Die Social-Ad-Optimierung wird schwieriger: Facebook verkleinert das Attributionsfenster

Der Social-Konzern reagiert mutmaßlich auf die sinkende Lebenszeit von Cookies

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Inhalt
  1. 1 Kauf 28 Tage nach Klick = 1 Attribution
  2. „Hochpreisige Artikel haben häufig lange Customer Journeys“
  3. „Unser Umsatz könnte bis zu 20 Prozent zurückgehen“
  4. Wie schnell wird die Umstellung erfolgen?
  5. Hat Apple die Umstellung ursprünglich ausgelöst?
  6. Update, 7. Oktober:

Kurz vor dem wichtigen vierten Quartal mit Black Friday und Weihnachtsgeschäft ist es eine unerfreuliche Nachricht für Online-Marketing-Macher: Facebook soll mehreren Quellen zufolge angekündigt haben, ab dem 12. Oktober das Attributionsfenster für Facebook Ads von 28 auf sieben Tage zu verkleinern. Was sich auf Anhieb nach einem nischigem Marketing-Nerd-Thema anhören mag, hat in Wahrheit Folgen für nahezu alle, die auf Facebooks Plattformen Werbung schalten. OMR erklärt die Entwicklung und hat mit einem Facebook-Marketing-Experten darüber gesprochen.

„Vom 12. Oktober an werden wir […] das Standard-Klick-Attributionsfenster auf ein siebentägiges Modell umstellen und die 28-Tage-Option auslaufen lassen“, heißt es in einer englischsprachigen Mail, die Facebook offenbar an Werbekunden in den USA verschickt hat. Der Mailtext bzw. Screenshots davon kursierten in den vergangenen 24 Stunden auf Twitter und in Facebook-Gruppen rund um Online Marketing. Das US-Marketing-Fachmedium Search Engine Journal berichtet ebenfalls über die Mail. Eine Vertreterin einer für Facebook tätigen PR-Agentur verweist auf Anfrage von OMR auf den englischsprachigen Hilfe-Bereich der Facebook-Website für Werbekunden, in dem sich die Ankündigung ebenfalls finden lässt. „Ein Statement, das darüber hinausgeht, liegt uns leider nicht vor“, so die Sprecherin.

pic.twitter.com/olSuTX5iwm

1 Kauf 28 Tage nach Klick = 1 Attribution

Als Attribution wird im Marketing die Zuschreibung einer Conversion (eine Transaktion; meist der Kauf eines Produktes) bezeichnet. Vereinfacht dargestellt: Der Kunde hat auf eine Anzeige geklickt und ein Produkt gekauft, der Attributionslogik zufolge ist der Kauf also auf diese Anzeige zurückzuführen. Das Attributionsfenster grenzt dabei den Zeitraum ein, in dem der Kunde den Kauf getätigt haben muss, nachdem er die Anzeige gesehen oder auf diese geklickt hat.

In Facebooks Werbesystem war die Standardeinstellung bislang: Eine Conversion wird einer Facebook-Anzeige einen Tag nachdem ein Kunde/eine Kundin die Anzeige gesehen hat oder 28 Tage nachdem er/sie auf diese geklickt hat. Die Nutzer*innen können dabei auch andere Zeiträume und Modelle auswählen (etwa „sieben Tage nach Klick“ oder „ein Tag nach Klick“). Die Standardeinstellung wird jedoch bald auf sieben Tage verkleinert werden; die 28-Tage-Option soll bald nicht mehr verfügbar sein.

„Hochpreisige Artikel haben häufig lange Customer Journeys“

Was sich für Laien nach einer Petitesse anhören mag, kann für Facebook Advertiser weitreichende Folgen haben. Denn alle Käufe oder Transaktionen, die außerhalb dieses Sieben-Tage-Fensters stattfinden, können künftig nicht mehr den jeweiligen Facebook-Anzeigen zugeschrieben werden. Das kann nicht nur die Erfolgsmessung, sondern auch die Optimierung von Werbemaßnahmen auf Facebooks Plattformen erschweren.

Jason Modemann

„Gerade bei hochpreisigen Artikel wie beispielsweise einem Kleid von einer Luxusmarke, das 800 Euro kostet, besteht die ‚Customer Journey‘ nicht aus ein, zwei Touchpoints und der Kauf wird nach einer halben Woche abgeschlossen“, sagt Jason Modemann von der Münchner Agentur Mawave gegenüber OMR. Wenn künftig (nach erfolgter Umstellung) ein Kunde/eine Kundin auf eine Facebook Anzeige klickt, einen Kauf aber außerhalb des Sieben-Tage-Fensters abschließt, wird dieser nicht mehr den Werbemaßnahmen auf Facebook oder Instagram zugeschrieben werden. Das könnte vor allen Dingen die Erfolgsmessung und Optimierung des Marketings von Branchen, die hochpreisige Produkte verkaufen, erschweren: Luxus, Tourismus oder B2B beispielsweise.

