Dieser bulgarische Publisher lockt über Pinterest Millionen Deutsche auf seine Websites

Die Arch Media Group aus Sofia baut deutschsprachige Seiten, um mehr Geld zu verdienen

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Nur wenige in der deutschen Medienbranche dürften den Unternehmensnamen Arch Media Group kennen. Und doch verzeichnen die Websites des Unternehmens teilweise mehr Besucher aus Deutschland als vergleichbare Projekte bekannter deutscher Verlage. Das Erstaunliche: Die Arch Media Group sitzt in Bulgarien und betreibt ihr gesamtes Geschäft von der Landeshauptstadt Sofia aus. OMR hat die Geschichte recherchiert und mit dem Gründer gesprochen.

Wer als deutscher Nutzer schon einmal auf Pinterest nach Einrichtungs-, Dekorations- oder Bastelideen, Frisur- oder Kosmetik-Tipps oder nach Rezepten gesucht hat, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit schon einmal auf die Inhalte der Arch Media Group gestoßen. Das Unternehmen betreibt offenbar mehrere der reichweitenstärksten deutschen Pinterest-Boards zu den genannten Themen – unter Namen wie „Deavita“ (mehr als zehn Millionen Betrachter im Monat), „Freshideen“ (mehr als zehn Millionen Betrachter im Monat), „Archzine“ (8,9 Millionen Betrachter im Monat) und „Alleideen“ (8,3 Millionen Betrachter im Monat) – und lenkt damit enorme Nutzermassen auf die eigenen Websites.

Ein Blick auf die ersten neun von insgesamt 135 Pinterest-Boards von Deavita.com

Pinterest spült mehr als die Hälfte der Besucher auf die Seiten

„60 Prozent unseres Traffics kommt über Pinterest auf unsere Seiten“, so Petar Limonov, Mitgründer der Arch Media Group, in einem Skype-Gespräch mit OMR. Und die Traffic-Zahlen der Websites sind durchaus beachtenswert: Die deutschsprachige Website Deavita.com verzeichnet nach Auskunft von Limonov zwei Millionen Visits, die französischsprachige Version von Deavita eine Million Visits, Freshideen.com 1,2 Millionen Visits, Archzine Deutschland 800.000 Visits und Archzine Frankreich 1,5 Millionen.

Auf der Website Mediterium.com, einem ehemals von Limonov co-gegründeten und -geführten „Content Marketing Dienstleister“, lassen sich zu jeder Website der Arch Media Group Screenshots von Google-Analytics-Statistiken finden. Laut diesen soll die reichweitenstärkste Website Deavita.com im vergangenen Jahr 29 Millionen Unique User verzeichnet haben; die Jahresreichweite der anderen Seiten des Unternehmens liegt angeblich zwischen 2,3 und 14 Millionen Unique Usern. Der deutsche Markt ist für die Arch Media Group der wichtigste: „50 Prozent unser Nutzer kommen aus Deutschland, 40 Prozent aus Frankreich, die restlichen zehn Prozent verteilen sich auf Spanien und Italien“, so Limonov gegenüber OMR.

„In Deutschland bekommen wir mehr als das 50-fache pro Klick“

Von der Digitalreichweite her können sich die Medienmarken der Arch Media Group durchaus mit denen von großen deutschen Verlagsmarken nicht nur messen, sondern haben diese offenbar teilweise sogar überholt. Der Hamburger Verlag Gruner+Jahr verzeichnet mit seinen beiden „Home and Living“-Medienmarken Schöner Wohnen und Living at Home nach eigenen Angaben 950.000 bzw. 560.000 Unique User im Monat.

Laut Schätzungen des Statistik-Tool-Anbieters Similarweb verzeichnet Deavita.com mehr Besucher als die Websites von Schöner Wohnen und Living at Home

Wie kommt es, dass ein bulgarisches Medienunternehmen im deutschen Markt so aktiv und erfolgreich ist? Limonov hat vor seiner Karriere als Online-Unternehmer Architektur studiert und in dieser Zeit einen Blog über Architektur ins Netz gebracht. „Ich musste dann irgendwann erkennen, dass damit in Bulgarien kein Geld zu machen ist“, so der Arch-Media-Mitgründer. Deswegen habe er anfangen, Content für andere europäische Länder zu produzieren: „Das hat sich dann relativ schnell als Goldgrube herausgestellt“, so Limonov. „In Bulgarien bekommt man als Publisher bei Adsense pro Klick einen Cent, in Deutschland sind es 52 Cent.“

Höhere Einnahmen, niedrigere Lohnkosten

Demgegenüber stehen deutlich niedrigere Lohnkosten in Bulgarien als in Deutschland. Nach eigenen Angaben beschäftigt der Arch-Media-Macher mittlerweile 60 Mitarbeiter. „Das sind häufig Leute, die schon einmal in Deutschland gelebt oder studiert haben.“ Jeder Redakteur schreibe jeweils zehn Artikel pro Monat. Die für Pinterest ja so wichtigen Bilder zu den Artikeln kommen nach Darstellung Limonovs von Fotografen, Stockfoto-Anbietern oder bulgarischen Interior Designern.

