Substack: So läuft der Deutschlandstart der Paid-Newsletter-Plattform

Martin Gardt5.7.2024

Der erste deutsche Mitarbeiter von Substack spricht mit OMR über die Deutschland-Strategie

Substack gilt mindestens in den USA als DIE Plattform für bezahlte Newsletter. Bekannte Journalist*innen und Expert*innen aus den verschiedensten Bereichen verdienen hier zum Teil sehr gutes Geld. Jetzt startet Substack mit seinem ersten Mitarbeiter auch in Deutschland offiziell. Wir haben mit Andreas Laux, Head of Writer Partnerships DACH, über den Start, erfolgreiche Newsletter und die Vision für Substack in Deutschland gesprochen.

Chris Best, Jairaj Sethi und Hamish McKenzie gründen Substack 2017 als Plattform für Bezahl-Newsletter. Ihr großes Vorbild: Ben Thompson mit seinem Subscription-Newsletter Stratechery (hier auf der OMR-Bühne). Substack soll es jedem ganz einfach möglich machen, ein Newsletter-Business aufzubauen. Mittlerweile spricht das Unternehmen von drei Millionen Bezahl-Abos und 17.000 Schreibenden. Die zehn erfolgreichsten Substack-Newsletter in den USA machen zusammengenommen einen Umsatz von über 25 Millionen US-Dollar. Mittlerweile bietet das Unternehmen auch Monetarisierungs-Tools für Podcasts an.

Das Unternehmen spricht Journalist*innen, Professor*innen, Expert*innen auf den verschiedensten Gebieten an. "Unsere Kernbotschaft ist die Unabhängigkeit. Die Kreativen sind Chefredakteure, Verlegerinnen und Vertriebschefs in einem", sagt Andreas Laux von Substack gegenüber OMR. Dieses Unabhängigkeitsversprechen soll jetzt auch in Deutschland noch mehr Newsletter-Schreiberlinge anlocken. Denn das Geschäftsmodell von Substack braucht erfolgreiche Partner*innen: Die Plattform behält zehn Prozent der Umsätze ein, die durch Substack-Abos entstehen.

Deutschland-Start oder Community-Pflege?

"Wir sind mittendrin im Deutschland-Start, arbeiten aber nicht auf ein bestimmtes Event hin oder schneiden ein rotes Band durch", so Laux im OMR Gespräch. Er soll in seiner Rolle als Head of Writer Partnerships DACH vor allem neue Autor*innen von Substack überzeugen – und bestehende glücklich machen. "Mit dem Deutschland-Start ist jetzt noch mehr Support von Substack da. Wir wollen die Botschaft, das Angebot und das Bewusstsein rund um den Service schärfen", sagt er. "Wir wollen Autorinnen und Autoren mit breiten Maßnahmen von Substack überzeugen. Wir machen Events, ich spreche Menschen aktiv an. Was mir aber besonders wichtig ist: Die Community dürstet es nach mehr Vernetzung und dabei wollen wir helfen."

Andreas Laux

Andreas Laux, Head of Writer Partnerships DACH bei Substack (Foto: Janina Steinmetz)

Mehr Vernetzung braucht es offenbar, weil es laut Substack bereits viele deutschsprachige Newsletter auf der Plattform gibt. "Deutschland ist nach den USA und UK der dritte Markt, weil es hier organisch schon beträchtliches Interesse gab". so Laux. Da wäre zum Beispiel Journalistin Anne-Kathrin Gerstlauer mit ihrem Textschreibe-Tipps-Newsletter Texthacks (über 10.000 Abonnent*innen). Oder Ökonom Maurice Höfgender mit dem Wirtschafts-Newsletter "Geld für die Welt" (auch über 10.000 Abos). Dazu kommen erfolgreiche Substacks zu den Themen Mode, Geschichte oder Tennis. Und auch hierzulande können erste Autor*innen auch davon leben. "Wenn du in Deutschland zu den Top-Publikationen auf Substack gehörst, reden wir schon von sechsstelligen Umsätzen im Jahr", sagt Andreas Laux.

