10.000 Tage, die die Welt verändern können
Die Organisation ProjectTogether hat eine Initiative gestartet, die mehr Menschen in Klimajobs bringen möchte. Bei “10.000 Tage” geht es darum, klimapositive Ideen und Allianzen zu fördern. Wir stellen das Projekt vor.
Das Jahr 2024 könnte das heißeste Jahr überhaupt werden. Umweltkatastrophen prägen den Alltag – längst nicht mehr nur in den Nachrichten, auch vor der Haustür. Zu handeln ist dringlicher denn je. Dafür braucht es Menschen in der Wirtschaft, die der Energiewende Substanz verleihen – und das Projekt “10.000 Tage” möchte genau das realisieren. Ihre Devise: “Die Zeit für Klimajobs ist jetzt.”
Die deutsche Unternehmenslandschaft müht sich, grüner zu werden. Die einen ambitioniert und nachweislich, die anderen zumindest für gutes Marketing. Auch wenn das individuelle Anstrengen nicht nur notwendig, sondern auch löblich ist, lässt es doch eine ganz entscheidende Möglichkeit aus – und die gab ProjectTogether den Impuls für ihr Projekt “10.000 Tage”. Benannt nach der durchschnittlichen Zeit, die ein Mensch in seinem Leben arbeitet und die er entsprechend auf die Umwelt einwirken kann.
Die Mission lautet, mithilfe von Fachkräften die Klimaziele zu erreichen, die die Reduzierung der CO₂-Emission vorantreiben. “Das Ziel ist es, schlagkräftige Kooperationen zwischen Organisationen zu schaffen”, sagt Philipp von der Wippel, der ProjectTogether 2015 gegründet hat, “und dafür müssen Unternehmen ihre Kräfte bündeln, alleine sind sie limitierter.”
Der Startschuss fiel im vergangenen Sommer. 270 Mitglieder zählte der virtuelle Raum. Jonathan Funke, der die Initiative der gemeinnützigen Organisation mitverantwortet, hat das Wort: “Der Fachkräftemangel lähmt unsere Gesellschaft.” Bis 2030 werden über 750.000 Fachkräfte in klimarelevanten Branchen (zum Beispiel: Bau, Architektur, Verkehr) fehlen. Daraus leitet sich ein volkswirtschaftlicher Schaden von 100 Milliarden Euro ab. Dieser “akute Mangel” ziert die erste Power-Point-Folie einer Mission, in der es nicht darum gehen soll, sich zu beklagen. Tatendrang ist der Schlüssel. Denn Potenzial herrscht allemal, wie Funke die Teilnehmenden wissen lässt: Sechs Millionen Menschen treten in den nächsten zehn Jahren in den Arbeitsmarkt ein, eine halbe Million Menschen (zwischen 20 und 34 Jahren) hat keinen Abschluss – und auch die Wechselwilligkeit der Arbeitnehmenden ist hoch.
Nicht nur das: Das Schlagwort “Nachhaltigkeit” hat eine Strahlkraft wie eh und je. 80 Prozent der Studierenden sehen in ihr einen wichtigen Punkt bei der Auswahl ihres künftigen Arbeitgebers, 40 Prozent können sich sogar vorstellen zu kündigen, wenn der Arbeitgeber gegen dieses Prinzip verstößt (Stepstone-Umfrage).
"Wir glauben, dass wir mit gemeinsamer Stärke von uns allen Wege gehen, die wir alle noch nicht bestritten haben”
Im Falle der Initiative “10.000 Tage” will die Organisation den Status quo der Energiewende beeinflussen, indem sie aktiv dazu beiträgt, mehr Leute in “Klimajobs” zu bringen und grundsätzlich für eine umweltbewusste Gangart zu sensibilisieren. Mit dabei: Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), das durch Zarah Bruhn vertreten wird. Sie ist die Verantwortliche für soziale Innovationen. “Wir glauben, dass wir mit gemeinsamer Stärke von uns allen Wege gehen, die wir alle noch nicht bestritten haben”, sagt sie. Mit dieser Motivation finanziert das BMBF das Projekt und erwartet sich davon “messbare Wirkungen auf ökologische Transformation und Fachkräftemangel”. Dafür stellt der Bund 1,5 Millionen Euro Preisgelder in Aussicht. Aber, wie läuft das konkret?
