Instagram Reels: Wie das Format Influencern und Brands Riesen-Reichweiten beschert

Martin Gardt19.3.2021

Influencer sowie Brands wie Just Spices, Kapten & Son und Oatsome verzeichnen bei Instagram Reels Hunderttausende Aufrufe ihrer Kurzvideos. Aber was bringt das Format wirklich?

Instagram Reels

Instagram Reels ist nicht nur Facebooks Antwort auf die Popularität von Tiktok. Brands und Creator sehen in der Funktion eine große Chance, für den eigenen Kanal viele Follower zu gewinnen. Schließlich werden beliebte Videos auch Nutzenden empfohlen, die dem jeweiligen Kanal noch nicht folgen. Wir haben uns bei Influencern und auf Instagram erfolgreichen Marken umgehört, ob ihre Reels wirklich für Reichweitensprünge sorgen. Und welche Art von Reels-Inhalten Hunderttausende Views generieren.

Seit Sommer 2020 ist die Instagram-Funktion Reels jetzt verfügbar. Zuerst testweise – heute findet sich das Feature in der Hauptnavigation (wir hatten schon damals eine erste Einschätzung abgegeben). Ihre bis zu 30-sekündigen Clips können Nutzende hier mit Musik unterlegen und Effekte hinzufügen. Nach der Veröffentlichung landen Reels auf dem eigenen Kanal und im Reels-Bereich der Instagram-App. Wer den aufruft kann endlos durch vorgeschlagene Reels scrollen. Wie bei Tiktok wählt ein Algorithmus die passenden Inhalte aus. Wie viele der eine Milliarde Instagram-Nutzenden aktiv Reels nutzen, gibt die Plattform bisher nicht bekannt. Trotzdem hoffen Brands und Influencer auf einen Follower-Push durch die Produktion von Reels – schließlich werden die auch Nutzenden angezeigt, die dem eigenen Kanal noch nicht folgen.

Ein Tool für Influencer

Heiko Hebig

Heiko Hebig

„Wir sind bei Reels auf einem ähnlichen Weg wie bei Stories und wollen dem Produkt erstmal Zeit geben“, sagt Heiko Hebig, Partnership Manager bei Instagram, gegenüber OMR. „Dass Reels in der Hauptnavigation gelandet ist, zeigt, welchen Stellenwert wir der Funktion geben.“ Auf der einen Seite drückt die Plattform also ein wenig auf die Bremse in Sachen Erwartungshaltung. Reels dürften trotzdem in Zukunft eine zentrale strategische Rolle für Instagram einnehmen – auch um Tiktoks Potenzial zu begrenzen und gleichzeitig Monetarisierungspotenzial abzuschöpfen. Laut einem gut informierten Tech-Experten stehen Ads im Reels-Bereich schon in den Startlöchern. 

Von wem sich Instagram den Content für das Format erwartet, ist relativ klar. „Reels ist vorrangig ein Produkt für Creator. Wir freuen uns aber natürlich auch, wenn Brands sich daran ausprobieren und auch hier sehen wir schon viel kreativen Content wie beispielsweise Step-by-Step Tutorials“, so Heiko Hebig. „Viele Creator sehen über Reels ein tolles Wachstum. Für viele ist es aber einfach eine weitere Option, um sich austoben zu können.“ Grund genug für uns, mal bei Influencern und Unternehmen nachzuhören, wie es gerade wirklich um Instagram Reels steht und ob sich der Aufwand, noch ein weiteres Videoformat zu bespielen, wirklich lohnt.

Auch mit „wenigen“ Followern zu großen Reichweiten

Gesina Demes

Gesina Demes

„Wir sehen viel Tanz, Comedy, Zaubertricks. Musik spielt oft eine große Rolle, aber auch der witzige Einsatz von Sprache“, sagt Heiko Hebig. Kein Wunder, dass vor allem Creator mit Tiktok-Erfahrung viel mit Reels experimentieren. „Mein Reels-Content ist ein Mix aus persönlichen Einblicken, meinen täglichen Struggles & humorvollen Sketches – das Thema Body- & Self-Acceptance liegen mir hier vor allem am Herzen“, sagt zum Beispiel Gesina Demes (26.000 Follower auf Instagram). Demes hat bereits über 80 Reels gepostet und zielt damit auf Nutzende, die sie bisher nicht kennen: „Ich überlasse es tatsächlich dem Algorithmus, wer sie sehen soll und wer nicht.“ 