Substack TextHacks

Die Landing-Page vom erfolgreichen deutschen Substack-Newsletter TextHacks

Die Konkurrenz ist auch schon da

Substack geht davon aus, dass der deutsche Markt viel Potenzial bietet. "Der Bedarf ist groß für eine Unabhängigkeit vom Verlagswesen auf der einen und Algorithmen auf der anderen Seite", so Laux. Aber typisch Deutsch ist wohl auch ein gewisser Grad an Zurückhaltung, der schnelles Wachstum nicht unbedingt einfacher macht. "Es gibt noch viel zu tun. Ich muss selbst gestandene Professorinnen, Mode-Influencer oder Konditormeister davon überzeugen, für ihre super Inhalte Geld zu verlangen."

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Gleichzeitig muss sich Substack auch mit der Konkurrenz auseinandersetzen. Schon länger am deutschen Markt aktiv ist Steady aus Berlin. Das Unternehmen bietet wie Substack Newsletter- und Podcast-Monetarisierung. Digital-Magazine wie Uebermedien nutzen Steady zur Verwaltung ihrer Abo-Funktion. Und aus den USA versucht es Beehiiv mit einem ähnlichen Geschäftsmodell. Das 2021 von Ex-Morning-Brew-Mitarbeitenden gegründete Unternehmen spricht von über 150.000 Newslettern, die über die Plattform versendet werden. Aber auch andere Paid-Content-Plattformen wie Patreon oder die Publishing-Plattform Ghost könnte man zum Wettbewerb von Substack zählen.

Die Hoffnung auf die USPs

"Unser großes Unterscheidungsmerkmal: Wir haben ein soziales Netzwerk der neuen Generation angeschlossen. Am Ende besteht Substack aus zwei Säulen: der Publishing-Plattform und dem Netzwerk", erklärt Andreas Laux. "Unsere Netzwerk-Tools wie Notes oder Recommendations generieren 50 Prozent der kostenlosen und 30 Prozent der bezahlten Abos." Notes ist dabei quasi der Twitter-Klon von Substack, wo Autor*innen in Kurzform aktuelle Gedanken zu ihren Themen posten und so ihre Community auch zwischen den Newslettern unterhalten können.

Substack Notes

Die Notes-Funktion von Substack erinnert an X (ehemals Twitter)

Recommendations oder im Deutschen Empfehlungen werden auf den jeweiligen Substack-Landing-Pages angezeigt. Dabei handelt es sich nicht um automatisierte Hinweise, sondern um Newsletter, die von den jeweiligen Autor*innen persönlich empfohlen werden. Landet ein Newsletter in einer Empfehlungs-Liste bekommen die Urheber*innen einen Hinweis und können quasi zurück empfehlen. So kann quasi ein Substack-Flywheel entstehen.

Und das ist auch nötig. Denn trotz beeindruckender Zahlen vor allem für die Substack-Elite läuft es für das Unternehmen seit einer Hochphase während der Corona-Pandemie nicht nur positiv. Schon 2021 verbrennt Substack offenbar 25 Millionen US-Dollar aus einem 65-Millionen-Dollar-Funding. Da wurde das Unternehmen aber immerhin noch mit 650 Millionen US-Dollar bewertet. 2023 war zu einer Folgefinanzierung dann kein VC mehr bereit. Über die Community-Investment-Firma Wefunder konnte das Unternehmen immerhin fast acht Millionen Dollar von über 6.500 individuellen Investor*innen einsammeln. Genaue aktuelle Umsatzzahlen gibt Substack nicht heraus. 2021 lag der Umsatz bei knapp zwölf Millionen US-Dollar. Aktuelle Schätzungen gehen für 2023 von 20 bis 30 Millionen Dollar Umsatz aus.

