Gwyneth Paltrows Goop: Mit zwielichtigen und raffinierten Methoden zum Millionen-Business

Martin Gardt8.2.2019

Als Wellness-Newsletter gestartet, erreicht Goop heute mit seinem E-Commerce- und Medien-Geschäft Millionen Kunden

Gwyneth Paltrow
Gwyneth Paltrow (Foto: Goop)

Gwyneth Paltrow ist eine der bekanntesten Hollywood-Schauspielerinnen der vergangenen 20 Jahre. Und offenbar ganz vernarrt in alternative Medizin. Ihr Unternehmen Goop ist eine Mischung aus Digital-Publisher und Online-Shop für Themen rund um vermeintlich gesunden Lifestyle. Manchmal gehört dazu wohl auch das Einnehmen von teuren Vitamin-Tabletten. Das Unternehmen hat mit verschiedenen Tipps rund um Heiler und Jade-Eier mehrere Shitstorms ausgelöst – Paltrow hat es aber perfektioniert, den Ärger zu Geld zu machen.

In ihrer Küche in London schreibt Gwyneth Paltrow 2008 den ersten Newsletter unter dem Namen Goop. Der Name setzt sich angeblich aus ihren Initialen und dem Wunsch zusammen, ein Internetunternehmen mit zwei O’s zu gründen. Das seien schließlich die erfolgreichsten. „Ich führe ein einzigartiges Leben und bin um die ganze Welt gereist. Ich bin der Mensch, den meine Freunde anrufen, wenn sie wissen wollen, wie sie ihr Badezimmer gestalten sollten oder wie sie eines meiner Rezepte zubereiten sollten. Ich dachte, es würde Spaß machen, solche Dinge auf kreative Art mit meinen Freunden zu teilen“, erklärt Paltrow schon 2009.

Die Mischung aus Rezepten, Mode-, Lebens- und Reisetipps eines echten Stars erreicht schnell eine größere Zielgruppe und Paltrow erkennt, dass sie damit auch Geld verdienen könnte. 2012 startet Goop einen Online-Shop, der im ersten Jahr 1,5 Millionen US-Dollar Umsatz bringt – mit dem Verkauf von Rosenwasser-Gesichtsmasken, dünnen Kleidchen und Kochbüchern. Heute umfasst Goop den Newsletter, eine Webseite mit Selfhelp-Artikeln zu Liebe, Mode und Gesundheit, den Online-Shop, mehrere Pup-Up-Stores, einen Podcast, ein Print-Magazin, verschiedene Events und, wie gerade verkündet, bald eine Serie auf Netflix. Es könnte also nochmal ein dramatisches Wachstum anstehen.

Vom Newsletter zum Publisher

Schon kurz nach dem Start des Newsletters richtet Paltrow die Webseite goop.com als Destination für die Newsletter-Abonnenten ein. Unter den Stichworten „Make“ (Rezepte), „Go“ (Reisen), „Get“ (Mode), „Do“ (Lebenstipps), „Be“ (Wellness) und „See“ (Lesetipps) finden Paltrow-Fans zu dieser Zeit noch selbstgeschriebene Inhalte des Stars. Die Schauspielerin lässt die Leser zu der Zeit an ihrem Leben teilhaben und verspricht mit ihren Tipps, dass jeder das erreichen kann, was sie geschafft hat. Über die Jahre entwickelt sie daraus einen Ratgeber-Publisher mit 150 Mitarbeitern – heute schreibt sie die wenigsten Artikel selbst. 

Goop-Webseite

Die Webseite von Goop

Die Reichweite des Newsletters steigt über die Jahre immer weiter. 2014 zählt Goop 700.000 Abonnenten und eine Millionen Besucher im Monat. Heute hat der zweiwöchentlich erscheinende Newsletter acht Millionen Abonnenten und eine Öffnungsrate von 30 Prozent. Laut dem Analyse-Tool Similar Web verzeichnet die Seite aktuell mehr als 2,6 Millionen Visits im Monat. Der Look von goop.com erinnert dabei mittlerweile viel eher an typische Digital-Magazine, die Themen haben sich im Vergleich zur Anfangszeit jedoch kaum verändert. Es geht um Mode, Gesundheit, Reisen und alles, was die Zielgruppe so interessiert. Denn deren Vertreterinnen sind weiblich, weiß, im Durchschnitt 34 und verdienen über 100.000 US-Dollar pro Jahr. Das Unternehmen nennt seine Fans einfach „Goopies“.

