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Warum sich das klassische Agenturmodell wandeln muss

OMR Team12.4.2022

Sebastian Vieregg von Google erklärt, was die Zukunft für Agenturen und Beratungsfirmen bringt

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Inhalt
  1. Beratungsfirmen richten sich neu aus
  2. Herausforderungen und Chancen für Agenturen
  3. Agilität als Modell der Zukunft

Agenturen konzentrieren sich traditionell auf Kampagnenplanung und -Ausführung im Auftrag ihrer Kundinnen und Kunden. Doch Automatisierung, KI und veränderte Kundenerwartungen bieten ganz neue Chancen. Sebastian Vieregg, Senior Head of Consultancy Partnerships bei Google, hat sich lange um Partnerschaften mit Mediaagenturen gekümmert und befasst sich jetzt bei Google führend mit Beratungsfirmen. Im „Marketing Transformation Podcast“ bespricht er mit Host Erik Siekmann, wie sich das digitale Ökosystem rund um Agenturen derzeit verändert, warum das gerade jetzt passiert und wie er das Kräftemessen zwischen Agenturen und Beratungsfirmen bewertet.

„Als ich bei Google angefangen habe, da ging es um Suchmaschinen-Werbung – ausschließlich. Da haben wir natürlich mit SEM-Agenturen zusammengearbeitet“, sagt Sebastian Vieregg im Marketing Transformation Podcast zu Erik Siekmann. „Sukzessive kamen Mediaagenturen dazu, die das Thema Search aber auch Digitales Brandbuilding mit Google weiterentwickelt haben. Und jetzt gibt es weitere Partner, die sich der digitalen Transformation widmen.“ Für ihn sei das nur ein Signal, dass sich das ganze Marketing-Ökosystem weiterentwickelt und ausdifferenziert. Jetzt bleibe nur die entscheidende Frage, welche Player – von Advertisern über Agenturen bis hin zu Beratungsfirmen – die richtigen Schritte gehen, um erfolgreich zu bleiben. Und da stünden besonders die Agenturen vor großen Herausforderungen.

Beratungsfirmen richten sich neu aus

Eine dieser Herausforderungen: Beratungsfirmen übernehmen immer stärker auch die Aufgaben der Digitalagenturen. „Die Strategieberatungen, denen man immer unterstellt, wenig operativ zu helfen, die kennen sich operativ gut aus“, so Vieregg. Auch bei diesen würden derzeit die großen Themen im Zentrum stehen: First Party Data, Messbarkeit, Personalisierung. Viele Unternehmen suchen und brauchen in diesen Bereichen strategische Beratung und wenden sich deshalb verstärkt Beratungsfirmen zu. Diese seien langfristig zwar nicht operativ involviert, und würden genau deshalb vor allem auf Skillbuilding innerhalb der Unternehmen setzen. „So generieren sie ja das nächste Projekt“, sagt Sebastian Vieregg.

Weil Advertiser solche Leistungen auch immer stärker von Agenturen erwarten, ändere sich das Ökosystem derzeit so deutlich. „Es gibt ein Spannungsverhältnis zwischen Brands bzw. Kunden und Agencys bei den Erwartungen“, so Vieregg. „Ich glaube, dass Agenturen selber in diese Denke hineinkommen müssen: Nicht mehr reaktiv abwarten, was Kund:innen wollen. Sondern sich von vornherein Gedanken machen, was für einen Bedarf sie haben.“ Der Trend gehe weg von reiner Pflichterfüllung und hin zur Überlegung, wie das Wissen in der Agentur optimal für den Advertiser eingesetzt werden könne – auch über den Pitch oder die aktuelle Kampagne hinaus.

