Roblox: Wie das 15 Jahre alte Spiel erfolgreicher als Fortnite und Minecraft werden konnte

Martin Gardt9.8.2019

100 Millionen Nutzer spielen Roblox auf der ganzen Welt – und einige werden dadurch sogar selbst zu Millionären

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Inhalt
  1. Lernspiel + Friendster = Roblox
  2. Millionen-Umsatz durch virtuelle Geschäfte
  3. Roblox-Entwickler werden Millionäre
  4. Wer spielt denn sowas?
  5. Die Roblox-Welt lebt auch auf anderen Plattformen
  6. Von 100 Millionen zu einer Milliarde Spieler?

Vor 15 Jahren erscheint Roblox in den USA. Lange Zeit fristet das Computerspiel, bei dem jeder seine eigene Spielwelt entwickeln kann, ein Nischendasein. Aber von 2016 an sind die Zahlen der monatlich aktiven Nutzer von neun auf 100 Millionen pro Monat explodiert. Wir zeigen, wie das Roblox-Team nicht nur viele Spieler, sondern auch Millionen Freizeit-Entwickler gewinnen konnte, warum diese jetzt selbst mit Roblox zum Teil gutes Geld verdienen und wie rund um das Spiel eine ganze Ökonomie entstanden ist.

2004 gründen David Baszucki und Erik Cassel Dynablox, 2006 wird daraus Roblox. Ein Computerspiel, das eigentlich als Plattform für ganz viele einzelne Spiele fungiert: Spieler können entweder eines der über 15 Millionen von der Community entwickelten Games spielen, oder einfach selbst eins entwickeln. Damit erreicht Roblox heute 100 Millionen monatlich aktive Nutzer – mehr als Fortnite oder Minecraft. Warum es trotzdem weniger bekannt ist, dürfte am Plattform-Ansatz liegen, der den Machern jetzt aber auch lukrative Geschäftsmodelle ermöglicht.

Roblox-Gründer David Baszucki

Roblox-Gründer David Baszucki

Lernspiel + Friendster = Roblox

Die beiden Amerikaner Baszucki und Cassel hatten vor Roblox eine Lernsoftware für Physikexperimente entwickelt, die von vielen Schülern wie ein Spiel benutzt wurde. „Sie hatten Spaß dabei, ihre eigenen Experimente zu bauen“, sagt Gründer und auch heutiger Roblox-CEO David Baszucki gegenüber Techcrunch. „Sie haben Autounfälle und einstürzende Gebäude und andere witzige Sachen gemacht.“ Die Grundidee dieser Lernsoftware in Verbindung mit den Eindrücken die Baszucki als Investor des sozialen Netzwerks Friendster bekommen hatte, führen zur Idee hinter Roblox: eine frei gestaltbare Spielwelt und Austausch unter den Spielern.

Roblox Spiel

Der typische Roblox-Stil

Der Ansatz steckt voller Risiken: Roblox ist abhängig von User-Generated-Content – nur zu Beginn entwickelt das Team einige Spiele selbst, um dem Henne-Ei-Problem vieler Plattformen zu entgehen. Gleichzeitig kümmert es sich komplett um die Infrastruktur, stellt Entwickler-Software, Server, Apps, Chat-Funktion. Beim ersten Test seien die Spielfiguren noch durch das Bild geschwebt, weil das Team keine Zeit hatte, sie zu animieren. Trotzdem spielen ein paar Dutzend Tester die erste Version. Als dann 2006 die erste Version von Roblox Studio – der Entwicklerversion des Spiels – erscheint, sei es richtig los gegangen. „Es lief viel besser an, als wir erwartet hatten. Es gab Paintball-Spiele, Modelleisenbahnen, Halloween-Gruselhäuser“, sagt Gründer Baszucki. 2008 stoppt Roblox die Entwicklung eigener Spiele für die Plattform, weil die Entwickler-Community auf Hochtouren eigene Games raushaut.  

Roblox-Spiele

Das sind beliebte Roblox-Spiele aktuell

Millionen-Umsatz durch virtuelle Geschäfte

Seit dieser Zeit gerät das Unternehmen immer wieder in Versuchung, sein Geschäftsmodell zu überdenken. 2009 startet Minecraft – ein Spiel mit ähnlichem Look, aber nur einer Spielwelt. 2013 verzeichnet Minecraft zehn Millionen zahlende Nutzer. King.com (Candy Crush) und andere Spiele-Entwickler versuchen sich zu dieser Zeit erst auf Facebook und starten dann in den App Stores mit Free-To-Play-Spielen durch. Sie verdienen Millionen mit In-App-Käufen der Nutzer. Roblox-Macher Baszucki hält aber weiterhin an seiner Plattform-Idee fest und überlegt sich erste Monetarisierungsideen: 2008 führt das Team die In-Game-Währung Robux ein. Spieler können damit bis heute Klamotten für ihre Spielfiguren, ganz neue Charaktere, Waffen und andere Dinge wie Flügel oder Batman-Kostüme kaufen. In den Spielen selbst gibt es ebenfalls verschiedene virtuelle Produkte, die Entwickler anbieten können oder sie machen ihr ganzes Spiel kostenpflichtig. Robux kosten wiederum echtes Geld: 400 Robux zum Beispiel knapp fünf Euro, für 10.000 Robux werden 100 Euro fällig.