E-Commerce mit dem Wissen über die Zielgruppe

Und passend zu dieser Zielgruppe baut Goop bis heute sein E-Commerce-Geschäft zur Umsatzquelle Nummer 1 aus. Zu Beginn schließt das Unternehmen vor allem Partnerschaften mit Brands ab, die dann Wellness-Produkte, Kleidung oder Kochbücher verkaufen. Darunter sind dann so seltsame Produkte wie ein Jade-Ei, das die sexuelle Energie der Käuferinnen erhöhen sollte. Paltrow schreibt schon in dieser Zeit Beiträge rund um die Produkte herum, um sie mit einer Story aufzuladen – die Branche spricht von „contextual commerce“. Einen Schritt weiter geht Goop dann 2016 mit selbst gebrandeten Produkten. Heute gibt es zehn dieser „Made by Goop“-Produktgruppen. Darunter so harmlose Dinge wie Kleidung unter dem Namen „G. Label“, aber eben auch merkwürdige Produkte wie „The Goop Medicine Bag“, gefüllt mit neun „heilenden Kristallen“ zum Gesamtpreis von 93 US-Dollar

Goop Online-Shop

Heilende Steine von Goop

Wie gelingt es Goop, solche esoterischen Produkte an die Frau zu bringen? Mit dem Wissen, welche Artikel gut klicken. Als 2017 einer von Goops ausgewählten Medizinern den Begriff „postnatale Erschöpfung“ erfindet, und der Artikel durch die Decke geht, erfindet das Unternehmen „Goop Wellness“ Vitamin-Kapseln, die gegen Müdigkeit, bei Problemen in der Schwangerschaft oder einfach beim Wohlfühlen helfen sollen. Laut Goop verkauft das Unternehmen am ersten Tag Vitamin-Kapseln im Wert von 100.000 US-Dollar. „Wir haben realisiert, dass Menschen nach einem Ort suchen, an dem sie Vertrauen, Authentizität und bestmögliche Informationen finden. Ob es dabei um ein Rezept oder einen organischen Lippenbalsam geht, ist egal“, sagt Paltrow. Die Gynäkologin Jen Gunter, die Goop schon länger kritisiert, sagt dazu: „Der Mehrheit der Gesundheitsprodukte (90 Prozent) kann wissenschaftlich keine Wirkung nachgewiesen werden.“

Goop Vitaminkapseln

Vitamin-Kapseln für jedes Problem

Nicht ohne Kontroversen

Bis heute gehört diese Art, Produkte zu entwickeln, zum Geschäftsmodell: Das Content-Team führt Gespräche mit Medizinern oder Heilern wie der Paltrow-Freundin Shiva Rose und macht der Zielgruppe so Angst und verkauft dann mit den eigenen Produkten direkt die Lösung mit. Das sorgt natürlich für viel Kritik von außen – und Aufmerksamkeit durch Regulierungsbehörden in den USA. Schließlich ist der Verkauf von komischen Produkten an sich noch nicht problematisch. Kommt aber das Versprechen hinzu, dass ein Jade-Ei, welches Frauen in ihre Vagina einführen, nicht nur für mehr sexuelle Energie sorgt, sondern die Kontrolle über die Blasentätigkeit und den Zyklus erhöht, wird es grenzwertig. Im September stimmte Goop einem Vergleich zu, 145.000 US-Dollar Strafe zu zahlen und drei Produkte aus dem Sortiment zu nehmen – darunter das Jade-Ei für 66 US-Dollar. Bis zum Zeitpunkt des Verkaufsstopps habe Goop 3.000 Jade-Eier verkauft. Das macht einen Umsatz von 198.000 US-Dollar.

Goop Jade-Ei

Das mittlerweile aus dem Verkehr gezogene Jade-Ei von Goop

Die bereits erwähnte Gynäkologin Jen Gunter ist mittlerweile selbst ein wenig berühmt geworden mit ihrer Kritik an Goop. In über 30 Blog-Artikeln beschreibt sie seit 2015, welche Claims auf der Webseite aus ihrer Sicht jeder wissenschaftlicher Grundlage entbehren. Ein offener Brief an Goop, den Gunter auf der US-Seite der Huffington Post veröffentlichte, generierte in kurzer Zeit über 800.000 Webseitenbesuche auf Gunters Blog. Darin klärt Gunter zum Beispiel auf, welche Goop-Behauptungen ihr besonders übel aufstoßen: „Tampons sind keine vaginalen Tötungs-Sticks“, „Gemüse mit Lektinen (einem Protein) töten uns nicht“, „Vaginas müssen nicht gedampft werden“ usw. 

