Aboalarm und Volders: Das Millionen-Geschäft der Kündigungs-Marktführer

Martin Gardt6.2.2023

Die zwei großen Kündigungs-Webseiten gehören mittlerweile zusammen – und wickeln bis zu 150.000 Kündigungen pro Monat ab

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Inhalt
  1. Verträge, Kündigungen, große Pläne
  2. Kampf um die Vorherrschaft
  3. An jeder Kündigung mitverdienen
  4. Dank Konsolidierung zur Search-Dominanz
  5. Weitere Ideen rund um Kündigungen stricken

Jeder von Euch hat in den vergangenen Jahren mal einen Vertrag gekündigt – und weiß, wie nervig das sein kann. Egal ob Mobilfunk, Internet, KFZ-Versicherung: Manche Anbieter machen Kündigungen unnötig kompliziert. Und damit ebnen sie den Weg für das Geschäftsmodell von Aboalarm und Volders. Das sind die größten Kündigungsservices in Deutschland – und sie gehören zum gleichen Unternehmen. Wir zeigen, wie das Geschäftsmodell mit den Kündigungen genau funktioniert, warum die beiden Marktführer gemeinsame Sache machen und wie die beiden Brands die Suchrankings in Sachen Kündigungen dominieren.

Volders-Gründer Jan Hendrik Ansink

Im Sommer 2022 ist Jan Hendrik Ansink am Ziel. Der Volders-Gründer übernimmt den großen Wettbewerber Aboalarm von ProSiebenSat.1-Tochter Verivox für eine nicht genannte Summe. Dadurch entsteht – fast unbemerkt – ein übermächtiger Marktführer in Sachen Kündigungsservices. „Wir haben Aboalarm gekauft, weil die Synergien im Marketing, beim Produkt und der Organisation dahinter einfach passen. Konsolidierung hilft bei der Wirtschaftlichkeit extrem“, sagt Ansink gegenüber OMR. Zusammen machen Aboalarm und Volders mit ihrer Kündigungshilfe nach eigenen Angaben zehn Millionen Euro Umsatz und sind profitabel. Wie lässt sich aber mit einem Service, der eigentlich nicht nötig sein sollte, Geld verdienen?

Verträge, Kündigungen, große Pläne

Die Geschichte von Volders, dem Unternehmen hinter dem heutigen Konglomerat aus Aboalarm und Volders, beginnt 2014 unter dem Namen Vertragslotse. Jan Hendrik Ansink hatte bereits 2010 mit Business Angel Frederick Fleck das Callcenter-Startup Expertcloud gegründet. „Ich war schon immer davon begeistert, etwas Digitales zu bauen. Mit 28 dachte ich mir: ‘Jetzt hast du noch Zeit, volles Risiko zu gehen.’ So ging es mit Vertragslotse los“, sagt er.

Dabei geht es ihm nicht nur um einen Kündigungsservice. „Ich habe mich gefragt, welche großen Probleme noch nicht gelöst sind. Mir kam der Gedanke: Es kann doch nicht sein, dass wir unsere Verträge und Abos nicht im Blick haben.“ Die Plattform soll dabei helfen, indem Nutzende ihre Verträge hinterlegen und so Laufzeiten digital nachvollziehen können. „Wir haben mit dem Kündigungsservice begonnen, weil Aboalarm gezeigt hat, wie groß der Schmerz in der Bevölkerung ist und weil das Suchvolumen an der Stelle am höchsten war“, so Ansink. „Seine Verträge online zu ordnen, dafür braucht es Überwindung. Wir wollten den Einstieg in das Thema und zu unserer Marke leichter machen.“

Kampf um die Vorherrschaft

Aboalarm ist bei der Gründung von Vertragslotse bereits sechs Jahre am Markt. Die Gründer Bernd Storm und Stefan Neubig generieren vor allem dank starker SEO-Strategie viel Traffic und Kündigungen über die eigene Seite. Wie Ansink schildert, wird er als neuer Konkurrent gleich angegriffen: „Wir haben schon zum Start einen guten Job mit dem Kündigungsservice gemacht. Aboalarm hat uns dann direkt attackiert, auf unseren Namen Marken angemeldet und eine Domain vor uns einem Dritten abgekauft. Im Hintergrund liefen einstweilige Verfügungen“, so der Vertragslotse-Gründer über die turbulente Anfangsphase. Hier gibt’s eine ausführliche Zusammenfassung der Streitigkeiten aus dieser Zeit. 2015 nennt er Vertragslotse in Volders um (ein Wortspiel rund um den falsch geschriebenen englischen Begriff „folders“ – also Ordner).

