Alexa aufgebohrt: Bringt dieser Trick Alexa dazu, die eigenen Produkte zu empfehlen?

Eine Agentur will das Geheimnis für erfolgreiches Voice SEO geknackt haben

Nur ein oder zwei Produkte empfiehlt Amazons Sprachassistentin Alexa in der Regel den Nutzern, wenn diese über sie sprachbasiert einkaufen wollen. Wie also können Unternehmen sicherstellen, dass sie und ihre Erzeugnisse in diesem Umfeld überhaupt noch wahrgenommen werden? Die Agentur Mindshare will jetzt einen Hack entdeckt haben, mit dem sie die Produkte ihres Kunden erfolgreich in Alexas Produktempfehlungen platzieren konnte. OMR versucht, die Methode nachzuvollziehen und hat dazu Einschätzungen aus der deutschen Branche gesammelt.

„Beim Voice Shopping ist der zweite Platz der erste Verlierer. Darauf müssen Marken vorbereitet sein“, so Jeff Malmad, Executive Director bei Mindshare, gegenüber Business Insider (Paywall). Mindshare gehört zur GroupM, dem größten Mediaagentur-Netzwerk der Welt, das wiederum zu WPP, dem größten Agenturnetzwerk der Welt gehört. Gerade hat Mindshare eine „Voice & Visual Consultancy“ gegründet.

„Hack“ soll das Markensuchvolumen in die Höhe getrieben haben

Einer der ersten Cases: Für eine große Konsumgütermarke hat die Agentur angeblich einen „Hack“ gefunden, um sicherzustellen, dass deren Produkte in den Empfehlungen von Alexa vertreten seien. Um welche Marke es dabei geht, offenbart Mindshare nicht. Laut Agentur-Website gehören FMCG-Konzerne wie Unilever, Nestlé und Kimberly-Clark (Markeninhaber von u.a. Kleenex, Huggies, Camelia) zu den Kunden.

Wie der Hack im Detail funktioniert, ist alleine durch den Business-Insider-Artikel nicht vollends nachvollziehbar. Im Text heißt es mehr oder minder wolkig, Mindshare habe in den Tagen vor Amazons Shopping-Event „Prime Day“ den Kunden der Marke ein Sonderangebot unterbreitet. Dadurch sei das Suchvolumen in die Höhe geschnellt und die Wahrscheinlichkeit, dass Alexa die Marke empfehle, wenn jemand nach diesem Produkt sucht, gestiegen.

The agency came up with an Amazon Prime Day „hack“ for a large consumer packaged goods client based on the insight that Amazon Alexa is only likely to recommend two brands in a category when a consumer is looking to shop.

[…]

To ensure that the CPG brand (Mindshare declined to name the brand) would be one of the brands recommended, the agency ran an offer for consumers of the brand on Amazon in the days leading up to Prime Day so that its search results would peak, and Alexa would be more likely to recommend it when someone searched for it using voice.

(Quelle: Business Insider)

„Kein Hack, sondern eine Standardmethode“

Auch nach dieser Beschreibung bleiben viele Fragen offen: Wie genau sah das „Sonderangebot“ aus? Wurde es über Amazon selbst promoted, oder über andere Kanäle? Wurden dafür bezahlte Werbeformate auf Amazon platziert? Ist es wirklich so einfach, das Suchvolumen bei Amazon in die Höhe zu treiben? Funktioniert die Methode auch unabhängig von den Prime Days? Entsprechende Fragen wollte die Agentur auf Anfrage von OMR nicht beantworten. „Weil Voice Strategien für unsere Kunden einen Wettbewerbsvorteil darstellen, können wir an dieser Stelle nicht ins Detail gehen“, so eine Sprecherin.

Wir haben deswegen Vertreter von deutschen Amazon-Agenturen um eine Einschätzung dazu gebeten, ob die beschriebene Methode wirklich funktionieren kann. Einig waren sich alle Ansprechpartner in einer Sache: Mit Paid Media ist es bei Amazon (anders als bei Google) möglich, die organischen Rankings von Produkten zu verbessern. Denn Amazon verdient ja nicht alleine durch Klicks auf Werbeanzeigen Geld, sondern deutlich mehr über den Verkauf von Produkten. „Amazon kuckt am Ende, was sich am besten verkauft. Wo der Traffic herkommt, ist ihnen dann letzten Endes egal“, sagt beispielsweise Tim Nedden von finc3 commerce. Die organische Sichtbarkeit der eigenen Produkte auf Amazon mittels bezahlter Werbung zu pushen, sei aber „kein Hack, sondern eine Standardmethode“, Nedden weiter.

