Warum die Firma hinter „TV Total“ und „Wer wird Millionär“ eine Influencer-Plattform kauft
Banijay Deutschland steckt hinter großen TV-Produktionen. Jetzt steigt das Unternehmen groß ins Influencer-Geschäft ein
- Den Blick auf die Creator Economy
- Influencer und Brands connecten
- Content steht im Zentrum
- Eine Influencer-Pipeline?
Vor nicht allzu langer Zeit waren Influencer ganz einfach Social-Media-Stars, die viele Follower sammelten, um dann lukrative Werbeverträge abzuschließen. Mittlerweile sind Content Creator aber auch außerhalb der Social-Plattformen prominent. Wie sehr die verschiedenen Content-Welten von Social, TV und Magazinen aktuell zusammenwachsen, zeigt ein Deal: Die Banijay Group Deutschland, die hinter TV-Produktionen wie TV Total, Wer wird Millionär, Temptation Island und der Online-Plattform MySpass steckt, steigt bei der Influencer-Plattform Influence Vision ein. Wir zeigen, was dahinter steckt und warum der Deal symbolisch für die Entwicklung der Creator Economy steht.
Im ersten Moment wird Euch der Name Banijay Group kaum etwas sagen. Das international agierende Unternehmen steckt in Deutschland hinter verschiedenen bekannten Produktionsfirmen wie EndemolShine Germany, Brainpool und Raab TV. Die produzieren einige der bekanntesten TV-Formate des Landes. Der Umsatz der Firma liegt bei 250 Millionen Euro in Deutschland, jedes Jahr erreichen die Inhalte nach eigenen Angaben vier Milliarden Zuschauer:innen. Warum steigt so ein Unternehmen jetzt durch eine Beteiligung an Influence Vision ins Influencer-Geschäft ein?
Den Blick auf die Creator Economy
„Wir verstehen uns nicht als reine TV-Firma. Wir sind ein Entertainment-Unternehmen mit dem Kerngeschäft Bewegtbild, flankiert von Künstlermanagements, Live-Events, unserer Plattform MySpass sowie den Vermarktungs-Experten der Banijay Live Artist Brand“, sagt Banijay-Deutschland-CEO Marcus Wolter gegenüber OMR. „Wir kreieren Entertainment-Marken, die auf den unterschiedlichsten Plattformen stattfinden – ob im TV, digital, live oder im Podcast.“ Was dem Unternehmen bisher fehlte, war jedoch ein wirklicher Ansatzpunkt in Sachen Influencer Marketing. Dabei erzeugt Banijay mit Produktionen wie etwa „Temptation Island“ oder „Kampf der Realitystars“ immer wieder selbst Influencer. Protagonist:innen solcher Shows sammeln schließlich in kurzer Zeit auf den Social-Plattformen Reichweiten von mehreren Hunderttausend Followern.
Und genau hier könnte für viele klassische TV-Player eine Chance liegen. Auch Sendungen wie „Germany’s Next Topmodel“ oder „Der Bachelor“ – um nur zwei prominente Beispiele zu nennen – bringen Staffel für Staffel vor allem Instagram-Sternchen hervor. Oftmals haben die Produktionsfirmen und Sender, die überhaupt erst für solche Reichweiten gesorgt haben, im Anschluss nichts mehr von der Aufmerksamkeit und Werbedeals der Teilnehmer:innen. Durch die Beteiligung an Influence Vision könnte Banijay das jetzt ändern.
Influencer und Brands connecten
Influence Vision wurde 2017 von Florian Bösenkopf und Branko Markovic in Wien gegründet. Vor dem Einstieg der Banijay Group hatte das Startup drei Finanzierungsrunden verzeichnet – wie viel Geld jetzt fließt und wie viel Prozent Banijay an Influence Vision hält, verraten beide Unternehmen nicht. Influence Vision sieht sich selbst als Technologie-Player im von direkten Beziehungen dominierten Influencer-Business. Brands können auf der Plattform Briefings für geplante Kampagnen einstellen, Zielgruppen auswählen und bekommen dann Vorschläge von passenden Influencern. „Was uns von anderen unterscheidet ist, dass wir Creator:innen immer als Kreative sehen, die auf unserer Plattform ihre Ideen pitchen“, so Influence Vision-Co-Gründer Florian Bösenkopf gegenüber OMR. „Wir haben unser Tool von Anfang an so gebaut, dass maximale Freiheit für Creator:innen bei der Kampagnenumsetzung herrscht. Sie sollen ihre Follower:innen begeistern und das soll nicht mit Standardisierungen blockiert werden“, fügt sein Co-Gründer Branko Markovic hinzu.
