Was ist Headless? Eine Experte erklärt das „kopflose“ Buzzword
Headless CMS und Headless Commerce schwirren als Begrifflichkeiten durch die Branche. Was steckt dahinter?
Headless ist eigentlich ein Horrofilm aus dem Jahr 2015. Etwa um die gleiche Zeit taucht der Begriff aber auch im Marketing, E-Commerce und der IT-Branche auf. Aber was steckt überhaupt hinter einem Headless CMS oder Headless Commerce? Wir haben mit einem der Treiber des Themas genau darüber gesprochen.
Thomas Peham muss als VP Marketing des Headless-CMS-Anbieters Storyblok aus Österreich ständig erklären, was das Content-Management-System seines Arbeitgebers so anders macht als WordPress & Co. 86.000 Projekte laufen weltweit schon mit dem Headless CMS von Storyblok – zu den Kunden zählen Marc O’Polo, Happy Socks und Miles. Genau deshalb ist er der richtige Kandidat, uns zu erzählen, was Headless wirklich bedeutet und was es für Marketeers so spannend macht:
OMR: Headless ist ein aktuelles Buzzword. Aber was unterscheidet ein Headless CMS genau von einem klassischen CMS? Thomas Peham: Die ersten Tools im Headless-CMS-Bereich sind 2013/2014 auf den Markt gekommen. Übersetzt heißt es kopfloses CMS, weil man mit einem Headless CMS das Frontend vom Backend abtrennt. Klassische CMS wie WordPress oder Typo3 sind All-In-One-Lösungen. Da baut man eine Webseite mit einer Benutzeroberfläche für die Redakteure. In diesem Backend verwalten sie die Inhalte, die sie im Frontend, also auf der Webseite, publizieren. Und das Ganze läuft dann auf einem klassischen Webserver. Das Headless-CMS-Konzept trennt dieses Konstrukt auf. Das klingt im ersten Moment aufwendiger. Das Besondere ist aber, dass es so möglich wird, durch APIs die Inhalte, die im Backend erstellt werden, dorthin zu spielen, wo man diese haben will – egal ob Webseite, App oder andere Kanäle.
OMR: Was sind die großen Vorteile von Headless CMS? Thomas Peham: Klassische Systeme wie WordPress sind vor 20 bis 30 Jahren entwickelt worden. Da gab es das Web, fertig. Heute gibt’s Mobile Apps und viele weitere digitale Interfaces wie Voice, Smartwatches etc. Durch die Bündelung von Frontend und Backend bringt Webseite und Content-Hub eng zusammen. Aber wenn du neben der Webseite noch eine App betreibst, bekommen die klassischen Systeme Schwierigkeiten, die Inhalte über alle Plattformen einheitlich darzustellen. Und hier kommt Headless ins Spiel. Das gibt dir im Frontend alle Möglichkeiten, um mehrere Kanäle zu nutzen und trotzdem nur ein zentrales Backend zu betreiben, wo die Inhalte zentral verwaltet werden. Das macht ein Headless CMS oft nicht nur in der Content-Verwaltung effizienter, sondern auch für IT Teams angenehmer zu verwalten. Für Marketer ist aber auch das Thema Performance spannend. Weil IT-Teams im Headless CMS volle Freiheit über das Frontend haben, können sie die besten Technologien einsetzen. Wir sehen Cases, wo die Webseite nach dem Wechsel auf Headless über 80 Prozent schneller war.
OMR: Welche Unternehmen sollten sich Gedanken über ein Headless CMS machen? Thomas Peham: Wenn du ein Unternehmen bist, das seine Webseite nur als Visitenkarte mit statischem Content nutzt, dann brauchst du kein Headless CMS. Ab dem Zeitpunkt, wo du nicht mehr nur eine Webseite, sondern auch eine App, ein Point-of-Sale-Display im Geschäft, verschiedenste Social-Kanäle betreibst, dann macht der Umstieg Sinn. Extrem wichtig ist auch die Frage, wie entscheidend dein Content für deinen Erfolg ist. Für Online-Shops, wo die Ladezeit und die User Experience wichtig sind, ist ein Headless CMS extrem spannend. Und ein dritter Faktor ist die Arbeit des Marketing-Teams. Das braucht für Änderungswünsche oder das Erstellen von Landing-Pages im klassischen CMS oft ausführlichen IT-Support. Wer das bei sich im Unternehmen bemerkt, sollte sich ein Headless CMS anschauen.
OMR: Du hast gerade schon von Online-Shops gesprochen. Warum bietet sich ein Headless CMS gerade im E-Commerce-Bereich an? Thomas Peham: Gerade hier sehe ich die Headless-Commerce-Bewegung schon stark. Viele E-Commerce-Unternehmen stellen sich die Frage, wie sie das eigene Business optimieren und gleichzeitig eine besser User Experience bieten können. Es gibt heute eben nicht mehr die All-in-One-Lösung, über die Händler Webseite, Produkte, Logistik und Payment managen. Denn so ein System kann alles okay gut aber nichts herausragend. Unternehmen suchen sich heute genau das Tool, das einen bestimmten Job perfekt macht. Und durch die APIs & Schnittstellen im Headless-Bereich können sie diese Systeme verbinden. Am Ende bedeutet Headless Commerce, dass eine E-Commerce-Plattform wie Shopify, About You & Co. direkt mit dem CRM-System mit den Kundendaten und dem CMS mit den Inhalten verbunden ist. Ein Use-Case, der dadurch möglich wird: Ein Partner von uns individualisiert so dynamisch den Content im CMS, auf Basis von Kundeninformationen die im CRM gespeichert sind, und reichert das Ganze mit Produkten aus der eCommerce Plattform an. Dadurch können dann personalisierte Experiences einheitlich über alle Kanäle für Endkonsument geschaffen werden. Deswegen ist das Thema im E-Commerce gerade so heiß, weil hier personalisierte User Experience über alle Kanäle hinweg extrem für den Erfolg entscheidend ist.
