Plug Leon: Ein Londoner Teenager ist der Sneaker-Dealer von Europas Fußballprofis

Instagram, WhatsApp, Connections: Wie Léon Gissing zum Personal-Shopper für Spieler aus Premier League und Bundesliga wurde

Léon Gissing mit seinem Kunden Rabbi Matondo, walisischer Nationalspieler, der gerade von Schalke 04 an Stoke City ausgeliehen ist
Léon Gissing mit seinem Kunden Rabbi Matondo, walisischer Nationalspieler, der gerade von Schalke 04 an Stoke City ausgeliehen ist

„Plug“ heißt im Rap der Typ, der einem alles besorgen kann. PS5? Rolex Datejust? Kein Problem. Heute bestellt, morgen da. „Plug Leon“, der Name von Léon Gissings Firma, ist also ein Versprechen: Ob ultrararer Sneaker oder ausverkaufter Hoodie – für seine Kunden organisiert der 16-Jährige exklusive Streetwear, Same-Day-Delivery inklusive. OMR hat der Londoner verraten, wo er an seine Ware kommt, wie Fußballer aus mehreren europäischen Profiligen seine Kunden wurden und warum er das komplette Business über Instagram und WhatsApp managed. 

Business-Kredit von den Eltern

„Ich war schon immer ein Sneaker Head“, sagt Léon Gissing im WhatsApp-Call für diesen Artikel. Stundenlang habe er bereits als Kind Youtube-Videos geschaut, Modelle recherchiert, Neuheiten ausgecheckt – und seine Eltern genervt, ihm diese oder jene zu kaufen. Aber es gab nur ein oder zwei Paar pro Jahr, das waren die Regeln.

Plug-Leon-Kunde Ansu Fati. Stürmer beim FC Barcelona

Plug-Leon-Kunde Ansu Fati. Stürmer beim FC Barcelona

„Also habe ich beschlossen, selbst Geld zu verdienen, um mir die Schuhe, die ich haben wollte, kaufen zu können“, erinnert sich Gissing. Sein Vater borgte dem damals 13-Jährigen das Startkapital: 160 Pfund, rund 180 Euro. Mit dem Geld in der Tasche stellte er sich beim Release eines limitierten Sneakers an, wartete Stunden, um am Ende durch den Weiterverkauf 25 Pfund plus gemacht zu haben. 

Sneaker-Reselling über Ebay und Depop

Das Spiel wiederholte Gissing anschließend so lange, bis er irgendwann zwei, dann drei Paar bei einem Mal Anstehen mitnehmen und anschließend über Ebay oder die Social-Selling-Plattform Depop verkaufen konnte. 

Gissing hat neben Sneakern eine zweite Leidenschaft: Fußball. Irgendwann kam ihm der Gedanke, seine beiden Interessen zusammenbringen. Schließlich haben viele Profispieler Bock auf besondere Sneaker und das Geld, sich jeden Schuh leisten zu können, aber – abgesehen von den absoluten Superstars – keine Bezugsquelle und auch keine Zeit, sich selbst in die Schlange vor dem Laden zu stellen. 

Kaltakquise im Londoner Nebel

Das Problem des damals 13-Jährigen: Wie kommt man als Schüler in Kontakt mit Fußballprofis, um ihnen rare Sneaker und Streetwear anzubieten? Giessing Strategie: unermüdlicher Einsatz – und Visitenkarten. „Nach den Spielen bin ich zu den Autos der Spieler gelaufen und habe denen meine Karte durchs Fenster gereicht“, erinnert er sich. Wann immer ein Team mit dem Zug nach London gekommen ist, habe er am Bahnhof gestanden. Vor und nach den Matches drückte er sich vor den Mannschaftshotels herum. „Ich war so ziemlich jeden Abend unterwegs“, sagt Gissing. „Die Anderen haben die Spieler nach Autogrammen gefragt, ich habe ihnen meine Visitenkarte überreicht.“

Gissings "first big client": Reiss Nelson, Rechtsaußen beim FC Arsenal

Gissings „first big client“: Reiss Nelson, Rechtsaußen beim FC Arsenal

Nach zehn zähen Monaten des Wartens und Austeilens seiner Visitenkarten hatte der Teenager dann endlich seinen ersten Kunden. Reiss Nelson, Rechtsaußen beim FC Arsenal, orderte ein paar Schuhe bei Gissing. Er sei außer sich gewesen, sagt er. Sein Plan hatte funktioniert. Von da an sei das Business allein durch Mundpropaganda stabil gewachsen. „Ich verkaufe an mehrere hundert Fußballer in allen europäischen Topligen“, sagt Gissing. „Ich habe in allen Clubs der Premier League und bei der Hälfte aller Bundesligavereine mindestens einen Kunden.“  

„In gewisser Weise ist Fußball eine kleine Welt“, sagt Gissing. Es gebe die Umkleidekabine beim Club, wo sich schnell rumspreche, bei wem es die coolen Klamotten gibt. Dann gebe es die Umkleidekabine der Nationalmannschaft, wo die Nummer oder das Instagram-Handle des Sneaker-Plugs zum Spieler vom anderen Verein wandert. Mit diesem dann in eine Umkleidekabine eines Clubs auf dem europäischen Festland und so weiter.

Netzwerk, Netzwerk, Netzwerk

Plug Leon konnte nur so schnell wachsen, weil der damals 14-Jährige schon früh seine Hausaufgaben gemacht hatte. Ihm sei klar gewesen, die mühsam gewonnenen Kunden würde er nur halten können, wenn er ihnen liefert, was sie wollen, so Gissing. Darum habe er in seiner Zeit als Online-Reseller bereits ein Netzwerk aufgebaut. „Als ich damals in den Schlangen gestanden und auf die Schuhe gewartet habe, habe ich mich immer mit den Leuten unterhalten, die vor und hinter mir in der Schlange standen“, sagt Gissing. 