Herausforderungen und Chancen für Agenturen

Das wünschen sich auch die Werbetreibenden. Eine Forrester Studie, die im Auftrag von Google durchgeführt wurde, zeigt, dass Kund:innen, Brands und Advertiser kreative Visionen und eine Messung der entscheidenden Business-KPIs erwarten – getrieben von Media, Data und Tech. Allerdings sieht Sebastian Vieregg hier nicht nur die Agenturen in der Pflicht: „Man muss als Kund:in den Agenturen auch die Möglichkeiten geben, sich in Themen einzuarbeiten.“ Das beinhalte auch, Daten mit den jeweiligen Partner zu teilen. „Agenturen, die “digital- first” arbeiten, haben verstanden, dass man mit den Daten der Kund:innen erstmal arbeiten muss“, sagt Vieregg. „Wenn man sich anguckt, wo Agenturen herkommen, sind sie beim Markenaufbau und dem -verständnis in einer Pole Position.“ Sie verstünden die Zielgruppen und Daten, hätten also alle Voraussetzungen, um als strategische Partner aufzutreten. Jetzt gelte es, diese gute Position auch einzusetzen.

Laut Vieregg haben die meisten Agenturen verstanden, was zu tun ist. Dabei gebe es allerdings zwei Probleme: Zum einen braucht es dafür auch intern Zeit: „Man kann nicht jemanden, der 25 Jahre Radio-Planung gemacht hat, über Nacht zu einem Mobile-Specialist machen. Im Digitalen ist an einigen Stellen Spezialisten-Wissen wichtig und da ist noch ein Aufbau-Prozess nötig.“ Zum anderen seien die Preisstrukturen in der Agenturwelt nicht für diese neue strategische Ausrichtung bereit: „In der Vergangenheit war es bei Agenturen so: Wenn du bei mir alle Budgets bündelst, bekommst du ganz viel dazu. Reportings, Strategie, vieles mehr. Es ging früher um Muskeln und jetzt geht es ums Hirn.“ Noch seien Advertiser aber zu stark kostenorientiert und so gehe es beim Pitch schnell nicht mehr um strategische Möglichkeiten, sondern das Geld. Sebastian Vieregg hat aber Hoffnung, dass sich das in Zukunft ändert: „Es ist auf allen Seiten verstanden, dass es um Expertise geht. Und damit kommt man auch wieder raus aus dieser Preisspirale. Was kann ich an Wissen anbieten? Was kann ich liefern? So kann man Stück für Stück die Erwartungshaltung ändern.“

Agilität als Modell der Zukunft

Was alle Marktteilnehmer:innen derzeit auf dem Zettel haben sollten, ist eine agile Arbeitsweise. McKinsey hatte zuletzt in einer Studie sogar geschrieben: „When agile marketing breaks the agency model“. „Da habe ich erstmal geschluckt“, sagt Vieregg. „Es geht aber eher darum, dass das ‚agile Marketing‘ das klassische und in Teilen überholte Agenturmodell herausfordert.“ Wenn Marketing-Teams in Unternehmen zum agilen Modell wechseln, bauen sie Teams aus verschiedenen internen und externen Kolleg:innen mit unterschiedlichen Expertisen auf – die fokussiert bestimmte Ziele verfolgen. Im Bezug auf Agenturen gehe es dabei darum, diese in solche Teams zu holen. „Wer agil arbeiten will, muss eng mit der Agentur arbeiten und dieser ermöglichen, Zeit in den Teams zu verbringen, um sich aktiv einzubringen“, so der Googler.

Er hoffe insgesamt, dass Brands bzw. Kunden mit fortschreitendem Erwachsenwerden in der digitalen Welt mehr Verständnis für Agenturen und Beratungsfirmen entwickeln werden. „Wenn Advertiser verstehen, dass es an der Zeit ist, ganzheitlich auf Marketing zu gucken, wird sich das in den Briefings entsprechend darstellen“, sagt Vieregg. Der Markt werde erkennen, dass solche Marken erfolgreicher agieren, die richtige Werte aus ihren Daten erzeugen und Agenturen besser einbinden. „Wenn der Druck weiter steigt, dann wird hoffentlich auch der Weg beschritten, Agenturen in den Gesamtprozess besser zu integrieren.“

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