„Drakemall“: Youtuber bewerben Glücksspielseite für ihre minderjährige Zielgruppe

Martin Gardt13.8.2018

Die estnische Plattform Drakemall holt das "Lootbox-Phänomen" in die echte Welt und zielt offenbar auf jugendliche Kunden

Drakemall
Drakemall

Die estnische E-Commerce-Seite Drakemall verkauft Produkte wie das iPhone X oder eine goldene Rolex nicht direkt. Stattdessen müssen Kunden Boxen kaufen, die neben solchen teuren Geräten auch Billig-Ware enthalten. Was der Kunde am Ende bekommt, ist Glückssache. Innerhalb weniger Monate hat die Plattform nach eigenen Angaben 400.000 Nutzer gewonnen – vor allem durch das Werben von Youtubern auf der ganzen Welt. 

Wer auf die Homepage von Drakemall geht, merkt relativ schnell, worum es geht. Im Zentrum stehen zehn verschiedene Cases, in die grafisch ein meist spektakuläres Produkt gesetzt wurde – mal ein iPhone X, mal eine Playstation oder eine goldene Rolex. Der Kniff für die Drakemall-Betreiber: In jedem Case, in jeder Box, befinden sich 16 bis 20 Produkte, die der Nutzer nach dem Öffnen einer solchen digitalen Schatzkiste erhalten kann. Welches Produkt es am Ende wird, hängt vom Zufall oder dem Algorithmus von Drakemall ab.

Drakemall Screenshot

Im Zentrum der Drakemall-Seite steht das „Glücksrad“ oben mittig

Das Öffnen einer solchen Box kostet jeden Nutzer zwischen drei und 100 US-Dollar. Bezahlt wird jedoch jeweils mit digitalen Credits, die – durch die Bezahlung mit echtem Geld – dem Nutzer-Account gutgeschrieben werden. Wer ein Produkt, das der „Zufall“ ausgewählt hat, nicht zugeschickt haben will, kann es für einen festgeschriebenen Credits-Betrag wieder „verkaufen“. Das Problem: Wer ein Case für 50 Credits öffnet und dann zum Beispiel ein Ladekabel im Wert von neun Credits gewinnt, hat 41 Dollar für nichts ausgegeben – oder eben 50 Dollar für das Ladekabel, wenn man es sich schicken lässt. Das riecht alles sehr nach Glücksspiel mit echtem Geld. Die Aussicht auf ein iPhone X für auch nur die besagten 50 Dollar scheint aber viele Nutzer magisch anzuziehen.

Youtuber als Hype-Maschinen

Seit September 2017 ist Drakemall im Netz aber erst seit März 2018 kommt wirklich Traffic auf die Seite. Das liegt wahrscheinlich an einer weltweiten Kampagne mit Youtubern. Aus Deutschland hatten Ende Juni größere Youtuber wie Dadosch (über 100.000 Abonnenten), Heracay (500.000 Abonnenten) und Primix (knapp 200.000 Abonnenten) Videos über Drakemall gemacht. In denen zeigen sie, wie die Seite funktioniert und gewinnen ganz zufällig direkt ein iPhone X, eine Apple Watch oder eine Playstation 4 Pro. Hinzu kommen weitere Youtuber aus der ganzen Welt, die meist sehr ähnliche Beschreibungen für ihre Videos nutzen („Wie ich ein iPhone X bei Drakemall gewonnen habe…“).

Die Strategie scheint zu fruchten. Laut dem Analyse-Tool Similar Web verzeichnete Drakemall im März 2018 knapp 70.000 Visits. Im Juli 2018 waren es bereits 1,3 Millionen. Laut Similar Web kommt knapp die Hälfte der Zugriffe über Youtube zu Stande. Das Unternehmen selbst spricht aktuell von 400.000 registrierten Nutzern. Die Werbe-Strategie scheint also aufzugehen. Vielleicht aber auf Kosten von Minderjährigen, denen Glücksspiel in Deutschland verboten ist, die aber gerade anfällig für das Versprechen sind, wertvolle Technik zum kleinen Preis bekommen zu können. Ein Großteil der Zuschauer von Videos, wie sie die Youtuber für Drakemall erstellt haben, dürfte zumindest relativ jung sein. 

