“Future of Work” statt “Fünf-Dollar-Logo”: Wie sich Fiverr durch Corona verändert hat
Der Unternehmenswert der Freelancer-Plattform ist in diesem Jahr von 780 Millionen auf fast acht Milliarden US-Dollar gestiegen
Lange haftete Fiverr das Image an, günstige, aber qualitativ nicht immer hochwertige Freelancer-Dienstleistungen zu vermitteln – vor allem im Design-Bereich. Doch mittlerweile gibt es auf der Plattform ein riesiges Spektrum unterschiedlichster Dienstleistungen von sehr erfahrenen und professionellen Anbietern (Fiverr Pro Seller) einzukaufen. Das aus Israel stammende Startup ist enorm gewachsen, hat massiv in Produkt, Prozesse, Mitarbeiter sowie Quality Management investiert und will mitgestalten, wie Menschen in Zukunft miteinander arbeiten. Das beflügelt auch die Fantasie des Kapitalmarktes sowie den Fiverr-Aktienkurs. Im Gespräch mit OMR erklärte die langjährige Fiverr-Managerin Peggy de Lange (Vice President of International Expansion) die Vision des Unternehmens.
Fiverr hat in den beiden zurückliegenden Quartalen 82 bzw. 88 Prozent Umsatzwachstum im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verbucht. Noch extremer war der Entwicklung des Fiverr-Aktienkurses, der von rund 23 auf aktuell 221 US-Dollar angestiegen ist. Fiverr ist aktuell fast acht Milliarden US-Dollar wert. Was ist in den vergangenen Monaten passiert, woher kommt diese Entwicklung?
Peggy de Lange: Ja, es war wirklich ein unglaubliches Jahr für Fiverr. Unser Mission Statement lautet ja schon seit dem Jahr 2016 „Changing how the world works together“. Wir wollen verändern, wie die Menschen auf der Welt gemeinsam miteinander arbeiten. Nun wurde durch Corona die gesamte Welt dazu gezwungen, online zu arbeiten – ohne, dass es eine Alternative gegeben hätte. Das hat uns einen enormen Push gegeben. Viele Unternehmen, die bislang wenig oder gar nicht digitalisiert waren, mussten nun diesen Schritt vollziehen. Das haben wir positiv zu spüren bekommen. In den zwölf Monaten vor dem 30. September dieses Jahres haben auf unserer Plattform drei Millionen Kunden Dienstleistungen bei Freelancern eingekauft. Aber wir haben auch auf der Angebots-Seite einen enormen Zuwachs erlebt. Rund um die Welt sind Freelancer in Massen auf unsere Plattform geströmt und haben Rekordzahlen von Gigs – so nennen wir die Dienstleistungs-Angebote auf unserer Plattform – eingestellt.
Was sind das für Dienstleistungen? Die Klischeevorstellung von Fiverr ist: Das ist die Plattform, auf der man für fünf US-Dollar ein Logo für sein Startup oder gerade gelaunchtes Produkt kauft.
Peggy de Lange: Ich weiß, dass wir sehr für Logos bekannt sind. Grafik und Design ist auch immer noch die Kategorie, in der die meisten Gigs auf unserer Plattform eingestellt werden. Aber mittlerweile lassen sich auf unserer Plattform Gigs in über 400 Kategorien in acht Verticals finden: Neben Grafik und Design sind das Texte und Übersetzungen, Musik und Audio, Business, Digitales Marketing, Video und Animation, Programmierung und Technik sowie Lifestyle. Bei uns finden Unternehmer alles, um ihr Business zu starten, zu skalieren und am Laufen zu halten. Die Preise für die Dienstleistungen rangieren dabei mittlerweile von zweistelligen bis fünfstelligen Beträgen. Und dass die Leute auf Fiverr schon lange nicht mehr nur Logos kaufen, belegen auch jene Kategorien, welche in den vergangenen sechs Monaten weltweit die höchsten Zunahmen in Sachen Suchanfragen verzeichneten. „Front End Entwicklung“ wuchs um 205 Prozent, „Youtube Editing“ um 231 Prozent, „Shopify Promotion“ um 247 Prozent und „Dropshipping“ gar um 319 Prozent. Wir sind mittlerweile eine zentrales Werkzeug für Unternehmen in einer digitalisierten Welt. Fiverr ist ein Ort, an dem die Kunden ein gesamtes Unternehmen oder eine komplette Marke von Grund auf aufbauen können.
Gibt es Beispiele von Unternehmen, die Ihr Geschäftsmodell in der Corona-Zeit komplett umstellen mussten, und denen das durch Fiverr erfolgreich gelungen ist?
Peggy de Lange: Ja, davon gibt es natürlich sehr viele. Wir haben unter dem Namen “The Shift” einen kompletten digitalen Hub ins Netz gestellt, auf dem wir den Unternehmen nicht nur Tipps und Handlungsempfehlungen geben, sondern auch solche Case Studies bereit halten. Um mal eine davon herauszugreifen: Das US-Startup “Rooted” verkauft besondere Zimmerpflanzen; seine bisherige Haupteinkommensquelle war die B2B-Sparte, also der Verkauf von Büropflanzen. Dieses Geschäft ist natürlich in Zeiten von Home Office auf nahezu null zurückgegangen. Sie haben dann ihr gesamtes Offline-Geschäft eingestellt und, um das B2C-Geschäft anzukurbeln, von Freelancern über Fiverr ihren Shopify-Shop, die Usability und den Look der Website optimieren lassen. Wichtigster Hebel war ein von einem weiteren Fiverr-Freelancer erstelltes interaktives „Finde Deine Pflanze“-Quiz, über das sie sehr viele Leads generiert haben.
