FemaleHRexcellence: Ein Frauen-Netzwerk mit Herz, Expertise und Mentorings

Sie sind Experten für etliche HR-Themen, doch sie helfen sich nicht nur gegenseitig, sie vermitteln ihr Wissen anderen. Der Preis? Wohltätigkeit. Die Hoffnung? Gleichberechtigung.

Frauen des Netzwerks femaleHRexcellence
Das ist das femaleHRexcellence-Netzwerk (von links): Yasmin Preis, Fatou Diakité-Micklisch, Anne Engelshowe, Charlotte von Riess, Prof. Dr. Anja Lüthy. Rechte Seite von vorne: Corinna Spaeth, Liza Follert, Sarah Böning, Andrea Hermann-Beumer, Gisa Biber. Nicht auf dem Bild: Dr. Friederike Baer, Julia Böttcher, Manja Ledderhos, Lea Martin, Jennifer Seidel, Sabine Zimmer, Krystyna Okoye-Montis und Ana Fernandez-Mühl. Quelle: Lüthy

Geballte Fachkompetenz in einem Zirkel mit 18 Frauen: Das Netzwerk femaleHRexcellence ist “kein Kaffeeklatsch-Verein”, wie ihre Gründerin Prof. Dr. Anja Lüthy sagt, es ist ein “unschlagbares Netzwerk aus Akademikerinnen und Frauen in Führungspositionen”. Gegründet im Dezember 2020 hat sich diese Gemeinschaft in der HR-Szene etabliert. Mit der Vision, ihre Expertise mit Frauen zu teilen und die patriarchalen Strukturen zu stutzen. Wir haben mit Recruiting-Beraterin Sarah Böning und Dr. Anja Lüthy gesprochen. 

Symbolbild Kamala Harris. Mit der Wahl des US-Präsidenten Joe Biden wurde das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten eine farbige Frau Vizepräsidentin. Als die heute 58-Jährige am 20. Januar 2021 ihren Amtseid ablegte, tagten zum ersten Mal 16 Frauen in einem Zoom-Call in Deutschland. “Das fand ich sehr passend, das war gutes Karma”, sagt Lüthy. Es war der Auftakt einer wertvollen Zusammenarbeit. Menschlich wie beruflich. 

Die Professorin mit Lehrstuhl an der Technischen Universität Brandenburg weiß nachhaltigen Austausch zu schätzen. Oder schärfer formuliert: “Ohne Netzwerk kann man nicht überleben – ob beruflich oder privat.” Die 61-Jährige ist Psychologin und Betriebswirtin und unterrichtet Betriebswirtschaftslehre.

An die Anfänge erinnert sich auch Sarah Böning noch genau: “Anja hat das Netzwerk angezapft und gezielt nach HR-Expertinnen gesucht – und dann ist das recht schnell intensiv geworden.” Durch die regelmäßigen Meetings alle zwei Wochen hat sich eine gemeinsame Vision entwickelt, die sich in einer Charta widerspiegelt. In den sechs Stichpunkten geht es um Prinzipien und Charakteristika des Netzwerks. 

Mentoring für den Karriereweg 

“Wir wollen unsere Schwarmintelligenz nutzen”, erklärt die Initiatorin, “denn wir brennen für die gleichen Themen: Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, New Work und KI”. Frauen können ein Mentoring bei dem Netzwerk anfragen, anschließend landet das Gesuch bei Böning. “Dann gibt es einen Fragebogen, der Wünsche, Beweggründe und thematische Präferenz abfragt”, erklärt die Ansprechpartnerin. Infolgedessen wird zügig gematched, wer aus dem 16-köpfigen Team zu der anfragenden Person passt und zeitnah erfolgt eine 60- bis 90-minütige Beratung. “Vieles geht in die Richtung: Wohin geht mein nächster beruflicher Schritt? Viele der Frauen stehen an einer Gabelung”, verrät die Mentorin. Andererseits geht es auch darum, wie die Frauen in ihrem Beruf Dinge organisieren und koordinieren. Die Mentorings sind eine flexible Beratung für das Berufsleben – ob es sich dabei um Themen am Arbeitsplatz handelt oder um Orientierung auf dem Arbeitsmarkt als solches. 

“Das Ganze findet pro bono statt. Wir wünschen uns dann eine Spende an Zeltschule e.V.”, sagt Böning. Ein Herzensprojekt – insbesondere für die Gründerin. Der Verein baut Schulen in syrischen Flüchtlingslagern im Libanon und Syrien.    

Doch nicht nur HR-Interessen und das Interesse an Wohltätigkeit eint die motivierten Frauen, sondern auch das Bestreben zu mehr Gleichberechtigung im Arbeitsleben. Auf der Landingpage des Netzwerks ist eine Vision für das Jahr 2030 formuliert: “Frauen und Männer besetzen in gleicher Anzahl Spitzenpositionen. Seien es Abteilungsleitungen, Vorstände oder Aufsichtsräte.”