OMR: Wie kompliziert ist die Einführung eines Headless CMS für beispielsweise E-Commerce-Unternehmen? Thomas Peham: Viele fangen mit Shopify als Einstiegsdroge an. Das erleichtert den Start ja auch extrem. Wenn man dann wächst, läuft man jedoch in Limitierungen. Ja, jeder Wechsel in ein anderes System ist ein Aufwand. Aber da geht es nicht um eine Umstellung aller Mechanismen. Stattdessen sollten E-Commerce-Unternehmen Schritt für Schritt das größte aktuelle Problem angehen und die beste Lösung dafür finden. Wenn die Ladezeiten der Webseite unterirdisch sind, sollte man sich ein Headless CMS anschauen. Shopify lässt sich recht einfach mit einem Headless CMS wie Storyblok integrieren. Das ist ein Aufwand, braucht Expertise und Zeit. Man sollte sich aber auch immer fragen: Wie groß ist der Wartungsaufwand meines aktuellen Setups? Lohnt sich ein Umstieg aus Kosten-Nutzen Sicht? Das sind hoch individuelle Fragen die nicht nur von einer Software-Lizenzkosten oder einmaligen Migrationskosten abhängig gemacht werden sollten?
OMR: Schauen wir auf den operativen Einsatz. Hast du ein Beispiel, wo ein E-Commerce-Unternehmen Headless CMS schon richtig clever einsetzt? Thomas Peham: Es gibt bestimmt viele Cases, die wir gar nicht kennen, weil unsere Kunden ja im Frontend machen können was sie wollen und uns die das nicht unbedingt erzählen müssen. Wir bieten das CMS-Backend an, aber bekommen nicht mit, wo die Inhalte ausgespielt werden. Ein schönes Beispiel aber für den Nutzen von Headless für den Omnichannel-Ansatz ist Hello Mirrors. Die bieten smarte Spiegel-Displays für Unternehmen an. Die Spiegel stehen dann zum Beispiel in Autohäusern und der Content wird zentral über das Headless CMS von Storyblok an unzähligen Standorten ausgespielt. Und die gleichen Inhalte liegen dann auch auf der Webseite. Ein weiteres Beispiel ist Stronger, eine Fashion-Marke aus Schweden. Die sind vom All-In-One-System Magento zu einem Headless-Commerce-Ansatz gewechselt. Jetzt nutzen sie Centra als E-Commerce-Plattform, Klaviyo für E-Mail-Kampagnen, Storyblok als CMS und weitere Tools für die anderen Aufgaben. All diese Tools integrieren miteinander und so können die Redakteure im CMS eigenständig neue Produktkategorien anlegen, Produkte und Bewertungen hinzufügen und so einfach individuelle Angebote erstellen. Ein Jahr nach der Umstellung macht Stronger 172 Prozent mehr Umsatz und verzeichnet 167 Prozent mehr Bestellungen. Da gibt es noch weitere Beispiele wie Happy Socks, denen es vor allem um Performance ging. Oder Marc O’Polo, die mit ihrem neuen Headless-Ansatz zeigen, wie viel schneller damit Skalierung in einzelnen Märkten und Ländern möglich ist.
OMR: Kennst du Cases, die jetzt schon zeigen, was in der Zukunft mit einem Headless CMS möglich ist? Thomas Peham: Was wir im E-Commerce jetzt schon sehen: Da findet eine Entwicklung Richtung Video statt – und da schließe ich VR und AR mit ein. Commerce wird also visueller werden und solche Content-Formate sind mit einem Headless-Setup ja auch gut umsetzbar. Weiteres Thema: Wie lassen sich Voice-Inhalte einsetzen? Ich persönlich nutze das noch wenig. Die Entwicklung steckt aber noch in den Kinderschuhen. Und der Content, der für Alexa verwaltet wird, kann der gleiche wie auf der Webseite sein. Ein Klick reicht dann mit einem Headless CMS für die Ausspielung auf Voice-Geräten. Auch das Metaverse wird ohne Headless-Ansatz nicht funktionieren. Dafür wird es Content brauchen, der zentral verwaltet werden muss und dann zu den verschiedenen Touchpoints geschickt wird. Und letzter Punkt: Auch Smart-Home-Geräte brauchen Content, der von einer Redaktion gemanaged werden muss. Und noch bauen viele Unternehmen für z.B. eine Geräte- oder Lampensteuerung individuelle Systeme. Das müssen sie mit einem gängigen Headless CMS nicht mehr.
Ihr wollt tiefer in das Thema Headless CMS eintauchen und anhand von Beispielen verstehen, wie Euch eine Umstellung helfen könnte? Dann findet Ihr hier spannende Kunden-Cases von Storyblok.