Gary Vee, Jake Paul & Ashton Kutcher setzen schon drauf: Ist SMS das nächste große Ding?

Wie Startups wie Community und Superphone Influencern helfen wollen, ihre Fans enger an sich zu binden

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So trommelt Youtube-Megastar Jake Paul für seine "Text Only Gang" in einem Youtube-Video: Die Fans sollen ihm eine SMS schreiben, seine Nummer ihrem Telefonbuch hinzufügen, dann erhalten sie künftig vorab exklusive Infos

Dem bewunderten Star eine SMS auf sein persönliches Handy schicken zu können und möglicherweise sogar eine Antwort zu bekommen – das dürfte der Traum vieler, vor allen Dingen junger Fans sein. Mit dieser Begehrlichkeit spielen in den USA aktuell viele Digitalstars: Sie posten, manchmal sogar „versehentlich“, ihre angebliche private Handynummer. Doch statt auf dem Privathandy landen die Fan-Nachrichten in einer Software, die von Firmen wie Community oder Superphone stammt, und die den Stars helfen soll, SMS als eigenen Marketing- und CRM-Kanal aufzubauen. OMR zeigt Beispiele und erklärt die Mechanismen und Hintergründe des Trends.

„Mein Bruder hat gerade eine Wette verloren, deswegen leake ich seine Handy-Nummer. Sorgt dafür, dass sein Telefon explodiert, damit er sich ein neues besorgen muss“, flüstert Logan Paul am 28. Juni in seine Handy-Kamera und postet das Video als Instagram Story. Im Bild zu sehen: Jake Pauls angebliche Telefonnummer.

Gemeinsam mehr als zehn Milliarden (!) Views auf Youtube

Jake und Logan Paul sind zwei der größten Youtube-Stars weltweit. Beide sind durch Comedy-Clips auf Twitters mittlerweile eingestellter Video-Plattform Vine berühmt geworden und verzeichnen heute auf diversen Social-Plattformen gigantische Reichweiten. Obwohl (oder gerade weil?) die Paul-Brüder immer wieder mit Geschmacklosigkeiten und Political Incorrectness auffallen und damit bereits für diverse Kontroversen gesorgt haben, folgen ihnen Millionen von Fans. Jake Paul verbucht bislang auf Youtube sechs Milliarden Views und 19,4 Millionen Abonnenten sowie auf Instagram 12,3 Millionen Follower. Logan Paul hat 4,6 Milliarden Youtube-Views und 19,6 Millionen -Abonnenten sowie 16 Millionen Instagram-Follower vorzuweisen.

Von beiden Brüdern ist bekannt, dass sie sich regelmäßig „pranken“, also gegenseitig Streiche spielen. Wenig erstaunlich also, dass viele Fans die Geschichte glauben und Jake Pauls Handy wirklich wegen in Massen eingehenden neuen Nachrichten im Millisekundentakt zu rattern anfängt, nachdem sein Bruder seine Mobilnummer veröffentlicht hat. „Mir egal, ich schreib Euch allen eine SMS zurück“, schreibt Jake daraufhin sinngemäß in seiner eigenen Instagram Story, in der er die Nummer auch nochmal veröffentlicht.

Als Leak inszenierte, kalkulierte Aktion

Doch wer an die veröffentlichte Nummer eine Textnachricht schreibt, der erhält eine augenscheinlich automatisiert versendete, vorformulierte Antwort. Die Empfänger sollen einen mitgesendeten Link anklicken, auf der verlinkten Website genauere Angaben zu ihrer Person machen und die Nummer ihrem Telefonbuch hinzufügen. Wer die Nummer hingegen anruft, bekommt nur eine Mailbox-Ansage zu hören (auch wenn diese nicht gleich als solche erkennbar ist). Ganz offensichtlich ist es doch nicht die private Nummer des Youtubers, die die beiden Brüder veröffentlicht haben. Sondern dahinter steckt eine kalkulierte Aktion.