Roblox Katalog

Im Katalog können sich Spieler Kostüme oder Spielfiguren kaufen

Umsatzzahlen gibt das Unternehmen nicht öffentlich bekannt, es gibt aber Anhaltspunkte zur Größenordnung. Laut Schätzungen des Analyse-Tools Sensor Tower hat Roblox allein mit seinen Apps bisher über 750 Millionen US-Dollar verdient. Pro Tag würden Spieler auf der ganzen Welt derzeit fast 1,2 Millionen Dollar in den Apps ausgeben, was auf das Jahr gerechnet über 400 Millionen US-Dollar Umsatz für Roblox bedeuten würde – allein über In-App-Käufe. 

Laut Roblox spielt mittlerweile knapp über die Hälfte der Nutzer in den Apps, was auf der anderen Seite weitere Millionen-Umsätze durch die Desktop-Versionen bedeuten würde. Zusätzlich verkauft das Unternehmen in einem eigenen Amazon-Shop und über andere Händler eigene Spielfiguren, die typisch für den Roblox-Look ein bisschen an Lego-Männchen erinnern. Das alles führt zu einer derzeitigen Unternehmensbewertung von 2,5 Milliarden US-Dollar.

Roblox-Entwickler werden Millionäre

Ein wichtiger Baustein für den Erfolg sind die unabhängigen Entwickler, die bisher bereits 15 Millionen Spiele auf der Roblox-Plattform eingestellt haben. Deshalb beteiligt das Unternehmen sie auch am Erfolg. Geben Spieler ihre Robux-Dollar in einem Spiel aus, bekommen die Entwickler einen Teil des so erzielten Umsatzes. Laut eigenen Angaben hat Roblox allein im vergangenen Jahr über 60 Millionen US-Dollar an seine zwei Millionen Hobby-Entwickler ausgezahlt. Die erfolgreichsten hätten zwischen zwei und drei Millionen US-Dollar eingenommen.

Jailbreak Roblox

Als Gefangener im millionenfach gespielten Game Jailbreak

Viele der jungen Entwickler haben als Roblox-Spieler angefangen. Wie Alex Balfanz, der 2017 als 18-Jähriger mit einem Freund das Spiel „Jailbreak“ auf Roblox veröffentlicht hat. Schon am ersten Tag hätten die beiden 75.000 gleichzeitige Spieler verzeichnet – am Ende des Jahres steht ein siebenstelliger Umsatz. Ein anderer junger Entwickler, Andrew Bereza, verdient schon seit 2015 gut mit seinem Game „Miner’s Heaven“. So viel, dass er sich seine komplette Uni-Ausbildung bezahlen konnte. „Das coole an Roblox ist, dass es viele der schweren Dinge handhabt“, so Bereza gegenüber Business Insider. Viele der jungen Entwickler stecken zu Beginn nur wenige Stunden Arbeit in ein Spiel. Startet es durch, lässt sich der Erfolg aber nur mit stetigen Updates halten.

Spiele wie Jailbreak können mit kaum zu fassenden Zahlen aufwarten. Laut der Statistik auf der Roblox-Plattform wurde die Seite des Spiels über 2,8 Milliarden Mal besucht. Mehr als 3 Millionen Spieler haben dem Game ein Like gegeben. Um die riesige Entwickler-Community bei der Stange zu halten, veranstaltet das Unternehmen seit 2015 Entwickler-Konferenzen, wie es große Plattform-Unternehmen wie Apple und Google auch tun. Sehr erfolgreiche Spiele-Macher dürfen direkt dauerhaft mit dem Roblox-Team in Kalifornien arbeiten.

Wer spielt denn sowas?

Der ganze Erfolg ist vor allem einer Zielgruppe zu verdanken. Roblox erreicht vor allem Kinder unter 13 Jahren. Laut dem Unternehmen ist schon jetzt die Mehrheit der 9- bis 12-jährigen Amerikaner auf der Plattform unterwegs. Der Erfolg bei Kindern und gleichzeitiger Misserfolg bei anderen Zielgruppen hat verschiedene Gründe. Gründer Dave Baszucki spricht von einer gemeinsamen Erfahrung („co-experience“), wenn er über das Spielerlebnis von Roblox redet. Die Spieler sollen Welten erleben, mit anderen quatschen, eine eigene Identität aufbauen. Im Spielerlebnis selbst äußert sich das dann durch unfertige Landschaften, fehlende Erklärungen, wie die Spiele gespielt werden sollen und dadurch eher zielloses Umherirren. Die jungen Entwickler lernen schließlich auch noch, was es heißt, richtige Games zu bauen. 

