Wie eine Affiliate-Schleuder durch Tausende Youtube-Videos Traffic-Erfolge feiert

Martin Gardt19.6.2018

Clipadvise generiert automatisch Produktvideos und sammelt so auf Youtube Nutzer für die eigene Affiliate-Plattform

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Inhalt
  1. Automatisierte Listicle-Videos
  2. Nischen bringen Youtube-SEO-Erfolge
  3. Clevere Klickfänger
  4. Youtube kommt mit dem Löschen kaum hinterher

Auf der Suche nach neuen Traffic-Quellen ist die Affiliate-Schleuder Clipadvise offenbar bei Youtube fündig geworden. Das Unternehmen postet auf unzähligen Kanälen simple, automatisch generierte Produktvideos. Durch cleveres Youtube-SEO in der Nische generiert Clipadvise so jede Menge Views und verzeichnet schätzungsweise 180.000 Klicks auf die eigenen Affiliate-Angebote – allein über die Video-Plattform. Wir erklären die Strategie.

Wer direkt auf der Seite von Clipadvise landet, bemerkt schnell, dass es sich hier um eine etwas andere Affiliate-Seite handelt. Groß eingebunden ist ein zentrales Video zu den „Deals des Tages“ – seien es Frauenschuhe, Männerjacken oder Kinderuhren mit Minions. Darunter finden sich die passenden Produkte, die zum Teil auch im Video erwähnt werden. Die Links führen zu Amazon, wo Clipadvise dann auf Affiliate-Erlöse hofft. Das Modell ist bekannt. Wie Clipadvise aber die Nutzer auf die eigene Seite lockt, um sie dann zu Amazon zu schicken, ist außergewöhnlich. Denn von den zentralen Videos, die Nutzer auf der Seite sehen, schwirren Tausende auf Hunderten Youtube-Kanälen umher. Und von da kommen dann auch die Klicks.

Clipadvise

Die Startseite von Clipadvise

Automatisierte Listicle-Videos

Clipadvise verzeichnete im Mai 2018 laut dem Analyse-Tool Similar Web über 200.000 Visits – 90 Prozent der Besuche kamen dabei über Youtube, was 180.000 Visits nur von der Video-Plattform entspräche. Aber wie schafft das so eine Affiliate-Klitsche? Christoph Burseg, Gründer des Youtube-Analyse-Tools Veescore, hat entdeckt, dass Clipadvise Hunderte Youtube-Kanäle betreibt, auf denen meist Tausende Produkt-Videos hochgeladen sind. Diese führen die Nutzer dann stets auf eine Clipadvise-Affiliate-Seite. 

Die Kanäle tragen Namen wie „Best TV for You“, „Men’s Fashion | Video Shop“ oder „Bedroom Furniture | Sleep Well!“, auf denen jeweils 2.700, 4.100 und 4.500 Videos hochgeladen wurden. Im Analyse-Tool Veescore lässt sich erkennen, dass jeder dieser und die anderen unzähligen Kanäle jeden Tag genau 99 Videos hochladen. Das ist die maximale Anzahl erlaubter Uploads bei Youtube. Die Clips sind immer gleich aufgebaut: Es sind immer Listen der zehn oder fünf „besten“ Beamer, Matratzen oder Uhren einer bestimmten Marke. Die Themen passen dabei immerhin zu den einzelnen Kanälen, die Videos selbst sind komplett automatisiert. Eine Computerstimme sagt einfach nach und nach den jeweiligen Produktnamen und nennt einen Preis. Dazu werden verschiedene Produktbilder gezeigt. Nur so kann Clipadvise Hunderte Kanäle mit Tausenden ähnlichen Videos bespielen.

Nischen bringen Youtube-SEO-Erfolge

Dabei kommt der Look der Videos durchaus professionell daher. Die Grafiken sehen einigermaßen hochwertig aus und die Produktbilder werden im iPad-Stil von einer eingeblendeten Hand „durchgewischt“. Man könnte die automatisierten Clipadvise-Videos als gut gemachten Trash bezeichnen. Die trashigen Inhalte kommen dann auch auf dementsprechend miese Klickzahlen. Viele Videos haben unter hundert Aufrufe, einige wenige schaffen es zumindest auf über tausend. Bei Tausenden Videos reicht das aber, um eine entsprechende Gesamtreichweite für Clipadvise zu erzeugen. Der Kanal „Best TV for You“ kommt so auf immerhin mehr als 1,8 Millionen Views. 

„Clipadvise optimiert die Videos auf wenig umkämpfte kleine Nischen. Hier ist das Ranken in der Youtube-Suche nicht schwer, aber mit manuellen Videos nicht immer lukrativ. Durch den automatisierten Ansatz jedoch durchaus spannend“, sagt Veescore-Gründer Christoph Burseg. Für Suchbegriffe wie „Yamaha L85“ (ein Ständer für Yamaha-Keyboards) rankt ein Video von Clipadvise auf Rang 3 in der Youtube-Suche. Ebenfalls in den Top-5 der Suchergebnisse auf der Plattform landen Clips der Affiliate-Seite zu Nischenprodukten wie „ARLX“ (Schlagzeug-Sticks), „Schiller Big“ (eine Tuba) oder „Rosenice“ (Gitarrenständer). 