Er habe nach einem generischeren und weniger verspielten Namen für das ernste Thema Vertragsmanagement gesucht. In der Folge beginnt eine friedliche Koexistenz der beiden Marktführer. Ein Problem: Die Suche (Google und Bing) als Traffic-Kanal Nummer 1 löst ab 2015 bei beiden Unternehmen immer größere Kosten aus. Auf jedes Keyword in Verbindung mit „Kündigung“ bieten Aboalarm und Volders jahrelang hohe Summen, um mit Search Ads noch oberhalb der organischen Ergebnisse aufzutauchen. Insgesamt teilen sich beiden Unternehmen bis heute oft die ersten Plätze bei der Suche nach Kündigung eines Vertrags.

An jeder Kündigung mitverdienen

2017 geht Aboalarm an ProSiebenSat.1 und wird der Tochterfirma Verivox untergeordnet. Kaufpreis sind kolportierte zehn Millionen Euro. Der Plan: Bei Verivox alles rund um Verträge anbieten – also auch Kündigungsservice. Kurze Zeit später wird Jan Hendrik Ansink bei Volders klar, dass das nicht funktioniert. „Wir haben uns vier bis fünf Jahre auf den Vertragsmanager konzentriert und viele Produktvarianten entwickelt. Das war als strategischer Vorteil geplant. Am Ende hat das Produkt aber nie ausreichend Traction bekommen. Nicht bei uns und auch nicht bei anderen“, sagt er. „Seit 2020 konzentrieren wir uns komplett auf den Kündigungsservice und seit diesem Jahr arbeiten wir an einem neuen Produkt.“ Der Fokus habe beim Wachstum in den vergangenen Jahren extrem geholfen. „Nachdem Verivox Aboalarm gekauft hat, wollten sie eine gesamtheitliche Lösung rund um persönliche Finanzen entwickeln. Weil wir uns konsequent auf die Optimierung und die Vermarktung des Kündigungsservices konzentriert haben, waren wir am Ende in Sachen Umsatz größer als Aboalarm.“

Aber wie machen Unternehmen wie Aboalarm und Volders überhaupt Geld? Sehr einfach erklärt: Sie lassen sich die Durchführung der Kündigungen bezahlen. Beide bieten dabei unterschiedliche Leistungsstufen. Bei Aboalarm gibt’s den einfachen Versand einer Kündigung inklusive rechtlichem Versandnachweis für 4,99 Euro. Bei Volders kostet die Leistung 6,99 Euro. Eine Kündigung per Einschreiben inklusive Sendungsverfolgung kostet 8,99 Euro (Aboalarm) und 9,99 Euro (Volders). Das Premium-Produkt bei Aboalarm ist das Einschreiben mit Übergabe für 9,99 Euro. Volders gibt zusätzlich eine Kopie zum Anwalt und verlangt dafür 12,99 Euro.

Je nachdem wie vertrauenswürdig ein Unternehmen ist, empfehle Ansink die Wahl einer der Varianten. Manche Anbieter seien extrem schwer zu erreichen, da helfe die Aktivierung eines Anwalts. Aboalarm gebe auch Kündigungsgarantien ab, was für Opfer von Abofallen extrem hilfreich sein kann. „Wir verarbeiten im Monat 100.000 bis 150.000 Kündigungen“, sagt Volders-Gründer Ansink und meint die Zahl, die beide Marken erzielen. Das Unternehmen arbeite bereits profitabel. Der Nettoumsatz liege insgesamt bei zehn Millionen Euro im Jahr.

Preise von Aboalarm und Volders

Die Produkte der Kündigungs-Plattformen Aboalarm (l.) und Volders

Dank Konsolidierung zur Search-Dominanz

Die Profitabilität dürfte auch mit der absoluten Dominanz der jetzt gemeinsam arbeitenden Marken zu tun haben. Ab 2021 klopft Jan Hendrik Ansink bereits bei ProSiebenSat.1 an, um Aboalarm zu übernehmen. Anfang 2022 kommt erstmals eine positive Rückmeldung. Mitte 2022 ist der Deal durch – wohl für weniger als zehn Millionen Euro. Damit ist die Dominanz von Aboalarm und Volders auf dem deutschen Kündigungsmarkt perfekt. „Unser größter Konkurrent ist mittlerweile der Kunde, der selbst kündigt“, so Ansink. Tatsächlich gibt es aber vier, fünf kleinere Player auf dem deutschen Markt, die einen Kündigungsservice anbieten. Kuendigung.org bietet seine Kündigungsvorlagen auch bei der Vergleichsseite vergleich.org an und generiert so laut Analyse-Tool Similarweb über 600.000 Zugriffe im Monat.

