So läuft der Betrug mit angeblich zum Verkauf stehenden Facebook-Seiten

Martin Gardt23.8.2018

Ein Schweizer bietet große Facebook-Pages im Netz für Spottpreise an. Darunter riesige Seiten mit Millionen Fans

550_Facebook-Seiten-Verkauf
Inhalt
  1. Riesige deutsche Seiten zu kleinen Preisen
  2. 5.000 Euro überwiesen, keine Reaktion
  3. Die Spur führt in die Schweiz

Wie viel ist eine Facebook-Seite mit über 300.000 Fans wert? Das hängt von mehreren Faktoren ab – vor allem aber, ob sich am Ende mit der Reichweite auch Geld verdienen lässt. Trotzdem könnte man stutzig werden, wenn eine erfolgreiche deutsche Facebook-Seite nur 5.000 Euro kosten soll. OMR-Recherchen zeigen, wie Betrüger potenziellen Käufern große Seiten mit Millionen-Reichweite anbieten, die sie gar nicht besitzen – und wie sie so abkassieren.  

Es beginnt vor wenigen Wochen mit einer Lead-Ad auf Facebook: „Willst Du eine deutsche FB-Seite mit 800.000 Likes?“ heißt es da. Wer interessiert ist, kann seine E-Mail-Adresse hinterlassen, um wenig später vom Anbieter kontaktiert zu werden oder diesen direkt anrufen. Als Absender fungiert die Facebook-Seite „FB-Fanseitenvermittlung“, die mittlerweile nicht mehr erreichbar ist. Ein Informant, der OMR in Screenshots jegliche Kommunikation mit den Verantwortlichen hinterlegt hat, bringt in Erfahrung, welche Facebook-Seiten vermeintlich zum Verkauf stehen. Er ist gut vernetzt in der Szene der Facebook-Seiten-Betreiber und merkt schnell, dass da was nicht stimmt.

Facebook Ad Seiten-Verkauf

Die Facebook-Ad, die interessierte Käufer zur Kontaktaufnahme bringen sollte.

Riesige deutsche Seiten zu kleinen Preisen

Wer sich auf die Lead-Ad meldet, bekommt es mit einem „Josef Müller“ zu tun. Der ist über eine schweizer Nummer erreichbar und kommuniziert per Mail, Facebook Messenger oder Whatsapp mit dem Interessenten. Je nachdem, was der gerade für Themenbereiche spannend findet, hat Josef Müller dann auch die passende Seite im Portfolio: Screenshots, die OMR vorliegen, zeigen, dass er die Facebook-Seiten „Fitness Fakten“ (308.000 Fans), „ist in einer Beziehung mit Spongebob“ (knapp 400.000 Fans), „Fußball – Aktuell“ (213.000 Fans) und „Psychologische Fakten“ (1,4 Millionen Fans) angeboten hat.

Ein Dialog zwischen „Josef Müller“ und einem interessierten Käufer (Klick zum Vergrößern)

In den Gesprächen über Mail, Messenger und Whatsapp gibt sich Müller als Admin all dieser Seiten aus, der sie jetzt aber aus Zeitgründen verkaufen will. Dabei wirbt er etwa bei „ist in einer Beziehung mit Spongebob“ mit 120.000 Euro Einnahmen pro Monat – über den angeschlossenen Shop. Ein aktuelles Gebot eines anderen interessierten Käufers liege bei 19.000 Euro – das wäre ein absurdes Schnäppchen. Die Seiten „Fitness Fakten“ und „Fußball – Aktuell“ werfen laut „Verkäufer“ Müller zusammen 2.000 Euro pro Monat ab, die würde er für 7.000 Euro verkaufen. Für die größte Seite „Psychologische Fakten“ fordert er in einem weiteren Gespräch 27.000 Euro. 

Das Problem: Relativ leicht lässt sich nachvollziehen, dass dieser Josef Müller nicht Admin der angebotenen Seiten ist. OMR hat beim Betreiber von „Fußball – Aktuell“, Sascha Fuchs, direkt nachgefragt. Er bestätigt, dass er kontaktiert worden sei, weil einem Bekannten die Seite „Fußball – Aktuell“ angeboten wurde – von Josef Müller. Er habe aber nicht die Absicht, die Seite zu verkaufen und deshalb auch Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Die Vermutung liegt nahe, dass Josef Müller auch von den anderen Seiten kein Admin ist. Laut unseren Recherchen weiß auch der Betreiber von „Fitness Fakten“, der schweizer E-Commerce-Shop Powerfood.ch, nichts von einem potenziellen Verkauf. Und auch die anonymen Macher hinter „Psychologische Fakten“ wollen nach unseren Informationen nicht verkaufen. 