In den Läden connectete er mit den Angestellten, bekommt Nummern und Intros, einen Discount hier, ein paar für ihn zurückgelegte Limited-Pieces dort. „Ich kümmere mich darum, dass ich jemanden für meine Jordans habe, jemanden für Yeezy, einen für Dior, einen für Gucci, jemanden für Louis Vuitton“, sagt Gissing. Die Leute, das Netzwerk, das sei im Grunde das ganze Geheimnis seines Geschäfts.  

Lieferung für einen VIP-Kunden, über Instagram via DM auch für den Plebs bestellbar

Lieferung für einen VIP-Kunden, über Instagram via DM auch für den Plebs bestellbar

Die enge Bindung seiner Supplier ist zentral für das Businessmodell von Plug Leon. „Wenn du in meinen Keller gehst, stehen da keine Schuhkartons rum“, sagt Gissing. „Ich vertraue meinen Lieferanten, dass ich alles on demand bekommen kann – und zwar schnell.“ Denn ein eigenes Lager binde nicht nur Kapital, es würde auch nicht zum Business passen. 

WhatsApp, Instagram, kein Online-Shop

Neun von zehn Bestellungen wären mittlerweile direkte Orders seiner VIP-Kunden. „Sobald ein Kunde mir schreibt, was er wünscht, beschaffe ich es.“ Einzige Ausnahme: Wenn ihm etwa 20 Paar von einem besonders limitierten Sneaker angeboten würden, von denen er weiß, dass er sie loswird, dann kaufe er auf Vorrat.

Neben seinen VIP-Kunden, die über WhatsApp bedient werden, betriebt Gissing noch einen Instagram-Kanal, wo Kunden ausschließlich per Direktnachricht ordern können. Den eigenen Online-Shop hat er wieder abgeschafft, weil er das Business nur unnötig verkompliziert habe. Stattdessen nutzt Gissing mittlerweile WhatApp-Gruppen für seine VIPs-Klienten als Tool zur Kundenbindung. Dort gehe es mitunter ziemlich witzig zu, wenn ein Kunde beispielsweise einen anderen beschuldigt, „seine“ Schuhe zu tragen.  

Konkurrent Luxuskaufhaus

Natürlich hatte auch die aktuelle Pandemie ihren Effekt auf Plug Leon. So schrecklich er die aktuelle Situation finde und jeden bedauere, der gerade seinen Job verloren oder Schlimmeres erlebt habe, für sein Geschäft sei Corona ein Segen. Mit dem ersten Shutdown hätten alle Londoner Luxuskaufhäuser schließen müssen. In gewisser Weise seien die seine Wettbewerber, sagt Gissing. „Als die zugemacht haben, gab es für Fußballer keine andere Möglichkeit mehr an die Sachen zu kommen, als zu mir zu kommen.“  

Léon Gissing mit den Brüdern und Fußballprofis Joe und Chris Willock

Léon Gissing mit den Brüdern und Fußballprofis Joe und Chris Willock

Wie lukrativ Plug Leon mittlerweile ist, will der Gründer nicht verraten. Er und ein Mitarbeiter, den er in Vollzeit beschäftigt, verschickten mittlerweile täglich mehrere Bestellungen. Die Preise – und damit sein Profit – hingen stark davon ab, um welches Item es geht und woher er es bekommt. Mehr ist ihm nicht zu entlocken. „Meine Eltern haben mit immer gesagt: Rede mit den Leuten nie über Geld, außer es ist unumgänglich“, sagt Gissing.

Schon jetzt gebe es Hater, die ihm in seiner Instagram-Kommentarspalte vorwerfen, sein Business würde die Sneaker-Kultur killen. Gissing vermutet dahinter Neider – und hat sogar ein gewisses Verständnis: „Ich hänge mit diesen Fußballern ab, spiele Playstation, sie laden mich zu Spielen ein – es ist der Traum aller Kids.“ Und natürlich gebe es auch eine Reihe von Nachahmern. Er sei jedoch der einzige, der Kunden auf der Insel und dem europäischen Festland bediene.  

Details machen den Unterschied

Gerade das ist aktuell eine Herausforderung. Denn seit dem Brexit muss er seine Ware für Kunden auf dem Kontinent verzollen. Den Preisaufschlag will er durch Mehrwert auf anderen Feldern wettmachen. „Ich bin nicht im Retail-Business“, sagt Gissing. „Ich biete einen luxuriösen Service an.“

Er weiß, wie viel Einfluss Details haben. Darum hatte er schon ganz zu Beginn, als es mit Plug Leon losging, mehrere Tausend knallrote Papiertüten geordert. Die machen sich zum einen gut auf den Fotos, die ihn bei persönlichen Auslieferungen an VIP-Kunden zeigen. Zum anderen hat sich Gissing viel bei den großen Luxus-Playern abgeschaut, verpackt seine Ware aufwendig, legt immer eine persönliche Botschaft dazu. Und natürlich seine Visitenkarte – könnte ja sein, dass ein Buddy seines Kunden mal nach der Adresse von dem Typen fragt, der ihm die Klamotten liefert.

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Christian Cohrs
Autor*In
Christian Cohrs

Editor & Content Strategist bei OMR und Host des FUTURE MOVES-Podcasts. Zuvor war er Redaktionsleiter des Wirtschaftsmagazins Business Punk in Berlin, Co-Autor des Sachbuchs "Generation Selfie".

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