Drakemall Traffic

Der Traffic von Drakemall ist durch die Werbung großer Youtuber sprungartig angestiegen (Quelle: Similar Web)

Klare Video-Vorgaben

Wie so eine Zusammenarbeit zwischen einer zwielichtigen Seite und Youtubern ablaufen kann, zeigt ein weiteres Video. Dem Youtuber Lennart Erbgut wurde ein Deal von Drakemall angeboten. Dabei macht das estnische Unternehmen klare Vorgaben in Sachen Überschrift und Inhalt des Videos. Jeder Youtuber bekomme 100 Credits, um mehrere Runden zu spielen und auch mal eine Niete zu ziehen – also ein wenig wertiges Produkt. Dann solle irgendwann der große Gewinn folgen. 

Youtuber Dadosch, der zuerst noch für Drakemall geworben hatte, bestätigt in einem erklärenden Video, dass er eine Manipulation von Seiten Drakemall nicht ausschließen könne. Das heißt: Offenbar hat Drakemall im System hinterlegt, dass die Accounts der Youtuber zu einem bestimmten Zeitpunkt eines der hochwertigsten Produkte gewinnen – schließlich muss das im Video auftauchen. Anschließend solle ein weiteres Video mit dem Unpacking des gewonnenen Produkts folgen. Auch der Youtube-Kanal KuchenTV hat kritisch auf die Werbevideos der Youtuber reagiert. Die Aufklärungsvideos haben zumindest für viele negative Kommentare unter den Drakemall-Videos der Youtuber gesorgt.

Damit sich Drakemall für die Macher lohnt, muss eine Großzahl der Nutzer immer wieder Produkte zugelost bekommen, die weniger Wert sind, als der Preis für das Öffnen einer Box. Drakemall selbst hat dazu eine Statistik veröffentlicht, deren Wahrheitsgehalt sich jedoch nicht überprüfen lässt. Bei 1.000 geöffneten Boxen befände sich demnach in über 60 Prozent der Fälle ein Produkt im Wert von unter 100 Credits in dem Case. In nur 1,8 Prozent der Fälle sei ein Produkt im Wert von über 1.000 Credits (iPhone X zum Beispiel) in einer Box. Und das Unternehmen geht nicht ins Risiko. Drakemall nutzt Dropshipping, besitzt die Produkte also nicht selbst, sondern bestellt sie bei anderen Unternehmen, wenn ein Nutzer ein Produkt kauft. So zahlt Drakemall nicht selbst für Lagerflächen und kann weltweit liefern. 

Glücksspiel-Prinzip aus Games bekannt

Das Lootbox-Phänomen sorgt bereits seit Jahren für Ärger bei vielen Gaming-Fans. Spiele wie Star Wars: Battlefront II, Fifa oder Overwatch beinhalten Lootboxen, für die Nutzer Kleinstbeträge ausgeben können, um so Spielfortschritt, neue Waffen oder Outfits für die Spielfigur zu erhalten. Das aktuell erfolgreichste Spiel der Welt – Fortnite – bringt Entwickler Epic Games vor allem durch Mini-Transaktionen für Outfits und Ausrüstung jeden Monat Millionenumsätze.

Seiten wie hellcase.com oder csgolive.com funktionieren nach einem ähnlichen Prinzip wie Drakemall, nur dass es hier ausschließlich um virtuelle Güter geht. Nutzer können hier sogenannte Skins, also optische Verschönerungen für die virtuellen Waffen in Counter Strike Go kaufen. Auch hier hängt es am Zufall, was der Spieler nach dem Öffnen einer Box bekommt. Mittlerweile beschäftigen sich auch Politiker mit dem Phänomen Lootboxen, in Belgien werden diese bereits als Glücksspiel gesehen. Die deutsche USK (Unterhaltungssoftware Geldkontrolle) hatte aber bisher entschieden, dass es erst Glücksspiel sei, wenn Gewinne, die auch außerhalb des Spiels gegen Geld eingetauscht werden können, auf dem Spiel stehen. Ob Drakemall also Glücksspiel ist, dürfte außer Frage stehen.

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Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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