Wie begegnet Ihr Vorbehalten oder Ängsten, dass man als Kunde über Fiverr in Gefahr läuft, schlechte Qualität zu bekommen?
Peggy de Lange: Ich weiß, dass die Freelancer auf unserer Plattform hochqualitative Dienstleistungen anbieten. Sie wollen selbst, dass die Kunden zufrieden sind, weil sie wissen, dass nur zufriedene Kunden Folgeaufträge vergeben. Darüber hinaus wollen wir selbst mit mehreren Hebeln sicherstellen, dass die Käufer auf unserer Plattform zufrieden sind – zum Beispiel mit unserem Bewertungssystem. Jedem Unternehmen, das erstmals auf Fiverr eine Dienstleistung einkauft, würde ich raten, sich Zeit zu nehmen, um sich die jeweilige Kategorie ganz genau anzuschauen, dabei immer einen Blick auf Bewertungen der dort aktiven Freelancer zu werfen und vielleicht schon bevor sie kaufen einmal mit dem Freelancer in Kontakt zu treten. Je nachdem, wie schnell und reibungslos dabei die Kommunikation läuft, gibt einem das vielleicht schon einen Anhaltspunkt dafür, wie gut eine potenzielle Zusammenarbeit laufen könnte. Zu der gehören natürlich auch zwei Seiten. Die Käufer sollten vorab genau definieren, was die Aufgabe ist, welche Erwartungen sie haben und, im Fall von kreativen Dienstleistungen, vielleicht Beispiele dafür vorlegen können, welche Arbeiten sie mögen und welche nicht. Gute Kommunikation, zu wissen, was man will und ein erster Kontakt vorab – aus Erfahrung wissen wir, dass diese Elemente entscheidend für den späteren Erfolg sind. Aber selbst, wenn die Dienstleistung nicht so ausfällt, wie sich der Kunde das vorgestellt hat, bieten unsere Freelancer immer Revisionen und Nachbesserungen an.
Hat Corona nach Eurer Beobachtung Vorbehalte gegenüber dem Einkauf von Dienstleistungen bei Menschen, die man nie zuvor getroffen hat, reduziert?
Peggy de Lange: Ja, auf jeden Fall. Die Bedenken vor einer Zusammenarbeit mit Freelancern über das Internet sind massiv gesunken, weil sowieso alle online zusammenarbeiten. Wir haben vor Kurzem eine Umfrage unter 2.000 Unternehmen durchgeführt und 52 Prozent von ihnen haben gesagt, dass sie Budgets in Richtung Online-Freelancer verschieben wollen. Ganz offensichtlich sind wir davon überzeugt, dass das die Zukunft sein wird. Wir werden noch viel mehr Unternehmen sehen, die ein internes Team rund um ihre Kernkompetenzen haben, und um das herum sie eine Reihe von Freelancern beschäftigen, die sie beauftragen können, wenn sie ihre Expertise brauchen, und deren Leistungen sie je nach Bedarf hoch- und wieder herunterfahren können. Das erlaubt den Unternehmen, sehr flexibel und produktiv zu sein.
Aber die Arbeit von einer größeren Zahl von Freelancern, die die Unternehmen selbst nicht kennen und die sich nicht untereinander kennen, zu koordinieren, dürfte für viele Firmen auch eine komplexe Herausforderung sein.
Peggy de Lange: Genau für solche Szenarien haben wir im September dieses Jahres unser Produkt „Fiverr Business“ gelauncht. Damit können Unternehmen und deren Angestellte gemeinsam mit Fiverr Freelancern in Teams zusammenarbeiten. Es gibt Projekt-Management- und Kollaborations-Features, Feedback-Tools, etc. Und der Unternehmensinhaber kann genau nachverfolgen, welche Leistungen erbracht wurden und wie der Stand des Projektes ist. Fiverr Business ist für Unternehmen im ersten Nutzungsjahr aktuell kostenlos. Wir wollen den Funktionsumfang des Produktes noch ausbauen. Auf Freelancer-Seite haben wir übrigens ein ähnliches Produkt gelauncht: Fiverr Studio. Damit können sich mehrere Freelancer auf Fiverr zusammenschließen und gemeinsam eine Reihe von unterschiedlichen Dienstleistungen anbieten. Sie können also quasi auf Fiverr eine Agentur oder ein Studio gründen.
Vor Kurzem habt Fiverr ein Rebranding vollzogen, mit neuer Corporate Identity und natürlich auch überarbeitetem Logo. Habt Ihr das Logo auch auf Eurer Plattform eingekauft?
Peggy de Lange: (lacht) Nein, das Rebranding war sehr komplex und umfangreich, von einer neuen Farbpalette hin bis zu eigenen Schriftarten. Und als wir das Rebranding in Auftrag gegeben haben, gab es auch Fiverr Studio noch nicht. Wer weiß, wie es aussieht, falls wir einigen Jahren ein erneutes Rebranding in Auftrag geben. Und natürlich arbeiten wir bei vielen anderen Dingen mit Freelancern zusammen.
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