Sie nannten ihn "Reizdarm-Dealer": Die verrückte Geschichte von Pharma-Gründer Clemens Fischer

Florian Rinke31.8.2025

Mit Kijimea ist Clemens Fischer zunächst brutal gescheitert – und hat sich dann nach ganz oben gekämpft.

Clemens Fischer und Philipp Westermeyer nach der Podcast-Aufnahme in Gräfeling
Clemens Fischer und Philipp Westermeyer auf dem Dach des Futrue-Büros nach der Podcast-Aufnahme im bayerischen Gräfeling. Foto: OMR
Inhalt
  1. Millionen für Werbung, aber kaum Umsatz
  2. "Und dann war Kijimea Reizdarm geboren"

Clemens Fischer ist in der Schule ein Überflieger, steigt in den Pharmabereich ein und will dann mit seinem Produkt Kijimea durch TV-Werbung durchstarten. Der TV-Konzern ProsiebenSat.1 unterstützt ihn massiv – und Fischer scheitert. Zumindest kurzfristig. Heute macht er mit dem Reizdarm-Mittel Millionenumsätze, hat mit seiner Futrue-Gruppe ein breites Pharma-Portfolio aufgebaut und plant den Angriff im Cannabis-Markt. Die Erfolgsaussichten sind ungewiss. Und genau das spornt Clemens Fischer besonders an.

Er war so etwas wie der Wunderknabe, der Überflieger, dem man eigentlich alles zutrauen konnte: Top-Abitur, parallel dazu schon sein erstes Unternehmen, dann Medizin-Studium und MBA in Harvard. Zwischenzeitlich heuert er beim Pharmakonzern Novartis an, wo er ziemlich schnell auch dem globalen Vorstandschef Thomas Ebeling auffällt. Und wie das eben so ist im Leben – oft begegnet man sich zweimal. Blöd nur, dass diese zweite Zusammenarbeit dann so ganz anders endet als die erste.

Denn Thomas Ebeling übernimmt 2009 den Chefposten beim Medienkonzern ProsiebenSat.1, mitten in der weltweiten Finanzkrise. Viele Unternehmen streichen damals ihre Werbebudgets zusammen, weshalb Medienkonzerne auch nach anderen Einnahmequellen suchen. Thomas Ebeling setzt damals auf ein recht neues Konzept: Media for Equity. Junge Unternehmen bekommen Werbefläche, dafür darf sich der Konzern am Unternehmen beteiligen. Eines der Unternehmen, das sich damals auf den Deal einlässt, ist Zalando. Die Partnerschaft wird für beide Seiten ein Erfolg. Bei Clemens Fischer geht es anders aus.

Millionen für Werbung, aber kaum Umsatz

Denn auch er will damals mit Ebeling Geschäfte machen. "Kijimea Immun" heißt das Mittel, das er auf den Markt gebracht hat und nun über TV-Werbung bekannt machen will. Er bietet Ebeling eine Umsatzbeteiligung – und der willigt ein. Noch vor Zalando und all den anderen Unternehmen schließt Clemens Fischer den ersten "risk for revenue"-Deal. "Aber ich habe damals ganz, ganz viele Fehler gemacht", sagt Clemens Fischer heute rückblickend. "Wir hatten 17 Millionen Euro Bruttomedia-Volumen und haben 1,4 oder 1,5 Millionen Euro Umsatz gemacht", sagt Clemens Fischer. Hunderttausende Menschen seien seinetwegen zwar in die Apotheken gerannt und hätten nach Kijimea gefragt – um dann vom Apotheker bzw. der Apothekerin mangels Bekanntheit einfach andere Produkte wie Sinupret oder Orthomol empfohlen zu bekommen. "Das war mir eine Lehre für mein Leben: Gehe niemals in einen Markt, wo viele große Player sind".

Aber Clemens Fischer ist niemand, der einfach aufgibt. "Ich bin unheimlich verbissen", sagt er. Also setzte er sich nach diesem Rückschlag hin und begann mit der Arbeit von vorne. Er durchsuchte die Datenbanken Tag und Nacht, fahndete nach Wirkstoffen und Studien, mit denen er Produkte für Nischenmärkte entwickeln konnte. Aber erstmal brauchte er Geld – und stürzte sich dennoch wieder in einen Markt mit viel Konkurrenz: Abnehmmittel. Yokebe hieß Fischers Antwort auf Konkurrenten wie Slimfast oder Almased. Und wieder glaubte Thomas Ebeling an das Talent von Clemens Fischer und gab ihm noch eine Chance. Und in der Tat, dieses Mal funktionierte es. Yokebe schlug ein und brachte Fischer später beim Verkauf eine Millionensumme.

"Und dann war Kijimea Reizdarm geboren"

Und auch Kijimea wurde für Clemens Fischer doch noch zum Erfolg – mit einem neuen Ansatz. "Ich bin auf eine Krankheit aufmerksam geworden, die eigentlich damals niemand in den Mund genommen hat: das Reizdarm-Syndrom", sagt er. Durchfall, Blähungen, Bauchschmerzen, die Symptome sind facettenreich und schränken das Leben der Betroffenen massiv ein. "Jeder Zehnte hat das in Deutschland", sagt Clemens Fischer. Damals suchte er nach einer Methode, mit der den Betroffenen geholfen werden kann und fand am Ende tatsächlich einen Weg, mit dem er dann seine alte Marke Kijimea wiederbelebte: "Und dann war Kijimea Reizdarm geboren".

Sein alter Förderer Thomas Ebeling ist damals skeptisch: Die Marke kriegst du nicht wieder hin, habe er gesagt, erzählt Fischer. Doch der gibt nicht auf: "Mittlerweile ist es das Nummer-1-Präparat bei Reizdarm in Europa". Auch in den USA ist er bereits mit Kijimea unterwegs, Jahr für Jahr bringt das Produkt ihm Millionenumsätze. Es ist Teil eines Reichs aus vielen Firmen und Projekten, die Fischer unter dem Dach seiner Futrue-Gruppe vorantreibt, und ermöglicht ihm auch Investments in neue Geschäftsfelder. Denn der "Reizdarm-Dealer", wie ihn das "Manager Magazin" einst taufte, arbeitet längst an einem viel größeren Thema. Er forscht an Cannabis-Produkten, die in der Schmerztherapie als Alternative zu Opioiden eingesetzt werden könnten. "Das Potenzial ist gigantisch", sagt Clemens Fischer.

Doch der Weg ist noch weit. Im OMR Podcast erzählt Clemens Fischer, wieso er beim Cannabis-Anbau zwischenzeitlich in Skandinavien gelandet ist, mit welchen Marketing-Tricks er Kijimea im zweiten Anlauf zum Durchbruch verholfen hat und wieso er bislang nie einen großen Investor mit an Bord geholt hat.

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Florian Rinke
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Florian Rinke

Florian Rinke ist Host des Podcast "OMR Rabbit Hole" und verantwortet in der OMR-Redaktion den "OMR Podcast". Vor seinem Wechsel Anfang 2022 zu OMR berichtete er mehr als sieben Jahre lang für die Rheinische Post über Start-ups und Digitalpolitik und baute die Rubrik „RP-Gründerzeit“ auf. 2020 erschien sein Buch „Silicon Rheinland".

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