Das Ziel der Beiden: Mit der Unterstützung und dem Geld von Banijay soll das Tool mehr werden als eine technische Verbindung zwischen Marken und Influencern. „Wir wollen das Operating System für Creator Marketing werden“, so Markovic. „Unser Influencer Operating System soll so laufen: Brands sollen Creator:innen nicht nur suchen und finden, sondern Verträge abschließen und verwalten, in einem CMS den Content überwachen und am Ende den Kampagnenerfolg messen“, erklärt Bösenkopf. Auf dem Weg dahin, solle Influence Vision alle Freiheiten bekommen. Banijay werde erstmal kleinere Anknüpfungspunkte suchen: „Jede Firma und Beteiligung in unserer Gruppe arbeitet unabhängig und unternehmerisch. Wir werden also ins Sparring gehen, supporten wo es gewünscht ist und Stück für Stück voneinander lernen“, so Marcus Wolter.
Content steht im Zentrum
Allerdings dürfte der Weg hin zum Creator:innen-Betriebssystem nicht einfach werden. Schon vor Jahren waren Unternehmen wie Buzzbird und ReachHero mit dem Ziel gestartet, Influencer und Brands automatisiert und vor allem über Technologie zu connecten. Wir wissen von vielen Unternehmen, dass sie jedoch explizit direkten und persönlichen Kontakt mit Creator:innen wünschen. Zugleich sind derzeit eher langfristige Kooperationen im Trend. Da werden Jahresverträge geschlossen, die eher an typische Brand-Botschafter-Deals erinnern, als an Influencer-Kampagnen mit drei festgeschriebenen Stories und einem Instagram-Post. Braucht es für Jahresverträge also wirklich ein Betriebssystem?
Banijay und Influence Vision setzen darauf, dass die Content-Bedürfnisse von Brands weiter zunehmen werden. „Die Content-Thematik ist aktuell zentral – für Brands und Creator:innen. Jeder braucht Unmengen an Content, die Frequenz muss hoch sein. Dabei spielen Content Creator:innen eine zentrale Rolle“, so Branko Markovic. Für viele Unternehmen sind Influencer:innen tatsächlich extrem hilfreich, um auf allen Plattformen mit viel Content stattzufinden. Die Connection zu Banijay solle auch in Sachen Qualität der Influencer:innen-Kampagnen helfen, die über Influence Vision vermittelt werden. „Storytelling bringt in der Creator Economy die beste Performance. Und wird in Zeiten von Targeting-Problemen immer wichtiger“, so Florian Bösenkopf. „Banijay weiß, wie man gute Geschichten erzählt und davon wollen wir profitieren.“
Eine Influencer-Pipeline?
Entsprechend selbstbewusst gibt sich auch Banijay-Deutschland-Chef Marcus Wolter: „Wir werden gemeinsam Brands und Creator:innen zusammenbringen und dabei das Storytelling auf ein neues Level heben. Das ist schließlich eine unserer Kernkompetenzen.“ Aber wie kann das genau aussehen? Tatsächlich gebe es bereits erste Gedankenspiele, wie TV-Formate und das Influencer:innen-Business zusammenwachsen können unter dem Dach der Gruppe. „Mir fallen beim Gedanken an die Verbindung unserer Marken und der Creator Economy drei Beispiele ein“, sagt Wolter gegenüber OMR: „Bei TV-Shows wie ‚RTL Sommerspiele‘ nehmen 25 Prominente teil. Deren Reichweiten auf Social Media für das Event zu kanalisieren, wurde bisher selten genutzt. Es ist aber eine grosse Chance. Zweitens machen wir durch unsere Reality-Formate ohnehin künftige Influencer-Stars, warum nicht deren Karrieren partiell unterstützen? Und drittens sind viele Brands noch nicht so firm in der Creator-Szene. Influence Vision ist der perfekte, seriöse und kreative Partner für Brands.“
Auch in die andere Richtung könne die Zusammenarbeit Chancen bieten. „Influence Vision ist natürlich auch eine attraktive Talent-Plattform um Creator:innen zu finden, die vor der Kamera funktionieren, originellen Content produzieren und Reichweite mitbringen“, so Wolter. Wenn Influencer:innen schon die Stars von heute sind, finden sie so noch leichter den Weg ins Fernsehen. Selbst wenn sie es nicht vor die Kamera schaffen, seien Synergien möglich: „Wir können in der Entertainment-Welt helfen, indem wir eng mit Creator:innen die Begleitung von Shows planen. Die können ihre Follower:innen dann zum Beispiel hinter die Kulissen mitnehmen“, sagt Florian Bösenkopf. So würde Influence Vision zu einem Kanal, über den TV-Shows eine größere Reichweite auf den Social-Plattformen erreichen könnten. Das Zusammenwachsen aus Creator- und Show-Economy ist sowieso schon passiert – durch die genannten Shows wie Germany’s Next Topmodel & Co. Da ist es fast folgerichtig, dass klassische TV-Player jetzt offensiv in das Business einsteigen.