Am Ende könnte all die Kritik Goop aber sogar nutzen. Kritische Artikel in der New York Times, bei Jezebel und Slate treiben den Traffic von Goop weiter an. Gwyneth Paltrow nennt solche Momente selbst „kulturelle Feuerstürme“. „Diese Aufmerksamkeit kann ich monetarisieren“, sagt sie. Gleichzeitig können sich Goop und die befreundeten Mediziner als Opfer eines Angriffs aus der Mainstream-Wissenschaft inszenieren. So bleiben die Fans umso treuer.

Events und Pop-Up-Stores

Diese Treue will Paltrow jetzt auch Offline zu Geld machen. Seit 2017 veranstaltet das Unternehmen mit den „In Goop Health Summits“ ein eigenes Event-Format. Für 2019 sind bereits Veranstaltungen in New York, Los Angeles und London angekündigt. Ein Ticket kostet 1.000 US-Dollar, ein „Wellness Weekender Pass“ inklusive Hotelübernachtung und Transport zum Event 4.500 US-Dollar. Besucher können Talks von typischen Goop-Speakern (Mediziner, Heiler, Yogis) besuchen, Goop-Produkte ausprobieren und Yoga praktizieren. Auf solchen Events kann Goop außerdem noch einmal langjährige Partner ins Boot holen. Denn die lassen sich auch von den Kontroversen rund um die Brand nicht abschrecken – die Zielgruppe von Goop ist einfach zu spannend.

Laut Goop arbeitet das Unternehmen langfristig mit anderen Brands zusammen – und das nicht nur durch den Verkauf von Drittprodukten im eigenen Shop. Auf der Webseite erscheinen regelmäßig Artikel mit nicht gekennzeichneter nativer Einbindung von Marken. Die Artikelseite wird dabei komplett mit Werbebannern des spezifischen Partners bespielt und der Artikel „in Partnerschaft“ veröffentlicht. „Wir sehen hohe Click-Through-Rates und eine gute Performance für den Branded Content von Luxusmarken. Die Retention Rate von Partnern liegt bei 90 Prozent“, sagt Kim Kreuzberger, Head of Sales und Brand Partnerships bei Goop.

Eine weitere Variante diese Partner einzubinden sind Sponsorships für Goops Pop-Up-Stores. 2018 hat das Unternehmen insgesamt sechs von diesen vorübergehenden Läden in den teuersten Einkaufsstraßen großer US-Städte eröffnet – und dafür keinen Cent bezahlt. Denn der durchschnittliche Pop-Up-Store von Goop hat zehn Markensponsoren, die mindestens 100.000 US-Dollar für die Partnerschaft bezahlen. Je nach Höhe des Budgets richtet Goop dann exklusive Dinner für die Marke aus – natürlich mit Gwyneth Paltrow als Gast. Andere Partner zahlen dafür, dass ihre Klamotten in den Stores hängen dürfen. Das zeigt, wie groß das Verlangen vieler Marken danach ist, die gut verdienende Goop-Zielgruppe zu erreichen. 

Goop Pop-Up-Store

Ein Pop-Up-Store von Goop (Foto: James Stenson/Goop)

Netflix-Show und Expansion

Jede Woche hören zwischen 100.000 und 650.000 Nutzern den Goop-Podcast. Und das Unternehmen hat gerade erst eine Zusammenarbeit mit Netflix verkündet. Paltrow und ihre Content-Chefin Elise Loehnen sollen die 30-minütigen Episoden moderieren. Mediziner, Forscher und Heiler aus dem Goop-Kosmos sollen zu Wort kommen. Wer den Hype um andere Netflix-Produktionen mitbekommen hat, dürfte sich ausmalen können, wie sehr die Show Goop pushen könnte. Der nächste Feuersturm dürfte auf das Unternehmen zurollen – Paltrow wird es nur Recht sein.

Im März 2018 hat Goop ein Investment von 50 Millionen US-Dollar eingesammelt. Insgesamt haben Investoren bereits 75 Millionen US-Dollar in das Unternehmen gesteckt. Laut Goop habe sich der Umsatz seit 2016 zwei Mal verdreifacht und im letzten Jahr noch einmal verdoppelt. Die Bewertung des Unternehmens soll bei 250 Millionen US-Dollar liegen – Goop bestreitet das allerdings. Mit dem Geld soll die internationale Expansion gestartet werden. Schon jetzt verschickt Goop seine Produkte auch nach Kanada, Großbritannien und EU-Staaten. Nutzer können außerdem bereits Deutschland als Shop-Destination auswählen.

E-CommercePublishing
MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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