„Wenn du unsere Spiele spielst, dann nicht, um zu gewinnen. Du gehst in diese Welten, um Menschen, die du kennst, zu treffen, und eine Erfahrung zu teilen“, sagt der Chief Business Officer von Roblox Craig Donato gegenüber Techcrunch. „Kinder haben derzeit einfach zu wenige Orte, wo sie ihrer Vorstellungskraft freien Lauf lassen können.“ Ein Vorteil dieser wenig auf Wettkampf ausgelegten Spielmechaniken: Viele Mädchen tummeln sich mittlerweile auf der Plattform und finden so vielleicht einen Weg, Games-Entwicklerinnen zu werden. 40 Prozent der Roblox-Spieler seien heute weiblich.

Die Roblox-Welt lebt auch auf anderen Plattformen

Wie aber konnte die Plattform – auch wenn es lange gedauert hat – auf 100 Millionen aktive Nutzer wachsen? Und warum gab es vor allem in den vergangenen Jahren so einen Wachstumssprung? Wie so oft helfen andere Plattformen. Vor allem auf Youtube hat die Roblox-Community ein zweites Zuhause gefunden. Ganze Kurzfilme werden dort veröffentlicht – die Roblox-Spielfiguren als Hauptdarsteller. Einer der größten deutschen Youtuber, der so Hunderttausende Views generiert, ist „Arazhul“ mit über 1,7 Millionen Abonnenten (er macht auch Videos über die anderen beiden Schwergewichte Minecraft und Fortnite). Mit Videos über Gruselvillen mit Roblox-Männchen verzeichnet er pro Video meist mehr als 500.000 Views.

US-Youtuber wie „The Pals“ mit mehr als drei Millionen Abonnenten haben sich komplett auf ihre Roblox-Abenteuer-Videos spezialisiert. Ihr erfolgreichster Clip hat auf Youtube über 18 Millionen Views. Unter jedem dieser Videos – egal ob von Arazhul, The Pals oder unzähligen weiteren – ist die Roblox-Webseite verlinkt. Youtuber Arazhul bewirbt unter seinem Video darüber hinaus seine Roblox-Gruppe – ein weiteres cleveres Community-Tool des Spiels. Hier können seine Fans direkt mit dem Youtuber in Kontakt treten. Die Arazhul-Gruppe hat mehr als 52.000 Mitglieder und er verkauft im angeschlossenen Shop ein virtuelles T-Shirt für 50 Robux. 

Ein anderer Youtuber mit dem Spitznamen Kavra erreicht mit seiner Roblox-Gruppe sogar mehr als 450.000 seiner Fans. Hier verdient er nicht nur mit digitalen T-Shirts ein paar Robux, sondern wirbt auch für seine Spiele, in denen seine Fans ihm potenziell begegnen können – und in denen die Spieler wiederum Robux-Dollar ausgeben, von denen Kavra dann eine Provision kassiert. Nicht umsonst spricht Gründer Dave Baszucki von einer Marktwirtschaft, die in dem Spiel entstanden sei.

Von 100 Millionen zu einer Milliarde Spieler?

Amerikanische Kids sind an Bord, jetzt will Roblox auf zwei Arten noch größer werden: Internationalisierung und Erschließung neuer Zielgruppen. Beides wird ausgerechnet durch das bisher so gut funktionierende Prinzip erschwert. Das Spiel ist zwar seit April offiziell auch auf Deutsch verfügbar – aber eben nur die Plattform und die Anmeldung. Die einzelnen Games müssen von den jeweiligen Entwicklern übersetzt werden, was sich bei einer Stichprobe durch OMR als große Hürde herauszustellen scheint. Fast alle Spiele sind noch auf Englisch. Gibt es eine Übersetzung, sind meist Worte in Google-Translate-Manier aneinander gehangen. Einen ordentlichen Push soll es durch den Start von Roblox in China geben. Dazu hat das Unternehmen ein Joint Venture mit dem Wechat-Macher Tencent gebildet. Den Chinesen gehören auch 40 Prozent am Fortnite-Entwickler Epic Games. 

Neue Altersklassen wolle das Team durch ein Aufpolieren der Grafik und größere Welten erreichen. Gleichzeitig will Roblox auch professionellere Entwicklerteams für die Plattform begeistern. Statt in den App Stores unterzugehen, sollen sie bei Roblox Spiele entwerfen. Dazu müsse jedoch an der Personalisierung der Spieleübersicht gearbeitet werden. „Es gibt jetzt schon viel Content, der auf ganz unterschiedliche Altersgruppen zugeschnitten ist. Aber der ist schwer zu finden“, sagt Adam Miller, Vice President of Engineering bei Roblox. Noch werden bei Roblox nämlich jedem Spieler die gleichen Spiele auf der Startseite angezeigt. Sich durch 15 Millionen zu klicken – das machen weder Kinder noch Erwachsene.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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