„Unser Umsatz könnte bis zu 20 Prozent zurückgehen“

Auch für das Geschäft von Dienstleistern wird die Änderung aller Wahrscheinlichkeit nach Folgen haben. „Das ist ein Schlag für uns und könnte gravierende Auswirkungen haben“, sagt Jason Modemann von Mawave. Die Müncher Agentur betreut nach eigenen Angaben 50 Kunden in Sachen Facebook Marketing und verwaltet dabei im Kundenauftrag ein monatliches Budget im mittleren siebenstelligen Bereich.

Bei vielen Projekten habe die Agentur zwar kleinere Attributionsfenster angesetzt, „teilweise auch schon One-Day-after-Click“, so Modemann. Trotzdem werde sich die angekündigte Umstellung auch auf die Umsätze von Mawave auswirken: „Wir werden stark erfolgsbasiert vergütet und erhalten bei fast all unseren Kunden einen Teil vom Umsatz, den wir mit Facebook Ads für sie erwirtschaften“, so Modemann. „Meist berufen wir uns dabei auf das Standard-Attributionsfenster. Wenn nun Conversions, die außerhalb des Sieben-Tage-Fensters stattfinden, nicht mehr attribuiert werden, werden wir Umsatzrückgänge hinnehmen müssen – ich schätze an die 20 Prozent.“

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Wie schnell wird die Umstellung erfolgen?

Facebooks jetzige Bekanntgabe der Pläne ist aus mehreren Gründen für Advertiser und Dienstleister bitter: Sie erfolgt zum Start des vierten Quartals, das mit Shopping-Events wie dem Black Friday und natürlich dem Weihnachtsgeschäft das in der Regel umsatzstärkste und damit wichtigste ist. Darüber hinaus erfolgt die Ankündigung mit einer Frist von nicht einmal zwei Wochen äußerst kurzfristig. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass Facebook solche Umstellungen über einen längeren Zeitraum und mehrere Etappen hinweg vornimmt. Gut möglich also, dass selbst bis Ende des Jahres noch nicht alle Werbekonten umgestellt worden sind.

Warum aber erschwert Facebook den Werbekunden die Erfolgsmessung – schließlich dürfte es doch im Interesse des Social-Konzerns liegen, dass die Werbekunden möglichst viele ihre Conversions Werbung auf Facebook zuschreiben und dann möglicherweise ihre Budgets erhöhen. Offenbar erfolgt die Änderung auf Seiten Facebooks notgedrungen: „Anstehende Datenschutzmaßnahmen, die sich auf mehrere Browser auswirken werden, werden die Möglichkeiten von Unternehmen einschränken, die Interaktionen von Menschen über mehrere Domains und Geräte hinweg zu messen“, heißt es in Facebooks Ankündigung. Zu diesen Einschränkungen wird die Möglichkeit gehören, Conversions über lange Attributionsfenster hinweg einer Werbeanzeige zuzuschreiben.“

Hat Apple die Umstellung ursprünglich ausgelöst?

Möglicherweise hat Facebooks äußerst kurzfristige Ankündigung der Umstellung mit der ebenso kurzfristigen Auslieferung von Apples neuem iPhone-Betriebssystem iOS14 zu tun. Diese wurde von Apple am 15. September angekündigt und vom folgenden Tag an wurde die neue iOS-Version bereits auf die iPhones der Nutzer*innen ausgeliefert – zum Verdruss vieler iOS-Entwickler. Wie Tracking- und Analytics-Experte Simo Ohava schreibt, müssen seit iOS14 alle Browser auf dem iPhone und iPad die „Intelligent Tracking Prevention“-Mechanismen von Webkit implementieren, in denen die Löschung von First-Party-Cookies nach sieben Tagen vorgeschrieben ist. Webkit ist die Basis-Technologie hinter Apples eigenem Browser Safari. Bereits im Februar 2019 hatte Apple angekündigt, alle First-Party-Cookies in Webkit nach sieben Tagen löschen zu wollen.

Die Ads Insights API, also die Schnittstelle, über die Werbetreibende und Anbieter von Third-Party-Tools Zugriff auf Kampagnenberichte erhalten, soll laut Facebook übrigens auch weiterhin Daten mit 28-Tage-Fenster verfügbar halten – als kurzfristiger Workaround, bis die Browser-Einschränkungen wirksam werden“, schreibt das Unternehmen.

Update, 7. Oktober:

Facebook hat sich den angekündigten Schritt zurückgezogen. „Based on feedback from advertisers, we have decided not to move forward with a small test that would change the default attribution window for some advertisers“, so eine Sprecherin gegenüber OMR.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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