Die Initiator*innen erklären bei der Auftaktveranstaltung anhand dieser Folie, wie die Kooperationen zustande kommen sollen.
ProjectTogether hat Unternehmen, Organisationen und Stiftungen an einem Ort versammelt, um zu vermitteln. Es sollen Herausforderungen in ihren Wirkungsfeldern definiert und Schnittstellen herausgearbeitet werden, die letztlich zu sinnhaften Kooperation führen. Das siebenköpfige ProjectTogether-Team koordiniert die Community, berät und vernetzt. Unternehmen, die sich zusammengefunden haben, arbeiten dann eine Strategie aus, die sie einer Jury vorlegen. Zwölf Expert*innen aus den Bereichen Bildung, Nachhaltigkeit, Integration und Gleichberechtigung entscheiden dann, ob ihre Idee einen Teil des Preisgeldes erhält.
Alles hängt zusammen
Die Handwerkskammer Südwestfalen (HWK SWF) ist Teil des Ganzen. Geschäftsführer Hendrik Schmitt sieht große Potenziale in der Transformation der Wertschöpfungskette und macht so greifbar, welche Intention verfolgt wird: “Nehmen wir das Beispiel einer Bäckerei: Brötchen haben einen riesigen CO₂-Fußabdruck, sie werden überwiegend in Gasöfen gebacken. Dazu kommen die Produktion, der Kühl- und der Lagerprozess – und diese Wertschöpfungskette muss optimiert werden.”
Für diesen Eingriff entwickelt die HWK SWF Lösungsansätze, die in die Ausbildungspläne integriert werden. So sollen Auszubildende früh für nachhaltiges Denken sensibilisiert werden. “Wir dürfen nicht nur in Wärmepumpen und Solar denken. Das geht weiter”, appelliert er. Es geht um die Fragen: “Wie muss der Ort aussehen? Wie gestalten wir die Inhalte? Was tun wir dafür, um unsere klimapolitischen Ziele zu erreichen?” Das soll frühestmöglich im Bewusstsein (künftiger) Arbeitnehmender verankert werden.
"Ohne Hände keine Wende"
Vor allem das Handwerk spielt hier eine tragende Rolle: Dort ist nicht nur der Fachkräftemangel stark ausgeprägt, sondern auch der Einfluss auf die Wende. Der Name eines Projektpartners steht dafür signitiv: “Ohne Hände keine Wende” kümmert sich um Menschen, die aus einer anderen Branche in das Handwerk gehen möchten. “Im Handwerk sind zwei Drittel Quereinsteiger*innen – und die brauchen Fortbildungen, damit sie unsere Wärmepumpe installieren können”, erklärt Co-Lead Amber Riedl. Der Ausbildungsprozess soll erleichtert werden: “Ob Quereinsteiger*in, Geflüchtete*r oder ehemalige*r Köch*in, wir kümmern uns darum, dass Menschen Teilqualifikationen absolvieren, ohne eine dreijährige Ausbildung zu machen.” Der Prozess soll aufs Wesentliche reduziert werden, schließlich dränge die Zeit.
Und die ist der entscheidende Faktor. In unserem Fall: 10.000 Tage, in denen wir unseren Einfluss geltend machen können. Nach einem Jahr wurden die besten Visionen gekürt. Quereinstieg, schulische und berufliche Ausbildungen und die technische Komponente standen dabei im Fokus. Wie Zarah Bruhns im Rahmen der Preisverleihung sagte: “Wir feiern den Anfang und nicht das Ende.”
Anm. d. Red.: Das war Teil I. Demnächst stellen wir die Projekte vor, die von der Jury prämiert worden sind.