Gentherapie-Hoffnung aus Göttingen

Christoph Damm25.11.2024

Aktienanalyse von Sartorius

Beim Hype rund um
Abnehmspritzen geht’s oft unter, aber es gibt noch andere Zukunftsbereiche in
der Pharmawelt: Zum Beispiel Zell- und Gentherapien. Roland Berger rechnet damit,
dass sich die Umsätze hier allein bis 2028 auf 19 Milliarden Euro mehr als
verdoppeln – dieses Jahr sind es grade mal 9 Milliarden.

Spannend ist der Markt, weil
er vergleichsweise neu und das Vorwissen begrenzt ist. Darum ist es möglich,
dass man auch als eine eher kleine Firma ohne viel Vorerfahrung noch richtig
große Durchbrüche landen kann. Entsprechend viele von ihnen gibt’s an der
Börse.

Ohne enorme Expertise ist‘s aber
reine Spekulation eine dieser Firmen als große Zukunftshoffnung der Gentherapie
zu picken. Was aber bei allen gleich ist: Sie brauchen für ihre Forschung Material
– und zwar nicht nur Reagenzgläser oder Petrischalen. Man braucht zum Beispiel Bioreaktoren,
in denen Zellen wachsen können. Ein Marktführer in dem Business ist die
Göttinger Firma Sartorius.

Einmalplastik For Future

Statt traditionell große
Edelstahlbehälter nutzen Firmen heute sogenannte Single-Use-Bioreaktoren. Das
sind große, sterile Plastikbeutel, in denen Zellen mit den gewünschten
Temperaturen und Nährmedien wachsen. Nach Abschluss der Forschungsarbeit können
sie entsorgt werden. Dadurch sparen Forscher viel Zeit, denn sie müssen nicht
den ganzen Behälter reinigen.

Sartorius sieht in dem Markt
viel Potenzial. Mehr als 6.000 solcher Therapien werden grade entwickelt. Noch sind
aber nur wenige auf dem Markt – grade mal 60 sind zugelassen. Ab 2025 sollen es
dann 10 bis 20 Zulassungen pro Jahr sein.

Weil die Forschung in dem
Bereich stark läuft, sollte auch die Nachfrage nach Single-Use-Bioreaktoren
steigen. Laut Studien soll der Markt bis 2029 um 15 Prozent pro Jahr zulegen.
Für Sartorius wäre das wichtig, denn der Konzern ist in einem Teilbereich
dieser Single-Use-Reaktoren weltweit führend. 

To The Moon

Wie groß der Anteil der
Reaktoren am Umsatz ist, lässt sich nicht direkt ablesen, allerdings macht
Sartorius 80 Prozent der 3,4 Milliarden Euro Umsatz im Biotech-Bereich, zu
denen die Reaktoren gehören. Außerdem hat Sartorius 2023 die Firma Polyplus für
2 Mrd. € übernommen, die im Zell- und Gentherapiebereich aktiv ist.

Mit dem Fokus auf Biotech hat
sich die Firma in den letzten Jahren mal wieder stark verändert. Denn als der
Konzern 1870 gegründet wurde, wurde er vor allem durch eine neue
Aluminium-Waage erfolgreich. 100 Jahre später wurden auf einer Nanogrammwaage
der Firma Mondgesteine untersucht, die Neil Armstrong mitgebracht hatte. Zwar
sind Waagen auch heute noch ein Standbein des Konzerns, allerdings hat er sich
in den mehr als 150 Jahren zum Labordienstleister weiterentwickelt.

Konstant ist aber, dass
Sartorius auch heute noch ein Familienunternehmen ist. 55 Prozent der
stimmberechtigten Stammaktien sind Besitz der Familie Sartorius. 38 Prozent
gehören dem US-Konzern Bio-Rad Laboratories, der in einem ähnlichen Bereich wie
Sartorius aktiv ist. 

Auch die beiden Großaktionäre
werden auf eine Rückkehr der Firma auf den Wachstumspfad hoffen. Als
Laborzulieferer war Sartorius ein Profiteur der Corona-Pandemie. Die
Wachstumsraten der Firma lagen 2020 bei 28%, 2021 sogar bei 48% und auch 2022
noch bei 21%. Aber 2023 ist der Umsatz dann um 19% geschrumpft und in diesem
Jahr erwarten Experten eine Stagnation. Und trotzdem sind die 3,4 Mrd. €
Jahresumsatz deutlich mehr als die 1,8 Mrd. in 2019 - also vor der
Corona-Pandemie. Dafür liegt die operative Marge mit 15 Prozent deutlich unter
den 22 Prozent von damals.

Hier erwarten Analysten in den
nächsten Jahren aber Besserung, was auch an den Chancen der Gen- und
Zelltherapie liegt. Sartorius will hier bis 2028 pro Jahr durchschnittlich im
unteren bis mittleren zweistelligen Prozentbereich zulegen und eine operative
Marge von rund 36% erreichen. Außerdem erklärt der Bereich auch, wieso
Sartorius grade mit 14 Mrd. € und damit dem 43-fachen des erwarteten Gewinns
bewertet wird. Für einen einfachen Laborausrüster wirkt das sehr teuer. Für
eine Firma in einem starken Wachstumsmarkt deutlich nachvollziehbarer. 

Kleinvieh macht auch Rendite

Allerdings muss man wissen,
dass es mit Thermo Fisher und Danaher zwei große starke Konkurrenten in dem
Business der Bioreaktoren gibt. Und beide werden an der Börse mit weniger als
dem 30-fachen des Gewinns bewertet – sind also deutlich günstiger als Sartorius.
Das ist erstmal überraschend, denn US-Firmen werden normalerweise höher
bewertet als deutsche Konzerne. Wenn man aber einen Blick in die Vergangenheit
wirft, sieht man, dass der Bewertungsunterschied sich seit 2022 deutlich
verkleinert hat.

Dazu kommt, dass die
Bioreaktoren für Thermo Fisher und Danaher nur ein kleiner Wachstumstreiber sind,
weil sie deutlich größer sind. Oder anders gesagt: Wenn alle drei Firmen in
paar Jahren 3 Mrd. € mit Bioreaktoren umsetzen, wäre das für Sartorius eine
Umsatzverdopplung. Bei Danaher wäre der Effekt deutlich kleiner – denn die
Firma macht über 20 Mrd. € Umsatz. Noch irrelevanter sind die Bioreaktoren für
Thermo Fisher, das insgesamt 39 Mrd. € umsetzt.

Wenn dich solche Artikel interessieren, solltest du unseren Newsletter abonnieren und natürlich den Podcast hören. Beides geht hier.

Christoph Damm
Autor*In
Christoph Damm

Christoph Damm beobachtet vor allem den deutschen und europäischen Markt. Seit 2021 arbeitet er für den Podcast "Ohne Aktien wird Schwer", außerdem hostet er den Podcasts "Beckers Bets". Zuvor schrieb er für das Wirtschaftsressort von "Business Insider" und stand als Moderator beim "Deutschen Anleger Fernsehen" (heute: "Der Aktionär TV") vor der Kamera.

Alle Artikel von Christoph Damm
Von Montag bis Freitag die wichtigsten Börsen-News, Aktien-Analysen und Investment-Tipps.