu unterbinden. Tiktok hatte gegenüber US-Medien betont, dass man entsprechende Videos sofort entferne, sobald man sie finde.

Im Februar 2021 hatte außerdem der Europäische Verbraucherverband (BEUC) bei der EU-Kommission Beschwerde eingereicht. Die Verbraucherschützer warfen Tiktok vor, Kinder nicht ausreichend vor versteckter Werbung und unangemessenen Inhalten zu schützen. Tiktok hat sich inzwischen gegenüber der EU-Kommission zu verschiedenen Maßnahmen verpflichtet, um eine bessere Kontrolle sicherzustellen.

Generell muss man sagen, dass viele der Vorwürfe gegen Tiktok in der Vergangenheit auch schon gegen andere soziale Netzwerke erhoben wurden – insbesondere natürlich gegen die Meta-Marken Facebook und Instagram. Auch diese waren rasant gewachsen und sahen sich mit steigender Beliebtheit zunehmend stärkerer Kritik ausgesetzt. Auch hier ging es um die Kennzeichnung von Werbung, um Kinder- und Jugendschutz oder die Datensicherheit vor staatlichem Zugriff. Hinzu kommen Vorwürfe, bei der US-Wahl 2016 nicht genug gegen Wähler:innen-Manipulation getan zu haben.

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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