Sonnenenergie und Gegenwind: Wie Zolar sich in Krisenzeiten etabliert

Marvin Behrens 20.12.2023

Zolar konfiguriert die Installation von Photovoltaik-Anlagen und ist seit seiner Gründung 2016 enorm gewachsen.

Mitarbeiter von Zolar
Mitarbeiter von Zolar installieren eine Photovoltaik-Anlagen. Das Solarunternehmen will Millionnen europäische Dächer für die Energiewende rüsten. Quelle: Zolar

Die Solarbranche ist im Aufwind. Eine gewichtige Ursache: Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Das Streben nach Unabhängigkeit hat erneuerbaren Energien in Deutschland eine entscheidende Dynamik gebracht. Das Unternehmen “Zolar” profitiert – und will die Dächer Europas erobern. Welchen Sinn Menschen darin sehen, in einem Solarunternehmen zu arbeiten und wie die Firma mit aktuell politischen Widrigkeiten umgeht, haben uns Geschäftsführerin und CCO Dr. Sarah Müller und Pressesprecherin Angela Zippelius erklärt. 

Als Alex Melzer und Gregor Loukidis Zolar 2016 in Berlin gründen, haben sie ein langes Fahrrad-Abenteuer hinter sich. Entlang der pazifischen Küste in Chile blieb ihnen vor allem eines nicht verborgen: der Klimawandel. Um aber das Dasein einer atemberaubenden Natur zu sichern, müssen Maßnahmen ergriffen werden. Zolar-PR-Managerin Angela Zippelius bezeichnet ihren ehemaligen Chef Melzer als “Vollblut-Klimaschützer”. Sechs Jahre war der Gründer das Oberhaupt der Firma, das sich zum unumstrittenen Ziel macht, den Klimawandel mit grüner Energie Paroli zu bieten. Mit der Idee, Photovoltaik-Installation über einen Online-Konfigurator zu gestalten, hatten sie nicht nur ein grünes, sondern auch ein goldenes Händchen. 

In dem Gründerduo reifte die Frage: “Warum kann man alles online kaufen außer eine Solaranlage?” Also tüftelten sie in einer Garage an dem heute erfolgreichen Konzept: Nach dem Kauf auf der Plattform bestellt Zolar die gewünschten Komponenten, schickt sie zu den Kund*innen und beauftragt den Handwerksbetrieb mit der Installation. Kurz: Geld gegen Abwicklung aller nötigen Details. 

Viele Flüge und ein Umdenken

Durch die Identifikation mit dem ehrenwerten Unternehmensziel, eine lebenswerte Erde für alle Menschen zu schaffen, ist auch CCO Dr. Sarah Müller bei Zolar gelandet. Das war im Jahr 2021, seit einigen Monaten führt sie mit Jamie Heywood (vorher Amazon und Uber) die Geschäfte. Vorher hat die ehemalige kununu-Chefin das Verb “landen” jedoch in einem anderen Kontext verwendet – und zwar häufig. “Das muss ich ehrlich zugeben, in meinem früheren Leben war ich Senator-Status-Flieger”, räumt die 40-Jährige ein. Dafür waren 30 Flüge im Jahr nötig. Seit sie bei Zolar ist, fährt sie “viel mehr Bahn”, meidet Inlandsflüge und generell drängt sich die Frage auf: “Was kann ich selber für die Umwelt tun?” 

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Dr. Sarah Müller hat ihre Doktorarbeit darüber geschrieben, wie man Menschen zu nachhaltigem Verhalten animieren kann. Quelle: Zolar

Sie isst seit sie 13 Jahre alt war vegetarisch, ein Auto hat sie nie besessen, doch ihre Karriere hat den Kompass schließlich ganz bewusst auf nachhaltig gestellt. “Ich möchte den gesellschaftlichen Wandel noch stärker mitgestalten”, schrieb sie vor zwei Jahren im FOCUS über ihre Ambitionen. “Dazu leisten auch Angela (Pressesprecherin, d. Red.) und ihr Team einen riesigen Beitrag. Wir wollen nicht nur Solarenergie verkaufen, wir möchten abstrakte Themen einfach erklären und Leute davon überzeugen, sich nachhaltig zu verhalten”, erzählt sie uns. Das Produkt Photovoltaik spricht dafür mit seinem Naturell. 

Erneuerbare Energien machen erstmals mehr als die Hälfte (52 Prozent) des Stromverbrauchs in Deutschland aus. 9,8 Milliarden Kilowattstunden sind im Juni durch Sonnenlicht produziert worden – Rekord. Die ansteigende Nachfrage macht sich in der Belegschaft bemerkbar, die rasant wächst. Waren im Januar 2021 noch 120 Mitarbeitende an Bord, sind es jetzt über 500. Mit 700 Handwerksbetrieben kooperiert die Firma – diese Fachkräfte setzen den Zolar-Plan in die Praxis um. Laut Tech-Portal Basic Thinking machte der Dienstleister geschätzt 108 Millionen Euro Umsatz. Wie lockt Zolar Menschen in seine Reihen? 