Wie nachhaltig ist ein Push durch bezahlte Werbung?

Das bestätigt auch Dominik Bors, Managing Director der Agentur factor-a. „Amazon rechnet den gesamten Traffic, der über ein Keyword auf eine Produktseite gelangt, in die Click-through-rate ein – auch wenn der aus bezahlten Keyword-Anzeigen stammt.“ Die Click-through-Rate, also die Zahl der Nutzer, die von einer Suchergebnisseite auf eine bestimmte Produktseite klicken, gilt als wichtiger Ranking-Faktor für die organischen Suchergebenisse. „Letzten Endes ist das wichtigste für Amazon immer die Endkundenzufriedenheit, und die wird auch auf Basis von Sales und der Retourenquote gemessen“, so Bors. „Wenn ich den Endkunden nicht zufrieden stelle, helfen auch alle Mediaspendings nichts.“

Ähnliches hat Christian Otto Kelm von Content Keyword Management beobachtet. Mit einer bezahlten Werbekampagne auf Amazon hat er vor Kurzem mehrere Produkt-Listings auf der Plattform gepusht. Die seien in den Suchergebnissen dadurch zwar extrem nach oben gedrückt worden. Dadurch seien aber keine organischen Mehrverkäufe generiert worden. „Man kann Relevanz nicht erzwingen“, so Kelms Fazit.

Ist das „Amazon’s Choice“-Label für Alexa entscheidend?

„Ich vermute, dass das Produkt, wenn es wirklich von einer bekannten Konsumgütermarke war, schon vorher gut gerankt hat, auf Platz fünf oder sechs. Wenn man das dann noch oben pushen will, brauch man auch kein sechsstelliges Budget dafür“, vermutet Jens Jokschat von der Hamburger Agentur PrimeUp. Er hält es für möglich, dass das Unternehmen das Produkt gar nicht unbedingt auf Amazon selbst promotet hat: „Möglicherweise hat besagter Agenturkunde ja auch eigene Kundendaten. Wenn der an Bestandskunden Offline-Coupons verschickt hat, könnte das den Traffic auch gepusht haben.“

Führt eine Platzierung auf Platz 1 oder 2 in Amazons organischen Suchergebnissen denn immerhin automatisch dazu, dass das Produkt auch von Alexa empfohlen wird? „So einfach geht das auf keinen Fall“, sagt Emil Beck von Remazing. „Wenn man Alexa nach einem Keyword fragt, spuckt Amazon immer das Produkt aus, das von Amazon mit einem ‚Amazon’s Choice‘-Label versehen wird.“ Das Label werde nach Becks Erfahrung nicht für ganze Produktkategorien, sondern für jedes einzelne Keyword individuell vergeben. „Entscheidende Faktoren sind dabei das Sales-Volumen des Artikels in Bezug auf das Keyword, die Zahl der Bewertungen sowie die Retourenquote.“

Wie wichtig ist Voice Commerce aktuell wirklich?

Tim Nedden von finc3 vermutet, dass an dieser Stelle auch die Marge des jeweiligen Produktes eine Rolle spielt. „Großpackungen haben eine bessere Marge als Einzelpackungen, das ist für Amazon natürlich attraktiver. Deswegen erhalten die im FMCG-Bereich eher einen ‚Amazon’s Choice‘-Badge.“

Unabhängig von angeblichen „Voice SEO Hacks“ wie dem von Mindshare bleibt die Frage, welche „Reichweite“ Amazon Alexa wirklich hat – und wie viele der Nutzer Alexa nicht nur zur Steuerung der Geräte (Musik, Smart Home, etc.) nutzen, sondern darüber wirklich etwas einkaufen. Das US-Medium The Information kolportierte hier zuletzt unbestätigte interne Amazon-Zahlen, laut denen 50 Millionen Menschen weltweit ein Alexa-fähiges Endgerät besitzen. Im Jahr 2018 hätten bis zum August jedoch nur zwei Prozent dieser Nutzer etwas über Alexa eingekauft.

Amazon AlexaVoice CommerceVoice SEO
Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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