Der perfekte Newsletter

Für Substack gibt es also nur einen Weg, um die Zahlen weiter zu verbessern: Mehr Autor*innen überzeugen, erfolgreiche monetarisierte Newsletter und Podcasts zu bauen. Da verspricht die Internationalisierung nochmal Wachstum. Andreas Laux will neben einer großen Masse vor allem auch große Namen von der Plattform überzeugen. Dann könne ein Halo-Effekt entstehen, der viele weitere anzieht. "Meine Vision: Die künftige Kanzlerin oder der künftige Kanzler verkünden in ein bis zwei Jahren auf ihrem Substack neue politische Maßnahmen, die dann die Tagesschau aufgreift – statt das über soziale Plattformen zu machen", so Laux.

Zu einem erfolgreichen Newsletter gehöre aber mehr als nur ein bekannter Name. "Einen erfolgreichen Newsletter machen aus meiner Sicht drei Merkmale aus: Er muss nützlichen Content bieten – das ist der No-Brainer. Die Community-Arbeit muss mitgedacht werden. Und was mich überrascht hat: Die Mission ist wichtig. Viele Leute wollen Teil einer Reise mit einem Ziel sein und sind dann dazu bereit, Abos abzuschließen." Erfolgreiche Publikationen wie TextHacks würden genau das zeigen. Die Autorin Anne-Kathrin Gerstlauer sei eine Nutzwert-Bazooka, die gleichzeitig nahbar bleibe und offen mit der Community umgehe.

Keine Beschränkungen?

Es wird sich zeigen, was der Einsatz eines deutschen Teams (bisher 1-Mann-Team) für das Substack-Wachstum bedeutet. Zumindest rechtlich müssen sich deutsche Nutzende laut Andreas Laux keine Sorgen machen, das Angebot sei mit der europäischen Gesetzgebung rund um DSGVO & Co. im Einklang. Und Sorgen wegen ähnlicher Kritik wie es sie in den USA gab, macht sich Laux auch nicht. Es herrsche eine positive, kreative Atmosphäre, die voll auf ein Miteinander abziele.

Aber was war passiert in den USA? Schon 2020 gerät Substack in die Kritik, weil viele Covid-Schwurbler, die von Twitter, Facebook und Youtube gebannt worden waren zu Substack wechseln – darunter Rechtsaußen Steve Bannon. Covid-Misinformations-Typen wie Alternativmediziner Joseph Mercola posten bis heute auf Substack. Ende 2023 folgt die nächste Welle der Kritik, weil Nazis, Rassisten und Antisemiten Newsletter über Substack verschicken. Die drei Gründer bekräftigen in einem ausführlichen Artikel eher passiv bleiben zu wollen bei der Content-Moderation. All das führt dazu, dass Casey Newton, einer der reichweitenstärksten Substacker, die Plattform verlässt. Laut Andreas Laux sei zu Unrecht der Eindruck entstanden, Substack hätte rassistischen Content toleriert. Gegen die Content-Guidelines der Plattformen hätten fünf Publikationen mit unter 100 Abos verstoßen. Zum Vergleich: Insgesamt verwaltet Substack 35 Millionen Subscriptions.

Und trotzdem: In Deutschland schauen Behörden im Zweifel genauer, welche Inhalte auf einer Plattform stattfinden. Aber das ist nur eine Hürde von vielen für Andreas Laux und Substack. Wir werden die Entwicklung genau beobachten – vielleicht gibt es ja auch in Deutschland bald die ersten Substack-Millionär*innen.

Korrektur:

In einer früheren Version schrieben wir von 250.000 zahlenden Abonnent*innen. Diese Zahl ist veraltet. Substack selbst gibt als Kennzahl mittlerweile Bezahl-Abos an – davon verzeichne die Plattform insgesamt derzeit drei Millionen. Wir haben die Zahl im Artikel korrigiert.

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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