360-Grad-Feedback

“Wenn man junge Leute begeistern will, ist Flexibilität gefragt”, meint Müller, “aber es bleibt eine Challenge”. Ihr persönlich ist es wichtig, als Führungskraft transparent zu sein. Dazu gehört die Feedbackkultur. Mitarbeitende halten mindestes einmal im Quartal Rücksprache mit ihren Vorgesetzten und werden in einem “yearly performance review” beurteilt. Der Anspruch daran wird in der Management-Ebene einheitlich festgelegt. Zudem hat Zolar das 360-Grad-Feedback eingeführt, bei der eine Arbeitskraft von Kolleg*innen verschiedener Hierarchien eingeschätzt wird. 

Arbeit mit Sinn und Nachhaltigkeit

Mit Remote-Work, der Möglichkeit für Workation, nachhaltigem Banking, Homeoffice-Budget für ihre Ausstattung und einem monatlichen 50-Euro-Gutschein für ein Benefit-Portal will sich der Betrieb ins Schaufenster stellen. Ein Hund im Büro ist natürlich auch erlaubt. “Das ist alles alternativlos, weil wir einen Arbeitnehmendenmarkt haben”, ergänzt Zippelius. Sie selbst war 13 Jahre in der Tourismusbranche tätig. Ein Wirtschaftszweig, der der Umwelt erheblich schadet. “Deswegen bin ich zu Zolar gekommen, weil es befriedigender ist, in einer Company zu sein, die für den Purpose da ist.” Der Gedanke, auf die Erde Acht zu nehmen, sei in den Werten des Unternehmens tief verankert – und ein triftiger Grund für viele, bei Zolar arbeiten zu wollen.

"Fachkräftemangel ist im Handwerk schon länger ein Thema."

Im Bereich der Dachinstallation ist die junge Firma offen für Quereinsteiger*innen, die bereits nach drei Wochen teilqualifiziert sein können. Es gibt jedoch Zielgruppen, die nicht so leicht zu ködern sind. Zolar fehlen Ingenieur*innen und Elektriker*innen, vor allem letztere, die die Befugnis der Inbetriebnahme haben. Und um ein*e Handwerker*in anzustellen, braucht der Betrieb im Schnitt zehn Monate. “Da bin ich auch durch meine kununu-Zeit sehr geprägt, Fachkräftemangel ist im Handwerk schon länger ein Thema. Deswegen bieten wir unseren Installationsteams die Vier-Tage-Woche an”, verrät Müller. Allerdings bedeutet das trotzdem eine 40-Stunden-Woche. 

Doch die Branche für erneuerbare Wege floriert nicht nur, weil das Bewusstsein für die Bedrohlichkeit des Klimawandels weiter wächst. Durch den Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine brach über Deutschland eine Energiekrise herein – und Krisen haben bekanntlich Stimulanz. “Letztes Jahr war der riesige Treiber, unabhängig von den Stromkonzernen und nicht von politischen Entscheidungen abhängig zu sein”, erklärt Müller. 2021, als sich die Schlagzeile von explodierenden Strom- und Gaspreisen medial zu etablieren begann, ist das ein Gewinn für Zolar. Die Nachfrage nach ihrem Produkt hat sich unmittelbar danach verzehnfacht. 

Ampel-Regierung tut Wende gut

Zudem erleichtert der Staat seit Januar 2023 Privathaushalten das Umrüsten auf Solarenergie. “Die jetzige Bundesregierung hat einiges auf den Weg gebracht, was uns bei der Energiewende hilft”, lobt Müller. Etwas, das die Euphorie aktuell dämpft, ist das Urteil des Bundesverfassungsgericht. “Das tut uns schon weh”, sagt Müller. Die höchste juristische Instanz hat entschieden, dass die Ampel-Regierung die 60 Milliarden Euro unberührte Corona-Hilfen nicht für den Klimaschutz verwenden darf. Aber sie waren bereits verplant. Viele Projekte liegen deshalb erstmal auf Eis. Das verunsichere die Menschen – und das in Zeiten, in denen sie ihr Geld sowieso zusammenhalten. “Was wird jetzt gefördert, was kommen für Kosten auf mich zu?”, formuliert Müller die aufkommenden Fragen. Dazu kommt, dass Menschen, die Fördergelder beantragen, bis zu zehn Monate auf die Summe warten müssen, wie das Beispiel der Stadt Düsseldorf zeigt. Die gute Nachricht: Sie warten im Optimalfall auf bis zu 10.000 Euro.

"Ich sorge mich nicht um die Zukunft."

Der Mission trägt das keinen Abbruch – und schon gar nicht der Zuversicht. “Das hat jetzt erstmal einen Effekt, aber ich sorge mich nicht um die Zukunft”, sagt Müller. Das Unternehmen wirbt mit Sinn und Nachhaltigkeit – und ist mit dieser Strategie rasant gewachsen. Denn eines steht am Ende sowieso über allem: Ein gesunder Planet, der unsere Existenz sichert. Dafür braucht es nicht nur eine fortschrittliche Debattenkultur im Bundestag oder in der Nachbarschaft, sondern vor allem Fachkräfte.

Marvin Behrens
Autor*In
Marvin Behrens

Marvin ist Redakteur bei OMR Jobs & HR. Zuerst studierte er erfolgreich Journalistik, dann wagte er einen Blick ins gymnasiale Lehramt. Seinem Abschluss in Sportwissenschaften und Germanistik zum Trotz folgte er weiterhin seiner journalistischen Leidenschaft. Parallel war er Mediengestalter, Kolumnist und Sportredakteur.

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