Offenbar muss das Unternehmen regelmäßig Urheberrechtskonflikte auskämpfen. Die Pinterest-Seiten von Freshideen und Alleideen waren zwischenzeitlich für einige Zeit gesperrt. Der Grund? „Viele Blogger klauen unseren Content und melden dann unsere Accounts“, sagt Limonov. Versucht man über eine umgekehrte Bildsuche mit Google stichprobenartig die Herkunft einiger der von Arch-Media-Marken auf Pinterest geposteten Bilder zu ergründen, stößt man in der Regel auf diverse Websites (darunter auch offensichtliche Spam-Seiten), die dieselben Bilder verwenden. Wer nun von diesen das Urheberrecht an dem jeweiligen Bild besitzt, rechtmäßig eine Nutzungslizenz erworben oder das Bild einfach unerlaubt verwendet, ist von außen kaum zu ermitteln.

Macht es die Masse?

Lange war Googles Suchmaschine für die Seiten der Arch Media Group die wichtigste Traffic-Quelle, so Limonov. Mittlerweile sind die Inhalte der Websites deutlich Bild-lastiger. „Wir wollen mit unseren Inhalten inspirieren und die Leute auf Ideen bringen. Die Nutzer sind faul, die wollen nicht mehr lesen“, sagt Limonov. Entsprechend ist Pinterest zum wichtigsten Traffic-Kanal aufgestiegen.

Auf die Frage nach einer Erklärung dazu, warum die Arch Media Group bei Pinterest so erfolgreich ist, erhalten wir von Limonov keine Antwort. Versucht man sich von außen an einer Analyse, so kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die schiere Masse an Content (mehr als dessen Qualität) zum Erfolg beiträgt: Wer viel Content hat, wird auch viel gefunden. Deavita betreibt auf der eigenen Pinterest-Seite aktuell 135 Pinterest-Boards, Freshideen 78 und Alleideen 62. Nicht selten finden sich auf jedem Board eine hoch dreistellige, manchmal sogar vierstellige Anzahl an Pins.

Content Marketing für den Linkaufbau…

Augenscheinlich posten die Mitarbeiter des Unternehmens auch massenhaft unterschiedliche Bilder mit ein und denselbem Beschreibungstext – mutmaßlich, um die klickstärkste Bild-Text-Kombination zu finden. Aus der langjährigen SEO-Praxis des Unternehmens dürften die Arch-Media-Macher darüber hinaus über Erfahrung darüber verfügen, wie Inhalte Keyword-optimiert aufbereitet werden. Weil Pinterest über Googles Bildersuche massiv Traffic generiert, dürfte Arch Media über diesen Umweg weitere Nutzer auf die eigene Seite ziehen.

Ein Pinterest-Board von Freshideen

Die Monetarisierung der so aufgebauten Reichweite erfolgt zum einen über „Content Marketing“: Mit Mediterium verkaufen Limonov und sein Team Sponsored Articles auf den Arch Media Websites. „Das Hauptziel bei unseren Content-Marketing-Maßnahmen ist es, SEO-Links zu generieren“, so Limonov. Als wir einige Zeit nach unserem Skype-Gespräch schriftlich nachfragen, ob das Unternehmen auch dofollow-Links verkauft, reagiert Limonov nicht mehr.

Starkes Umsatzwachstum

Zweite Einnahmequelle ist die Werbevermarktung über Adsense. Zudem teste das Unternehmen auch Headerbidding und Googles Adexchange. Zur Höhe des Jahresumsatzes macht Limonov keine Angaben. Er sagt: „Wir haben in den vergangenen Jahren jeweils immer zweimal so viel wie im Vorjahr umgesetzt.“

Limonov selbst betreibt parallel weitere Digital-Businesses: die beiden E-Commerce-Plattformen Vipoferta.bg (Reisen) und Chastite.bg (Autoteile), die augenscheinlich jedoch auf den bulgarischen Heimatmarkt abzielen. Hinzu kommt mit Softart eine Webdesign-Agentur.

Buzzfeeds Tasty als nächstes im Visier?

Offenbar hält sich Limonov in Sachen Online Marketing und Reichweitenaufbau auf dem Laufenden: Seit einiger Zeit probiert sich Arch Media an Progressive Web Apps: „Mit denen generieren wir zehnmal mehr Pageviews und zehnmal mehr Umsatz“, so Limonov. Zudem richte das Unternehmen ein Produktionsstudio für Food Videos ein.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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