Diese Vermutung bestätigt sich in den Tagen danach: Am 3. Juli postet Jake Paul die bereits veröffentlichte Mobil-Nummer erneut auf Twitter. Am 12. Juli erklärt er schließlich in einem längeren Youtube-Video (ab 3:58) den Gedanken hinter der Aktion. Von einem unabsichtlichen Leak ist da keine Rede mehr. „Ich wollte gerne eine engere Verbindung zu Euch haben, deswegen habe ich eine Telefonnummer eingerichtet, unter der Ihr mir SMS schreiben könnt und ich Euch antworten kann“, so Paul. „Es ist quasi exklusiv. Ich nenne es die ‚Text Gang Only‘. Das ist nur für meine treuesten Unterstützer.“

Ashton Kutcher fehlt „die wirkliche Verbindung zu den Menschen“

Von Fans bei Twitter veröffentlichte Screenshots lassen darauf schließen, dass die Mitglieder der „Text Gang Only“ in der Tat vorab Zugriff auf Content des Youtube-Stars erhalten. „Weil Du in der Text Gang bist, kannst Du meine Videos vor allen anderen schauen. Dieses hier ist noch gar nicht draußen, aber hier ist ein Link“, heißt es in einer der Nachrichten.

Die Abwicklung der gesamten Kommunikation und das Hosting der Inhalte läuft dabei offenbar stets über die Website Community.com. Das hinter der Seite stehende Unternehmen hatte bereits Anfang 2019 in der US-Tech-Szene breitere Aufmerksamkeit erhalten, nachdem Ashton Kutcher eine Handy-Nummer getweetet und seine Follower dazu aufgerufen hatte, ihm zu schreiben. Dem Hollywood-Star und Tech-Investor folgten zu diesem Zeitpunkt 18 Millionen Nutzer auf Twitter. „Mir fehlt es, eine wirkliche Verbindung zu den Menschen zu haben“, tweetete Kutcher.

„90 Prozent Öffnungsrate innerhalb von drei Sekunden“

Caitlin Kelly, eine Journalistin des US-Magazins Wired, folgte Kutchers Aufforderung – und erhielt eine ebenso automatisiert wirkende Nachricht inklusive Community.com-Link wie zuletzt die Fans von Jake Paul. Kelly recherchierte als erste, dass Kutchers Tweet offenbar weniger eine spontane, impulsive Aktion war, sondern er die Software eines unter dem Namen „Shimmur“ gegründeten Unternehmens nutzt, um über diese mit seinen Followern per SMS zu kommunizieren.

Shimmur war 2014 unter dem Dach des „Seed-Accelerators“ Techstars zunächst als eine Art Reddit (hier im OMR-Porträt) für Stars gestartet. Mittlerweile hat das Unternehmen seinen Namen in Community geändert (und dafür die Domain Community.com offenbar von Salesforce erworben) sowie das Geschäftsmodell auf SMS-Dialog umgestellt. Mit der Software können die Nutzer nun offenbar über eigens eingerichtete Mobil-Nummern sowohl automatisiert Massen-SMS verschicken, als auch einzelnen Empfängern persönliche Nachrichten senden.

Mehr Unabhängigkeit von den Plattformen

„SMS-Messaging ist todeseinfach und super smart. Es ist allgegenwärtig und vertraut – in jedes Telefon auf der ganzen Welt eingebaut, ohne, dass man Apps herunterladen und bedienen lernen muss“, heißt es im Unternehmens-Blog von Community. 84 Prozent aller Inhalte würden über „Dark Social“-Kanäle wie SMS geteilt, schreibt dort Community-Gründer Matthew Peltier. Zudem verzeichneten SMS-Nachrichten laut einer Statistik von Adobe extrem hohe Öffnungsraten von bis zu 90 Prozent innerhalb von drei Sekunden. Die überwiegende Mehrheit der verfügbaren „Social Tools“ sei für Engagement und Reichweiten dieser Größenordnung nicht gebaut, so Peltier.

