Ungewöhnliches Azubi-Geschenk: Ein Mercedes für Lehrlinge
Eine Werkstatt in Hessen macht seiner potenziellen neuen Ausbildungskraft ein Angebot, das es in sich hat.
Eine Mercedes G-Klasse für den Lehrling? Das ist das ungewöhnliche Lockmittel, mit dem Werkstattmeister Patrick Lippick für eine Azubi-Stelle wirbt. Warum er seinem künftigen Schützling dieses Angebot macht und aus welchen Gründen die Vier-Tage-Woche bei ihm gescheitert ist, hat er uns verraten.
Seit geraumer Zeit kann sich Patrick Lippick nicht mehr nur vor Aufträgen retten, sondern auch vor Bewerbungen und Medienbesuchen. Ersteres war der Grund für seine ungewöhnliche Idee, letzteres ist die Folge. „Irgendwann muss man sich Gedanken machen“, sagt Lippick hinsichtlich ausbleibender Bewerbungen. Jetzt schlug er einen einzigartigen Weg ein: Der Werkstattmeister bietet den künftigen Lehrlingen einen Geländewagen an. Das Modell, auf das sich Lippick in seiner Kfz-Werkstatt spezialisiert hat: die Mercedes G-Klasse. Ein Kult-Geländewagen, ursprünglich für Militär und Forstwirtschaft vorgesehen. 1979 erschien der erste Offroad-Wagen, der mittlerweile in vier Generationen produziert wird. Kostenpunkt: 10.000 bis 170.000 – gebraucht. Die G-Klasse muss restauriert werden, also erhält der*die Azubi 1.000 Arbeitsstunden, um ihn in seinen drei Lehrjahren aufzubereiten.
Die ungewöhnliche Stellenanzeige auf dem Portal Kleinanzeigen.
Vorwurf an die Eltern
„Wir sind ein ländlicher Standort“, fängt Geschäftsführer Lippick an, die Gründe für den Fachkräftemangel aufzuzählen, „und eine Ausbildung im Handwerk ist nicht mehr so beliebt“. Dem zugrunde liege das gesellschaftliche Narrativ: „Es heißt häufig, man soll was ‚Vernünftiges‘ machen – und das kommt vor allem von den Eltern.“ Deswegen hat Lippick sich etwas überlegt, dass diesen Mechanismus aushebeln kann. Jetzt hat er über 150 Bewerbungen auf dem Tisch. „Viel Vielversprechendes”, wie er sagt.
Immer weniger Kfz-Lehrlinge
Erst suchte der G-Klassen-Spezialist, der einst bei Mercedes lernte, verzweifelt, jetzt hat er Luxusprobleme. „Wir sondieren gerade aus“, sagt Lippick, während im Hintergrund das Telefon nicht stillsteht. Da trifft es sich gut, dass er lieber sogar zwei Ausbildungsplätze besetzen möchte. Die neue Nachfrage ist konträr zum Trend, dass immer weniger eine Ausbildung im Kfz-Gewerbe antreten: Laut Statista waren es 2022 ganze 3.000 weniger als 2019.
Das ist mitursächlich dafür, dass andere Recruiting-Instrumente bei ihm bereits gescheitert sind: „Die Vier-Tage-Woche hat hier nicht funktioniert, wir haben zu viel zu tun“, sagt Lippick.
"Jemand aus der Hauptschule ist nicht gleich ein schlechter Handwerker."
Sein Tag sei ohnehin immer 14 Stunden lang. Materialismus lockt die Masse. „Sie kommen aus allen Schulstufen, es sind auch viele mit Abitur dabei“, freut sich Lippick, der den Bildungsabschluss trotzdem für belanglos hält. „Jemand aus der Hauptschule ist nicht gleich ein schlechter Handwerker“, ist Lippick überzeugt. Er ist der beste Beweis für sein formuliertes Vorurteil – und will deshalb niemanden benachteiligen. Heute, glaubt er, hätte er keine Chance mehr auf einen Ausbildungsplatz bei Mercedes. Gerade deshalb wolle er der Jugend „diesen Stein aus dem Weg räumen“.
Grund genug, dass dem Ausbilder insbesondere „Engagement, Wissensdurst und Einsatzbereitschaft“ wichtiger sind. Kriegt der Geländewagen am Ende TÜV und besteht die Ausbildungskraft die Lehre mit befriedigend, geht der Wagen in seinen oder ihren Besitz. Das habe zwei Vorteile: „Erstens macht das der Azubi dann nicht nur für seinen Chef, sondern auch für sich. Zweitens hat das den wirtschaftlichen Aspekt, dass er ein Auto hat, das dann bis zu 40.000 Euro wert sein kann.“
Das G-Klassen-Experiment wirkt auf mehrere Ebenen. Materieller Anreiz führt zu großer Nachfrage – und vor Augen, wie das Handwerk um Nachwuchs ringt.