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⁠Anteil von Frauen in Vorständen steigt

Aber wie realistisch ist das Ziel, Frau Dr. Lüthy? “Bis 2030 wird leider noch längst nicht so viel Aufklärung passiert sein”, prognostiziert sie, “aber es tut sich was”. Das Spiel von Licht und Schatten offenbart sich einer Studie der schwedischen Stiftung Allbright aus dem Juni 2023. Eines ihrer Resultate war, dass 63 Prozent der Frauen in den Vorständen dax-notierter Unternehmen extern rekrutiert werden – nur 44 Prozent sind es bei den Männern. Deutlicher wird das, wenn wir den Anstieg betrachten: In den vergangenen fünf Jahren ist das externe Rekrutieren von Frauen in Vorstandspositionen von 14 Prozent auf 46 Prozent gestiegen. “Unternehmen sollten nicht nur Headhunter bemühen, sondern auch Frauennetzwerke wie zum Beispiel unseres ansprechen. Wir sind bestens vernetzt und können hochkarätige Frauen motivieren, sich auf Spitzenpositionen zu bewerben.”

Für die Frauen, die Ambitionen in einem Unternehmen haben, füttere es außerdem das Narrativ, dass sie noch nicht so weit seien.  Lüthy: “Nach dem Motto, das Gute liegt in der Ferne.” Etwas Positives ist dem aber trotzdem abzugewinnen: “Es zeigt, dass die Unternehmen mehr Vielfalt in den Vorständen wollen. Das ist ein Riesenschritt”, lobt Lüthy. Das sei, wohl oder übel, auch der Frauenquote zu verdanken, die der Bundestag im Jahr 2021 beschlossen hat: “Die Quote sitzt den Unternehmen im Nacken.”

Mit Führungstandems die Gender Care Gap schließen

Grundsätzlich offenbart die Gesellschaft aber weiterhin Rückstand: Mütter sind im Schnitt 14,6 Monate in Elternzeit, Väter 3,7. “Frauen sind immer noch für die Care-Arbeit zuständig. Den berühmten Karriereknick mit Mitte 30 gibt es immer noch. Die Frau bringt die Kids zum Ballett und zum Fußball”, prangert Lüthy an. “Weil”, so die Expertin, “es leider immernoch keine gleichberechtigte Verteilung der Care-Arbeit gibt.”

Ein Schritt dorthin wären Führungstandems. “Das muss normal werden, da ist doch nichts dabei”, sagt Lüthy und lobt die Firma Edding, in der sich Fränzi Kühne und Boontham Tamaismithi die Spitze teilen. Bei allem Streben nach Fairness bleibt festzuhalten: “Wir haben nichts gegen Männer, wir wollen nur die Care Gap schließen.” 

Ein Grund für die Care- Gap ist die finanzielle Situation, wie eine Studie im Auftrag unseres 5050 by OMR-Teams und Appinio zeigt.

Women Empowerment – sogar in der Türkei

Die 16 Expertinnen sind mit dem Geist mehrerer Generationen vertraut, denn sie sind zwischen Anfang 30 und 60. Auch deshalb entsteht ein fachkompetenter Austausch, der Kontakte, Wissen und zwischenmenschlichen Mehrwert in petto hat. “Wir können uns nachts anrufen, wenn’s nötig wäre”, freut sich die solo-selbstständige Recruiting-Beraterin über den Zusammenhalt im Netzwerk. “Ich bin eigentlich alleine, aber ich fühle mich nie alleine. Es sind nicht nur Fachfragen, sondern auch sensible Themen. Die Meetings haben was heimeliges.” Die Gäst*innen, sagt Böning, sind außerdem eine "wertvolle Inspiration und Weiterbildung" für die Frauen. Im September tauscht sich das Netzwerk dann auch privat aus: Auf einer Workation in der Türkei. Ein Land, das von einem Präsidenten geführt wird, der Gleichberechtigung als unnatürlich bezeichnet. Wenn das nicht der richtige Ort ist, um sich genau darüber auszutauschen, welcher dann? ⁠ Update: Dieser Artikel wurde am 19. Dezember mit neuen Information überarbeitet, weil sich das Netzwerk vergrößert hat.

Marvin Behrens
Autor*In
Marvin Behrens

Marvin ist Redakteur bei OMR Jobs & HR. Zuerst studierte er erfolgreich Journalistik, dann wagte er einen Blick ins gymnasiale Lehramt. Seinem Abschluss in Sportwissenschaften und Germanistik zum Trotz folgte er weiterhin seiner journalistischen Leidenschaft.

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