Das bringt ihr mit einzelnen Reels ordentliche Reichweiten. Ihr bis vor Kurzem erfolgreichstes Kurzvideo, in dem sie verkündet, ab jetzt neben einem gestellten auch immer ein ungestelltes Instagram-Bild zu posten, kommt auf über 950.000 Views und 37.000 Likes. Warum gerade dieses Reel so durch die Decke ging? „Weil sich unglaublich viele junge Ladies, die wie ich mit Instagram erwachsen geworden sind, in diesem Kampf des ständigen Vergleichens wiedergefunden haben. Umso schöner ist es zu sehen, dass echter, rawer, authentischer Content zum Trend werden kann.“ Gerade hat aber ein witziges Video über eine Eigenheit ihres Vaters (und vieler Väter) mit zwei Millionen Views die Spitzenposition eingenommen.

„In den ersten Wochen gingen meine Followerzahlen extrem nach oben – das lag wahrscheinlich daran, dass ich sowas wie ein First Mover auf der Plattform war“, erzählt Demes. „Mittlerweile hat sich das aber wieder eingependelt. Es ist interessant zu sehen, wie sich eine neue Subplattform in kürzester Zeit saturieren kann.“ Denn schon ein halbes Jahr nach dem Start des Formats schwirren Millionen Reels durch die Plattform. Es wird also schon schwerer aus diesem Grundrauschen herauszuragen.

Viral-Erfolge bringen neue Follower

@ann_astep

@ann_astep

Vor allem zum Start war das Potenzial des neuen Formats aber offenbar riesig. „Mein drittes Reel war mit 21,3 Mio Aufrufen das erfolgreichste. Es ist ein Tanzvideo, bei dem meine Schuhe auf mich zufliegen“, erzählt Tanz-Influencerin Anna alias ann_astep. Sie kommt auf knapp unter 60.000 Follower und hat mit dem Video einen ordentlichen Viral-Erfolg verzeichnet. Mehrere weitere Reels von ihr kommen auf über eine Million Views. „Viele meiner Reels sind Tutorials, kurze Freestyle Videos oder Trends“, sagt die Influencerin. 

Und Anna ist wohl das beste Beispiel, wie sich solche Reichweiten-Erfolge dauerhaft auszahlen können. „Im August 2020 hatte ich noch keine 1.000 Follower. Vor kurzem habe ich die 60.000 geknackt“, sagt sie gegenüber OMR. „Die Engagement-Zahlen sind durch den Anstieg der Follower auch höher als zuvor.“ Aktuell seien ihre Followerzahlen gesunken, weil sie durch ihr Studium weniger Zeit für Instagram habe. Danach soll es aber mit Reels weitergehen. Was aber auch ohne ihre kleine Auszeit erkennbar ist: Ihr erfolgreichstes Reel stammt aus dem August 2020. Keines ihrer letzten zehn Kurzclips konnte die Marke von 60.000 Views knacken. Es könnte also was dran sein an der Sättigung des Formats durch eine enorme Menge an Content. 

Content-Recycling verboten?

Trotzdem sehe Heiko Hebig von Instagram weiterhin Wachstum bei Creatorn, die mit Reels experimentieren: „Jemand wie @twenty4tim hatte vor dem Reels-Launch 400.000 Follower. Jetzt sind es weit über eine Million“, sagt er. Gerade bei ihm (im echten Leben heißt er Tim Kampmann) ist jedoch offensichtlich, dass er vor allem seinen Tiktok-Content bei Reels einfach neu hochlädt. „90 Prozent meines Contents recycle ich aus meinen Tiktoks“, sagt auch Gesina Demes. „Ich werde nun langsam aber sicher auch warm mit den Editing-Möglichkeiten in der App.“ 

Das muss sie wohl auch werden, denn vor Kurzem machte Instagram deutlich, dass Reels, die ein Wasserzeichen von Tiktok tragen und damit offensichtlich recycelt sind, vom Algorithmus nicht promotet werden. Sie werden also nur Nutzenden angezeigt, die sich die Reels einzelner Kanäle bewusst anschauen. Das virale Potenzial ist dahin.  