Viele Digitalstars dürften die von Peltier ins Feld geführten Zahlen zumindest aufhorchen lassen. Zwar mögen die (zumindest vorgespiegelte) Eins-zu-Eins-Kommunikation über SMS sowie der Verteileraufbau aufwändiger sein als über Social-Media-Plattformen. Doch bei Facebook und zuletzt auch Instagram sind die organischen Reichweiten mittlerweile stark eingebrochen. Bedingt durch die algorithmische Filterung der Feeds durch die Plattformbetreiber erreichen die Nutzer und Influencer teilweise nur noch einen geringen einstelligen Prozentsatz ihrer Follower. Der Versand von Newslettern per Whatsapp, auf den zuletzt viele Influencer und Unternehmen gesetzt haben, wird ab Dezember von Facebook unterbunden werden. Der Aufbau eines SMS-Verteilers mit hohen Öffnungsraten verheißt den Digitalstars dementsprechend eine größere Unabhängigkeit von den Plattformen.

Kein Mittelsmann, der die Einkommensquelle trockenlegen kann

Dass das aus Sicht der Digitalstars nicht nur alleine mit Blick auf die Reichweite, sondern auch auf die Finanzen ratsam sein kann, zeigt das Beispiel von Logan Pauls Youtube-Kanal. Dieser war im Februar 2018, nachdem der Youtuber im Zeitraum davor diverse stark umstrittene Videos veröffentlicht hatte, von Google kurzzeitig „demonetarisiert“ worden. In Pauls Videos wurden daraufhin also keine Anzeigen mehr ausgespielt; er erhielt kein Geld mehr aus Werbeumsätzen, die eine wichtige, wenn nicht die wichtigste Einkommensquelle von Youtubern sind. Logans Bruder Jake beispielsweise hat dem OMR-Gründer Philipp Westermeyer bei einem Zusammentreffen in New York im vergangenen Jahr verraten, dass er durch Video-Werbung mehr Geld verdient als etwa mit Live-Events.

Wenig erstaunlich also, dass Jake Paul und Ashton Kutcher offenbar nicht die einzigen Netzpromis sind, die aktuell Community nutzen, um mit ihren Fans zu kommunizieren. Wer auf Twitter nach Tweets sucht, in denen die URL m.community.com enthalten ist, stößt auf Hinweise darauf, dass beispielsweise der Musiker Marshmello, die Sängerin Jesse Reyez und der Musiker Jake Miller die Software verwenden.

Zwei Millionen US-Dollar Umsatz mit 35.000 Kontakten

Auch Vordenker und Digital-Hustler Gary Vaynerchuk kommuniziert mittels Community mit seinen Followern per SMS. „Eine der Sachen, die ich aktuell als Marketer am spannendsten finde, ist, dass man SMS jetzt nutzen kann, um Business zu machen“, so der Agenturgründer vor wenigen Monaten sinngemäß in einem auf Linkedin geposteten Video. Er verzeichne dort sogar Öffnungsraten von 98 Prozent. Vaynerchuk (von seinen Fans auch „Gary Vee“ genannt) nutzt Community offenbar sowohl, um mit seinen Followern per SMS zu kommunizieren (durchaus auch in persönlichen Einzelnachrichten), als auch um darüber Wein zu verkaufen. Wer sich auf der von ihm betriebenen Seite Winetext.com mit seiner Nummer anmeldet, bekommt regelmäßig Wein-Angebote per SMS zugeschickt.

Bevor Vaynerchuk zu Community wechselte, nutzte er die vergleichbare Software Superphone, hinter der der US-Musiker Ryan Leslie steht. Er wolle den Nutzern mit Superphone ermöglichen, mit ihren treusten Fans zu kommunizieren, erklärte Leslie im August 2018 in einer Folge des OMR Podcasts. Die Grundidee des Unternehmens sei, das Problem zu lösen, was jeder neue Künstler hat: mit Fans Geld zu verdienen. „Wenn ich von 1.000 Leuten die Telefonnummer habe, und die mir alle 100 US-Dollar geben, verdiene ich 100.000 US-Dollar in einem Jahr“, rechnet Leslie vor. Nach eigener Darstellung soll Leslie über den Kanal SMS sogar bereits deutlich höhere Summen umgesetzt haben. In einem Beitrag auf Medium.com erklärt der Musiker, dass ihn bereits 2013 mehr als 35.000 Menschen per SMS angeschrieben hätten, und dass diese Kontakte im Vorfeld einer Album-Veröffentlichung zu mehr als zwei Millionen US-Dollar Umsatz geführt hätten.

 

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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