Diese französischen Brüder verdienen mit Mini-Spiele-Apps mehrere Millionen im Monat

Martin Gardt17.10.2016

Ketchapp hat in zwei Jahren 700 Millionen App-Downloads mit Cross Promotion generiert

Ketchapp Founder
Antoine und Michel Morcos, Gründer von Ketchapp

Ketchapp stürmt mit Casual-Games wie 2048, Stack oder aktuell Pineapple Pen immer wieder die App-Charts. Pro Monat verzeichnet der Publisher 23 Millionen Downloads – seit der Gründung 2014 sind es 700 Millionen. Jetzt hat Gaming-Riese Ubisoft das Unternehmen für eine unbekannte Summe gekauft. Wir zeigen, mit welchen Tricks Ketchapp Downloads generiert und mit weniger als zehn Mitarbeitern fette Gewinne macht.

2014 gründen die beiden Brüder Michel und Antoine Morcos aus Paris Ketchapp. Davor hatten die beiden erfolglos probiert, mit Weplug ein eigenes soziales Netzwerk aufzubauen. Das 2008 gestartete Netzwerk wollte die besten Funktionen von Facebook und Twitter kombinieren. An dem Projekt kann man zumindest den Willen der beiden erkennen, ganz große Geschäftsideen anzugehen. Ketchapp schlägt da schneller ein: Schon Ende 2015 ist das französische Unternehmen gemessen an Downloads der fünft größte iPhone-Publisher in den USA. Zu der Zeit arbeiten gerade einmal fünf Leute für das Unternehmen, ein richtiges Büro gibt es nicht. Die Download-Erfolge dürften sich mit drei Taktiken zusammen fassen lassen: clevere Cross-Promotion, extrem schlankes Geschäftsmodell und frühes Erkennen von Trends (bzw. schnelles Abgucken bei der Konkurrenz).

Trends erkennen und sofort umsetzen

190_pineapple-pen-ketchappAnschaulich zeigt sich letzteres am Beispiel „Pineapple Pen“. Das Spiel liegt auf Platz 5 der deutschen Gratis-Charts bei iOS und Platz 10 bei Google Play. Das Spiel wurde laut dem Analyse-Tool Priori Data innerhalb von nur einem halben Monat über 4,1 Millionen Mal weltweit heruntergeladen (davon über 250.000 Mal in Deutschland). Entstanden ist „Pineapple Pen“ aus dem ziemlich verrückten Youtube-Video des japanischen Entertainers Kazuhiko Kosaka. Das kommt mittlerweile auf über 88 Millionen Abrufe und zeigt den Japaner im Leoparden-Overall, wie er seinen Song „Pen Pineapple Apple Pen“ singt. Zumindest in den USA ging das Video viral und obwohl in Deutschland weniger darüber zu hören war, konnte Ketchapp mit der App zum Video profitieren.

Statistik Pineapple Pen

Downloadstatistik der App Pineapple Pen für iOS. (Stand: 17.10.2016, Quelle: Priori Data)

Das Spiel ist in typischer Ketchapp-Art sehr einfach gestaltet. Der Spieler schießt mit einem Stift auf Äpfel und Ananas. Für Treffer gibt es Punkte, trifft er beide, entsteht ein „Pen Pineapple Apple Pen“. Am Rand singt ein Comic-Gesicht von Kazuhiko Kosaka bei jedem Treffer mit. Es geht ausschließlich um Highscores, Level oder andere Spielmodi gibt es nicht. Das neue Erfolgsspiel zeigt außerdem, wie Ketchapp seine Apps monetarisiert: Typisch für Free To Play-Games sind Banner und Interstitials zu sehen; die Nutzer können für 1,99 Euro Ads abschalten.

Mit Cross Promotion zu immer neuen Download-Erfolgen

Neben der Werbung für Apps von Drittanbietern und Online-Services setzt Ketchapp auf Werbebanner für die eigenen Apps. „Wir setzen auf organische Downloads“, sagt Ketchapp-Gründer Antoine Morcos gegenüber Business Insider. „Wenn das Spiel schlecht ist, erreichen wir keine Traction“. Während dieser „Burst Kampagnen“ wird jeweils das neueste Ketchapp-Spiel in den 90 bisher veröffentlichten Apps beworben. So kann das Unternehmen mit seinen Bestandskunden immer neue App-Erfolge feiern. Das erzählte uns im Juni auch der Chief Revenue Officer von Ketchapp Christian Calderon:

Der größte Erfolg von Ketchapp ist das Spiel 2048, das bisher über 70 Millionen Downloads verzeichnet hat. Und dabei arbeitet das Unternehmen mit einem unglaublich schlanken Geschäftsmodell: Ketchapp entwickelt die Spiele nicht selbst, stattdessen landen pro Woche hunderte Bewerbungen von kleinen Entwicklern beim Publisher, das kleine 6-Mann-Team wählt die Projekte mit dem größten Potenzial. Ketchapp agiert vor allem als Marketing-Maschine für kleine Entwickler und trägt damit selbst zur Konsolidierung der App-Ökonomie bei.