Wie Kapten & Son mit Reels experimentiert

Marian Paul

Marian Paul

Das ist wohl auch der Grund, weshalb die Brands, mit denen wir gesprochen haben, vor allem auf explizit für Reels erstellten Content setzen. „Wir analysieren immer, welche Art von Content auf welchem Kanal beliebt ist und erstellen entsprechend der Nutzerpräferenzen unseren Content“, sagt Marian Paul, CMO bei der DTC-Brand Kapten & Son (über 800.000 Follower auf Instagram). „In Instagram Reels kommen zum Beispiel DIY’s, wie wir unsere Produkte als Geschenke verpacken, oder ein DIY-Sonnenbrillenhalter gut an. Auf TikTok ist es hingegen oft Comedy Content, den Nutzende sehen wollen. Daher erstellen wir unterschiedlichen Content für die unterschiedlichen Kanäle.“ 

Die Reels des Unternehmens spielen meist mit Stop-Motion-Funktionen und sind teilweise aufwendig produziert. Die derzeit auf dem Kanal sichtbaren Reels erreichen meist zwischen 60.000 und knapp über 100.000, einzelne über 300.000 Views. „Wenn wir nach den Impressions gehen war unser erfolgreichstes Reel ein Video unserer ‚Instagram Story Hacks‘- Reihe“, erzählt Paul gegenüber OMR. „Ein Video, das viele Impressions erzielt hat, erzielt aber nicht automatisch auch eine hohe Engagement Rate. Beispielsweise hat ein Video unserer Reihe ‚How to wrap your X-MAS Gifts‘ im Schnitt weniger Impressions erzielt, dafür aber überdurchschnittlich viele Likes und Kommentare.“ Das sei für ihn mindestens ein genauso großer Erfolg. Kapten & Son scheint auch in regelmäßigen Abständen bei seinen Reels auszumisten, damit Instagram-User aktuell eben nicht den Weihnachtsgeschenke-Guide angezeigt bekommen.

Oatsome auf der Suche nach neuen Followern – und Umsatz

Bei der Smoothie-Bowl-Marke Oatsome (113.000 Follower auf Instagram) scheint beim Reels-Einsatz vor allem das Follower-Wachstum im Mittelpunkt zu stehen. „Durch die Discover-Funktion bekommen deutlich mehr Leute Reels ausgespielt, wodurch uns auch Personen entdecken können, die uns vorher noch nicht kannten“, sagt Stephanie Wicher, Content & Social Media Managerin bei Oatsome gegenüber OMR. „Dadurch müssen wir unseren Content auch auf die Bedürfnisse einer breiteren Zielgruppe anpassen, so dass man die Reels auch versteht, ohne zuvor mit uns in Kontakt gekommen zu sein.“

Deshalb stehen neben wenigen humoristischen Kurzvideos vor allem Rezepte im Mittelpunkt. Diese bringen das Produkt von Oatsome, einen Instant-Smoothie für Frühstücks-Bowls auch für Neulinge auf den Punkt. „Gesunde Food-Trends, die auch noch Spaß machen, kommen extrem gut bei unserer Zielgruppe an“, so Wicher.

Das erfolgreichste Reel sticht aber trotzdem etwas heraus. „Unser erfolgreichstes Reel war unser dm-Reel, in dem wir die Listung unserer Produkte als Portionsbeutel bekannt gegeben hat. Hierbei ist uns zum einen die Bekanntheit der Drogeriekette zugute gekommen, wie auch die Tatsache, dass wir einen zu diesem Zeitpunkt sehr viralen Sound verwendet haben“, erzählt Stephanie Wicher. „Den Erfolg des Reels konnten wir nachträglich verstärken, indem wir einige Zeit später die Rückblenden-Stitch-Funktion verwendet haben, um zum Launch einer dritten Sorte im dm die Geschichte weiterzuführen. Dadurch konnten nicht nur wir profitieren, sondern auch dm. Denn dank der Reels ist der Absatz unserer Produkte bei dm signifikant gestiegen.“

Just Spices setzt auch auf Rezepte

Ole Strohschnieder

Ole Strohschnieder

Auch das Gewürz-Startup Just Spices (422.000 Abonnenten auf Instagram) setzt vor allem auf Rezepte als Format, um nicht nur die eigenen Follower mit den Kurzvideos zu erreichen. „In den Reels erklären wir unseren Kunden die Anwendung unserer Produkte in kurzen Step-by-Step Videos. Wir zeigen ihnen, wie einfach es ist, mit unseren Gewürzmischungen zu kochen und inspirieren sie, in der Küche kreativ zu werden“, erklärt Gründer und CMO Ole Strohschnieder gegenüber OMR. „Dabei sind keine weiteren Texte oder Erklärungen mehr nötig. Uns ist es wichtig, unsere Reels, Storys und Postings miteinander zu verbinden, um so den User an mehreren Touchpoints in die Welt von Just Spices mitzunehmen.“ 