5.000 Euro überwiesen, keine Reaktion

Aber was soll die Masche dann überhaupt bringen? OMR weiß zumindest von einem Fall, in dem sich die Dreistigkeit von Josef Müller ausgezahlt hat: Jasmin W. (Name von der Redaktion geändert) interessiert sich für den Kauf von Facebook-Seiten und kontaktiert FB-Fanseitenvermittlung vor wenigen Wochen. Josef Müller meldet sich. Dieser bietet ihr während des ersten Whatsapp-Chats „Psychologische Fakten“ an. Erst soll die Seite wie beschrieben 27.000 Euro kosten, in der Verhandlung geht er sogar auf 22.000 Euro runter. Nach einer Anzahlung von 5.000 Euro sollte sie zum Redakteur, nach Zahlung der kompletten Summe zum Admin der Seite werden. Als sie dann per Paypal die 5.000 Euro anzahlt, endet sofort jeglicher Kontakt mit dem angeblichen Josef Müller. Seitdem versucht Jasmin W., das Geld bei Paypal zurückzuholen. 

OMR liegen Chat-Protokolle vor, die zeigen, wie der vermeintliche Seiten-Verkäufer vorgeht. Er fragt zuerst nach dem gewünschten Themenbereich. Antwortet sein potenzieller Kunde, zieht er eine erfolgreiche Facebook-Seite aus dem Hut und nennt die Einkünfte. Auf Nachfrage schickt er sogar Screenshots der Seitenstatistiken. Aus verschiedenen Chatverläufen ist ersichtlich, dass Josef Müller immer die gleiche Statistik zur Nutzerdemographie sendet – hier ist jeweils nicht feststellbar, von welcher Seite diese wirklich stammt. Auf Ebay Kleinanzeigen findet sich bis heute der gleiche Screenshot in einer Anzeige. Hier tritt der Verkäufer als „Fabian Schmid“ aus Berlin auf (die angegebene Adresse gibt es nicht). Zusätzlich verschickt Josef Müller Screenshots der Performance einzelner Beiträge und Bilder, die zeigen sollen, dass Josef Müller Administrator der Facebook-Seiten ist. Es ist unklar, ob er die Screenshots manipuliert hat oder auf einem anderen Weg an sie gelangt ist.

Admin Facebook-Seiten-Verkauf

Mit solchen Screenshots will „Josef Müller“ seine Opfer davon überzeugen, dass er die Seiten besitzt.

Während der weiteren Verhandlung versucht Müller dann seine Opfer davon zu überzeugen, per Paypal zu bezahlen. Um seriös zu wirken, schickt er schonmal eine Rechnung. Diese liegt OMR vor. Auf der Rechnung stehen jeweils nur die Web-Adresse der „FB-Fanseitenvermittlung“, die Mail-Adresse von Müller, eine nicht mehr erreichbare Telefonnummer und eine nicht existente Adresse in Bern. Steuerrelevante Angaben finden sich nicht.  

Die Spur führt in die Schweiz

Wer steckt also hinter dem vermutlichen Pseudonym Josef Müller, der auch für OMR nicht aufzuspüren war? Verschiedene Anhaltspunkte weisen in Richtung eines Schweizers (Name ist der Redaktion bekannt). Der hatte angegeben, Besitzer von „FB-Fanseitenvermittlung“ zu sein und zur gleichen Zeit, als die Lead-Ads mit den Lock-Angeboten auftauchten, offensiv in Facebook-Gruppen nach Käufern von Facebook-Seiten gesucht. Zitate aus den Beiträgen: „Brandaktive deutsche Facebook-Seiten mit 600.000 oder 400.000 Likes sind zu vergeben (Schnäppchenpreis)“ oder „Die Facebook-Seiten besitzen deutsche Reichweiten in Millionenhöhe & können sofort übernommen werden“. Weiterer Anhaltspunkt: In einem Screenshot, den „Josef Müller“ an einen potenziellen Käufer geschickt hat, ist sein komplettes Browser-Fenster zu sehen – inklusive Lesezeichenleiste. Diese ist nahezu identisch zu Screenshots, die besagter Schweizer vor Kurzem selbst bei Facebook gepostet hat, weil er bei einem Problem Hilfe brauchte.

Der eindeutigste Hinweis ist aber wohl eine Umsatzsteuer-ID, die Josef Müller einem OMR-Informanten während einer Verhandlung geschickt hat. Diese ist identisch mit der Firmen-UID des Schweizers. Josef Müller hatte in einer längeren Verhandlung erst lange versucht, eine Abwicklung über Paypal durchzusetzen. Nur ungern geht er dann doch auf eine Überweisung ein – und gibt nach mehreren nicht existenten UIDs die UID des Schweizers preis. Ob dieser wirklich hinter Josef Müller steht, oder es die Person nicht doch gibt, lässt sich nicht beweisen. Der Schweizer behauptet, Müller sei nur ein Bekannter, er selbst verkaufe derzeit keine Facebook-Seiten. Wir werden beobachten, ob die Anzeigen, die von Seitenbetreibern erstattet wurden, noch mehr ans Licht bringen.

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Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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