Gleichzeitig sichert sich der Publisher gegen Schwierigkeiten ab, die Retention Rate hoch zu halten. Viele Apps verlieren laut einer Studie von Appboy schon am ersten Tag über 75 Prozent ihrer Nutzer. Besonders „Casual Games“ wie sie Ketchapp entwickelt laufen Gefahr, vom Nutzer nur kurz getestet und dann nicht mehr genutzt zu werden. Herdjie Zhou, Entwickler der Spiele-App „Nom Cat“ zeigt in einer Statistik, dass nur 3,6 Prozent der zwei Millionen Nutzer 14 Tage nach der Installation in die App zurück kehren. Indem Ketchapp Nutzer schon beim ersten Öffnen einer App auf die nächste hinweist, hofft der Publisher zumindest dauerhaft Erfolge zu feiern, auch wenn die Nutzer von einer App zur nächsten wandern.

Jedes Mal ein Schuss ins Blaue

Ketchapp gehe laut Gründer Antoine Morcos mit jedem Spiel eine neue Wette ein: „Es ist wie in jedem Business. Wenige werden unter vielen bemerkt.“ Das heißt, dass Ketchapp ständig neue Spiele (teilweise eins pro Woche) in die Stores schickt, von denen dann nur ein Bruchteil richtig erfolgreich wird. Neben 2048 ist das schon mit „ZigZag“ (58 Millionen Downloads) und „Stick Hero“ (47 Millionen Downloads) gelungen. Solche Mega-Erfolge seien laut Morcos dank der einfachen Art der Spiele möglich: „Wir machen keine Spiele für Gamer. Wir machen Spiele für jeden.“ Laut Schätzung eines Experten verdient das Unternehmen mit Werbung über 6,5 Millionen US-Dollar im Monat. Die Einnahmen werden mit den Entwicklern der jeweiligen Spiele geteilt.

Entdeckt werden die Spiele von Nutzern aber nicht nur durch Cross Promotion, sondern offenbar auch durch die erfolgreiche Facebook-Strategie des Unternehmens: Allein auf Facebook hat die Ketchapp-Seite über 3,8 Millionen Fans. Mit kurzen Videos, die das Spielprinzip der Ketchapp-Games zeigen, generiert das Unternehmen hunderttausende Views; manche Videos kommen auf über eine Millionen Aufrufe und tausende Likes. Die Social-Strategie erinnert an die Taktik des Australiers Fortafy, der sein Spiel „Color Switch“ an seine über zehn Millionen Facebook-Fans vermarktet.

Alles nur geklaut?

Womit sich Ketchapp trotz der Erfolge auseinander setzen muss, sind Plagiatsvorwürfe. So erinnert das Erfolgsspiel 2048 stark an das kurz zuvor erschienene „Threes“. Und viele der Ketchapp-Games profitieren vom Flappy-Bird-Style, sie lassen sich durch einfaches Tippen auf den Smartphone-Bildschirm spielen. Engadget stellte zudem zumindest eine stilistische Ähnlichkeit zwischen dem Erfolgsspiel Monument Valley und dem Ketchapp-Spiel Skyward her. Gründer Morcos sagt dazu nur, dass ja auch Rennwagen gleich aussehen würden.

Noch schwerer, als von der Konkurrenz abzuschauen, wiegt der Vorwurf einiger App-Entwickler aus dem letzten Jahr. Diese hatten behauptet, dass Ketchapp ihre Spielentwürfe geklaut hätte, nachdem sie diese an den Publisher geschickt hatten, um vom Ketchapp-Marketing zu profitieren. Antoine Morcos bestreitet auch diese Vorwürfe – schließlich würde das unabhängige Entwickler verschrecken und damit das Geschäftsmodell von Ketchapp gefährden. Die Möglichkeit, geklaute Ideen zu fertigen Spielen zu entwickeln, hat Ketchapp aber, da sie mit einer Reihe von Entwicklern immer wieder zusammenarbeiten.

Ubisoft kauft Ketchapp und Innogames verzeichnet Geldsegen

Ende September hat der französische Gaming-Riese Ubisoft Ketchapp für einen nicht genannten Betrag gekauft. Damit steigt das Unternehmen zum weltweit viertgrößten Mobile-Publisher auf. Ubisoft geht es ganz offensichtlich nicht um die Qualität der Ketchapp-Spiele, sondern um die Expertise in Sachen Marketing und Cross Promotion: „Diese Akquise verschafft Ubisoft einen der weltweit führenden Mobile-Publisher und stärkt unsere Vermarktungs-Kapazitäten im Mobile Gaming“, sagt Jean-Michel Detoc, Executive Director für Mobile Business bei Ubisoft.

Da es immer schwerer und vor allem teurer wird, neue Nutzer für seine App zu gewinnen, dürfte Konsolidierung eine Folge der aktuellen Entwicklungen sein. Ketchapp zeigt, mit welchen Mitteln auch kleine Entwickler viele Nutzer erreichen können (auch wenn der Publisher dann mit kassiert). Große Medienkonzerne wie EA, Disney und Ubisoft spielen eine immer größere Rolle im App-Ökosystem. Das macht es unabhängigen Entwicklern mit wenig Budget nicht einfacher, Überraschungshits zu landen.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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