Kein Wunder also, dass das „Frühstück in Minuten“-Reel mit 647.000 Views das erfolgreichste von Just Spices ist. „Das Avocado Topping ist einer unserer Bestseller und gleichzeitig ist das Gericht super verständlich, jeder traut sich zu, es nachzumachen und die Zutaten dafür hat man bereits zu Hause“, so Strohschnieder zum Erfolg des Clips. Bei den Rezept-Videos des Unternehmens steht die klassische Perspektive von oben auf eine Pfanne im Mittelpunkt – wie sie der Buzzfeed-Ableger Tasty vor Jahren etabliert hat. Typische Reels von Just Spices verzeichnen zwischen 140.000 und 275.000 Views.

Ist Followerwachstum mit Reels drin?

Soviel zur Strategie der Brands. Aber zeigen sich neben Views auch Erfolge in Sachen Follower-Aufbau durch Reels? „Der Einsatz von Reels hat mit Sicherheit auch zu unserem Wachstum beigetragen“, sagt Ole Strohschnieder von Just Spices. Er sehe das Wachstum auf Instagram aber eher als Ergebnis von ineinandergreifenden Marketing-Maßnahmen. „Bisher haben wir kein deutliches Follower-Wachstum speziell durch Reels bemerkt. Wir sind aber überzeugt davon, dass Reels uns weitere Möglichkeiten eröffnen, bestehenden Followern und potenziellen neuen Followern einen Mehrwert zu bieten und sie so für unsere Marke zu begeistern. Das merken wir in der Tat an den Engagement Rates“, sagt Marian Paul von Kapten & Son. „Wir werden also auch langfristig weiterhin Reels erstellen und veröffentlichen.“

Ein weiterer Creator mit dem wir gesprochen haben ist hingegen voll überzeugt von den Chancen, die das Format bietet. „Mit Insta Reels wurde die Chance, neue Leute zu erreichen, auf ein komplett neues Level gebracht“, sagt Mario Novembre, der aktuell auf 1,2 Millionen Follower bei Instagram kommt. Laut dem Analyse-Tool Notjustanalytics wächst sein Acccount bis September 2020 um 3.000 bis 7.500 Abonnenten pro Woche. Anfang Oktober kommen dann mehrere Reels von ihm mit Millionen-Reichweite und er gewinnt in einer Woche über 36.000 neue Follower. Bis heute wächst er schneller als vor dem Reels-Start.

Was noch zu tun ist

Instagram selbst hat aber offenbar noch einige Aufgaben auf dem Zettel, um überhaupt Erfolge durch Reels messbar zu machen. „Durch Reels ist für uns ein Format hinzugekommen, durch das wir unsere Reichweite deutlich spürbar ausweiten konnten. Jedoch gleicht die Auswertung der Reels im Moment noch einem Blick in die Glaskugel“, sagt Stephanie Wicher von Oatsome. „Leider gibt es von Instagram noch keine Möglichkeit, den Impact genau zu tracken.“ Und auch Marian Paul sieht noch Nachholbedarf: „Neben Impressions, Likes und Kommentaren wären für uns weitere Insights wie Saves und die durchschnittliche Abspieldauer interessant, um den Erfolg unserer Reels zu analysieren und zu bewerten. Außerdem hat Instagram kürzlich auch Unternehmensseiten eine Musikfunktion mit lizenzfreier Musik zur Verfügung gestellt. Diese Musikbibliothek auszuweiten wäre sicherlich hilfreich, um Reels in Zukunft direkt in der App zu drehen.“ 

Heiko Hebig von Instagram ist sich der aktuellen Probleme auf jeden Fall bewusst, verweist aber auf die junge Lebensdauer von Reels: „Was Creator oft einfordern, sind detailliertere Insights. Auch darüber hinaus gibt es einige Sachen, an denen wir noch arbeiten müssen. Da sind wir aktuell noch in der Entwicklung.“ Dabei gehe es auch um die Einbindung der Funktion in die App insgesamt. „Gerade im Video-Bereich machen wir es der Community mit den verschiedenen Formaten momentan nicht immer leicht. Vielleicht finden wir bald wieder zurück zum Mantra, dass wir das einfacher gestalten.“ Brands und Creator werden auf jeden Fall trotz kleinerer Hürden weiter kräftig Reels produzieren. Zu groß ist die Chance, Reichweiten-Erfolge zu erzielen und neue Follower zu gewinnen. 

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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