Sichtbarkeitsindex von Aboalarm

Am Sichtbarkeitsindex von Aboalarm lässt sich ablesen: In Sachen SEO macht das Unternehmen einiges richtig (Quelle: Sistrix)

Die Marktmacht zeigt sich vor allem auf den Ergebnisseiten der Suchmaschinen. Wer etwa nach „telekom vertrag kündigen“, „kfz versicherung kündigen“ oder „parship premium kündigen“ sucht, bekommt auf der ersten Seite von Google nicht nur Volders und Aboalarm-Anzeigen über den organischen Suchergebnissen angezeigt, sondern auch beide Anbieter mit organischen Treffern. Laut Analytics-Tool Similarweb landen fast 74 Prozent der Webseiten-Besucher*innen über Search bei Aboalarm. Bei Volders sind es 80 Prozent.

Dementsprechend hart arbeite das Volders-Team an SEO-Inhalten. Beide Anbieter haben einen Blog mit Kündigungsinfos. Zu jedem großen Anbieter gibt es ausführliche Beiträge zu Kündigungsfristen, Adressen, Sonderkündigungen. 25.000 Anbieter habe Volders in seiner Datenbank – von Mobilfunk über Dating bis hin zum Fitnessstudio. All diese Inhalte und das Alter der Domain bringen Aboalarm laut Analysetool Sistrix über 175.000 Top-10-Rankings in der Google-Suche. Das Unternehmen gehörte 2022 sogar zu den 25 SEO-Gewinnern des Jahres von Sistrix. Die Sichtbarkeit hatte um 280 Prozent zugenommen. Volders kommt da nicht ganz ran und landet bei 50.000 Top-10-Rankings. Auch bei unseren Stichproben lag die Domain in den Suchergebnissen immer hinter dem Aboalarm-Ergebnis. Offenbar auch ein Grund für die Übernahme: „Eines meiner größten Learnings der letzten Jahre: Organisch an einer viel älteren Domain in den Suchergebnissen vorbeizukommen, ist fast unmöglich“, sagt Jan Hendrik Ansink.

Weitere Ideen rund um Kündigungen stricken

In Sachen Marketing wird der Volders-Chef also weiter an der SEO- und SEA-Strategie basteln – für beide Brands. „Wir werden beide Marken beibehalten. Der Vorteil: Auf den ersten Seiten der Suchmaschinen finden sich so möglichst viele Einträge von uns.“ Neue Potenziale sieht Ansink aber vor allem im CRM-Bereich (Customer Relationship Management). Volders habe 2,5 Millionen Kund*innen in der Datenbank, Aboalarm sogar zehn Millionen. Das Team sei noch dabei, die Aboalarm-Kontakte auf ihre Vermarktbarkeit zu überprüfen. Weitere erfolgreiche Kanäle, die weiter bespielt werden sollen, sind die Apps der beiden Services und Affiliate-Partnerschaften mit verschiedenen Publishern. Die größte Rolle dürfte hier Focus spielen. Auf Focus.de gibt es ein eigenes Kündigungsportal – betrieben von Aboalarm. Publisher nehmen aber auch PR-Geschichten von Volders gern auf. Jedes Jahr erscheint der Kündigungsindex von Volders und zeigt, welche Verträge besonders häufig gekündigt werden. Das greifen Medien entsprechend dankbar auf. „Wir fragen bei den Kunden nach, ob die Kündigung geklappt hat und haben dadurch viele Daten darüber, wo gekündigt wird und wie gut das funktioniert“, so Ansink. Über PR-Geschichten hinaus, werden diese Daten aber nicht verwendet.

Weitere große Marketing-Aktionen planen Volders und Aboalarm in Zukunft nicht; zu gefestigt sei die Vorherrschaft auf dem Kündigungs-Markt. Stattdessen suche Jan Hendrik Ansink und das Team aus 50 Mitarbeitenden jetzt nach weiteren Geschäftsmodellen. „Wir sind inzwischen auch im B2B-Bereich aktiv und verarbeiten für Vodafone, Verivox, BavariaDirekt, den ACV Automobil-Club Verkehr und andere Partner unter anderem Kündigungen im Hintergrund. Das Geschäft ist für uns eine spannende Perspektive für weiteres Wachstum“, erzählt er. Die Entwicklung könnte aber auch immer stärker Richtung Legal- und Fintech gehen. Während der Pandemie hatte das Unternehmen vielen Menschen dabei geholfen, unrechtmäßig einbehaltene Gebühren von geschlossenen Fitnessstudios einzufordern. Gleichzeitig beobachte Ansink Player wie Finanzguru im Bereich Personal Finance Management ganz genau. Der alte Traum von der App, die bei der Verwaltung von Verträgen hilft, ist also noch nicht ausgeträumt.

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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