Mobilfunk für alle: Wieso in Zukunft jede Marke einen eigenen Handyvertrag anbieten könnte

Florian Rinke7.12.2022

Eigentlich vermietet Grover Elektrogeräte. Nun startet das Startup ein neues Angebot

Ein Mann fotografiert sich und sein Kind mit dem Smartphone. Foto: Grover
Ein Mann fotografiert sich und sein Kind mit dem Smartphone. Foto: Grover

Viele Startups versuchen gerade, den Umsatz pro Kunde und Kundin deutlich zu steigern. Das Startup Grover bietet daher künftig eigene Mobilfunktarife an. Möglich macht das die Technologie eines deutsch-amerikanischen Startups. Das Potenzial ist riesig.

Ein Schinkenbrot ist an und für sich keine Sensation. Eine Eisenbahnfahrt auch nicht. Dennoch gelang Thomas Cook mit diesen beiden Elementen 1841 eine Art kleine Revolution. Denn der Brite schnürte aus dem Bahnticket und den Broten ein (metaphorisches) Paket. Die Pauschalreise war geboren. Heute werden mit diesen Reise-Paketen Milliarden umgesetzt. Aus Sicht der Kunden liegt die Logik auf der Hand: Natürlich könnten sie Hotel und Flug einzeln buchen. Doch dann müssten sie sich auch vor Ort um die Anreise zum Hotel kümmern, um die Abreise, etc. – zusätzlicher Stress, der bei der Pauschalreise im Idealfall entfällt.

Im Grunde führt das Berliner Startup Grover also so eine Art Pauschalreise im Unterhaltungselektronik-Bereich ein. Über das Startup lassen sich Elektrogeräte wie Smartphones oder Tablets mieten (das Unternehmen zählte damit 2021 zu den stärksten Marken der Startup-Szene). Ab sofort bietet Grover seinen Kund*innen in den USA mit Grover Connect auch noch einen passenden Mobilfunkdienst an. Geräte lassen sich dann sofort per elektronischer SIM-Karte aktivieren. Laut Gründer Michael Cassau hatten Tests im Sommer zuvor gezeigt, dass ein eigener Mobilfunkdienst die Aktivierungsraten deutlich verbessert. „Das führt zu einer höheren Kundenzufriedenheit und letztendlich zu einer stärkeren Kundenbindung“, sagt der Grover-CEO.

Grover will den Kundenwert steigern

Die Zeiten des billigen Geldes sind durch die Zinswende der Notenbanken erstmal vorbei. Vielerorts sinken die Marketingbudgets, Investoren werden vorsichtiger. Umso wichtiger wird es für Unternehmen wie Grover, den Wert der Kund*innen (Customer Lifetime Value) zu steigern – zum Beispiel durch solche Bundle-Angebote, bei denen man zur Miete der Geräte noch einen zusätzlichen Service anbietet.

Michael Cassau und Thomas Antonioli haben Grover gegründet. Foto: Grover

Michael Cassau und Thomas Antonioli haben Grover gegründet. Foto: Grover

Möglich macht das im Fall von Grover aktuell die Technologie eines anderen Berliner Startups: Gigs. Mit der Technologie des amerikanisch-deutschen Startups sollen Unternehmen sehr einfach eigene Mobilfunkangebote starten können. Laut Gigs haben sie dabei die volle Kontrolle über den Markenauftritt und die Preisgestaltung. Die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig: Neobanken könnten neben Kredit- oder Debitkarten auch noch eigene Mobilfunktarife anbieten, Lieferdienste könnten ihre Mitarbeitenden mit eigenen Angeboten ausstatten oder Sportvereine ihren Fans eine Art Club-Tarif anbieten. Und natürlich können auch andere Unternehmen eigene Tarife starten, die sie dann an Endkunden verkaufen. Das gibt es zwar teilweise heute schon (etwa vom Discounter Aldi), doch der Aufbau eines solchen Angebots ist relativ aufwendig und besteht am Ende in der Zusammenarbeit mit einem Netzbetreiber.