„Youtube hat bereits viel Wettbewerb in den großen Themen: iPhone, Playstation, Porsche kaufen – aber dank des riesigen Longtails und den guten Google Rankings von Youtube Videos ist auch die Nachfrage zu vielen Longtail-Themen vorhanden“, sagt Christoph Burseg. Diese würden sich aber nicht lohnen, wenn man zu viel Geld in die Erstellung eines manuellen Inhalts pro Nische investiere. Per Clipadvise-Automatisierung werde das Thema jedoch spannend: „Die Erstellungskosten liegen sicher deutlich unter fünf Euro pro Video. Da rechnet sich so ein Video natürlich viel, viel schneller“, sagt er.

Clevere Klickfänger

Ein paar Nutzer über gute Platzierungen in Nischen einfangen gut und schön, aber wie schickt Clipadvise diese Nutzer einigermaßen erfolgreich auf die eigene Seite? Unter jedem Video findet sich in der Beschreibung der obligatorische Link zur im Video gezeigten Produktliste. Darüber hinaus nutzt Clipadvise ganz clever Tools, die Youtube für E-Commerce-Zwecke anbietet. Da wäre zum einen eine Seitenleiste, die bei einem Klick auf ein Hinweis-Icon rechts oben im Video eingeblendet wird. Hier erscheinen drei Angebote aus dem jeweiligen Produktvideo im Bild. In Videos, in die dieses Tool eingebunden ist, weißt ein Fingerzeig einer Hand daraufhin, dass es hier weitere Infos zu den Produkten und unschlagbare Deals gibt. Wer auf eines der Produkte in der sich öffnenden Seitenleiste klickt, landet bei Clipadvise.

Eine zweite Variante ist ein kleiner Hinweis-Banner links unten im Video-Fenster. In einem Video zu Uhren öffnet sich bei einem Klick direkt die Ergebnisseite der Amazon-Suche nach Uhrenmodellen des Herstellers. Hier hinterlegt Clipadvise kurzerhand direkt den Affiliate-Link. Auch hier weißt wieder eine eingeblendete Hand im Video daraufhin, den Link zu klicken, um mehr Informationen zu erhalten. Das Ganze funktioniert mobile ebenfalls – hier sind Hände als Erklärungs-Element ja auch noch einmal sinnvoller. Der Traffic, der so generiert wird, dürfte hoch transaktional sein. Jeder Nutzer, der auf eines der Produkte klickt, hat ein Interesse daran und wird maximal über den Umweg Clipadvise zu Amazon geführt – einem vertrauenswürdigen Angebot. Durch das Partner-Modell von Amazon kassiert Clipadvise übrigens einen Prozentsatz von jedem Produkt-Preis im in der Folge gekauften Warenkorb des Nutzers.

Youtube kommt mit dem Löschen kaum hinterher

Youtube scheint das Vorgehen von Clipadvise nicht zu gefallen. Die Plattform sperrte zuletzt Dutzende Kanäle wie zum Beispiel „Amazon India | Best Sellers“ mit insgesamt über 3,5 Millionen Views. „Die genauen Gründe für die Sperrungen kennt nur Youtube. Ich schätze, teilweise wurden bei den Kanalnamen Markenrechte verletzt (z.B. ‚Amazon‘ als Teil des Kanalnamens) und teilweise könnte sich Youtube darauf zurückziehen, dass sie es nicht erlauben, automatische Systeme einzusetzen, welche ‚auf die Website zugreifen‘. Damit kann auch der Upload von Tausenden Videos innerhalb kürzester Zeit gemeint sein“, sagt Christoph Burseg. 

Der Account „Amazon India | Best Sellers“ wurde nach über 3,5 Millionen Views gesperrt (Quelle: Veescore). Vergrößern per Klick

Wer auf einen der gesperrten Kanäle zugreifen will, bekommt meist die Fehlermeldung: „Dieses Konto wurde aufgrund wiederholter oder schwerwiegender Verstöße gegen die YouTube-Richtlinien zur Bekämpfung von Spam sowie irreführender Praktiken und Inhalte oder anderen Verstößen gegen die Nutzungsbedingungen gekündigt.“ Stoppen kann die Plattform das Vorgehen von Clipadvise aber offenbar kaum. Wird ein Kanal gesperrt, werden drei neue aus dem Boden gestampft und mit 99 Videos aus der Konserve bestückt. Solange die Strategie aufgeht, werden die unbekannten Macher damit nicht aufhören. Ein Impressum hat Clipadvise nicht. Die Whois-Abfrage ergibt, dass der Besitzer der URL sich über einen Proxy-Server angemeldet hat und so anonym bleibt.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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