Telecom-as-a-service als neue Kategorie

Im Grunde will Gigs eine neue Kategorie erschaffen: Telecom-as-a-service. Das Team vom Y Combinator haben die Gründer Hermann Frank und Dennis Bauer bereits überzeugt. Die beiden durften mit ihrer Idee das berühmte Startup-Programm durchlaufen. In einer Series-A-Finanzierungsrunde konnte das amerikanisch-deutsche Startup zuletzt auch rund 20 Millionen US-Dollar von Investoren einsammeln. Dazu zählen unter anderem Uber-CEO Dara Khosrowshahi und N26-Mitgründer Maximilian Tayenthal. Eigene Netze hat das Unternehmen, das aktuell rund 40 Mitarbeitende hat, nicht. Bislang arbeitet es mit anderen Netzbetreibern zusammen. Ob diese dauerhaft Lust haben, einem potenziellen Konkurrenten ihre Infrastruktur zu überlassen, ist allerdings unklar.

Doch mit diesen Fragen müssen sich natürlich Kunden wie Grover nicht beschäftigen. Dort sieht man erstmal die Chancen. Denn für den Miet-Elektronik-Anbieter macht die Ausweitung des Angebots sehr viel Sinn. Das eigentliche Kerngeschäft ist nämlich extrem kostenintensiv. Das Startup muss die Produkte schließlich erst anschaffen und vorfinanzieren, bevor es sie vermieten kann. Laut Crunchbase hat Grover daher seit der Gründung im Jahr 2015 bereits 2,3 Milliarden US-Dollar von Investoren eingesammelt. Laut „Finance Forward“ soll außerdem im vergangenen Jahr auch ein Börsengang Thema gewesen sein. Dieser hätte zusätzliche Liquidität gebracht und mitunter den Zugang zu Kapital erleichtert.

2023 soll das Mobilfunk-Angebot auch in Deutschland starten

Eine Erweiterung des eigenen Angebots um Mobilfunkverträge macht für Grover daher strategisch extrem viel Sinn. Denn der Wert pro Kunde und Kundin lässt sich dadurch deutlich steigern. Aktuell müssen die Einnahmen aus der Vermietung der Geräte die Ausgaben für die Anschaffung, die Marketingkosten und natürlich auch die operativen Kosten (Grover hat allein rund 600 Mitarbeitende) übertreffen. Künftig kämen dazu dann noch die Einnahmen aus dem Mobilfunkgeschäft.

In den USA plant man zum Start immerhin mit Angeboten ab 34,99 US-Dollar pro Monat. Dafür bekommen die Kund*innen zehn Gigabyte Datenvolumen. Einen Tarif mit unbegrenztem Datenvolumen bietet Grover für 60 Dollar inklusive Steuern und Gebühren an. Eine Sprecherin betonte, im Vergleich zu anderen US-Anbietern „bieten wir deutlich bessere Konditionen“. 2023 soll das Angebot auch in Deutschland und anderen Märkten an den Start gehen. Zum Vergleich: Das iPhone 14 kostet bei Grover aktuell knapp 55 Euro monatlich.

Grover experimentiert bereits mit Visa-Karten

Für Unternehmen wie Grover könnten solche Mobilfunk-Angebote langfristig auch eine Möglichkeit sein, den eigenen Kund*innen weitere Angebote zu machen. Aktuell gibt es dies bereits bei der Grover Card, eine Visa-Debit-Karte, die das Startup zusammen mit der Solarisbank auf den Markt gebracht hat. Hier können die Nutzer*innen bei Einkäufen sparen (Cashback) oder bekommen Tech-Produkte von Grover günstiger. In einer App lassen sich sowohl die Tech-Mieten als auch die Zahlungen verwalten. Auch so bindet Grover seine Nutzer*innen immer stärker in einem eigenen Ökosystem.

Ähnlich ließe sich dies mit den Mobilfunk-Angeboten ausgestalten. So könnten Nutzer*innen beispielsweise speziell auf passende Produkte Vergünstigungen bekommen. Wer ein Smartphone samt Mobilfunk-Angebot bucht, könnte dann beispielsweise die Smartwatch vergünstigt hinzu buchen. Auch das würde den Kundenwert weiter steigern. Auch das kennt man ja von der Pauschalreise: Ist man erstmal im Hotel angekommen, lassen sich problemlos zusätzliche Angebote wie Getränke-Flatrates oder Ausflüge buchen.

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Florian Rinke
Autor*In
Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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